Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.August.ihm zu sagen, daß es Tutahah nach seinem Tode nicht mehr gehöre, sondern jetzt O-Tu's Marai genannt werde. Eine herrliche Moral für Fürsten und Könige, sie an die Sterblichkeit zu erinnern und sie zu lehren, daß ihnen nach ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Cörpers eigen bleibe! Ma- ratata und seine Frau entblößten im Vorbeyfahren ihre Schultern -- eine Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterschied des Standes, dem Marai bezeigen, und woraus sich abnehmen läßt, daß sie diese Plätze für besonders heilig ansehen müssen. Vielleicht halten sie dafür, daß die Gottheit an solchen Stellen unmittelbar gegenwärtig sey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas ähnliches von seinen heiligen Versammlungs-Oertern geglaubt hat. Wir kamen auf dieser Fahrt an einem der schönsten Districte von O- Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.Auguſt.ihm zu ſagen, daß es Tutahah nach ſeinem Tode nicht mehr gehoͤre, ſondern jetzt O-Tu’s Marai genannt werde. Eine herrliche Moral fuͤr Fuͤrſten und Koͤnige, ſie an die Sterblichkeit zu erinnern und ſie zu lehren, daß ihnen nach ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Coͤrpers eigen bleibe! Ma- ratata und ſeine Frau entbloͤßten im Vorbeyfahren ihre Schultern — eine Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterſchied des Standes, dem Marai bezeigen, und woraus ſich abnehmen laͤßt, daß ſie dieſe Plaͤtze fuͤr beſonders heilig anſehen muͤſſen. Vielleicht halten ſie dafuͤr, daß die Gottheit an ſolchen Stellen unmittelbar gegenwaͤrtig ſey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas aͤhnliches von ſeinen heiligen Verſammlungs-Oertern geglaubt hat. Wir kamen auf dieſer Fahrt an einem der ſchoͤnſten Diſtricte von O- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="246"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> Auguſt.</note>ihm zu ſagen, daß es <persName>Tutahah</persName> nach ſeinem Tode nicht mehr gehoͤre, ſondern<lb/> jetzt <hi rendition="#fr"><persName>O-Tu’s</persName> Marai</hi> genannt werde. Eine herrliche Moral fuͤr Fuͤrſten und<lb/> Koͤnige, ſie an die Sterblichkeit zu erinnern und ſie zu lehren, daß ihnen nach<lb/> ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Coͤrpers eigen bleibe! <hi rendition="#fr"><persName>Ma-<lb/> ratata</persName></hi> und ſeine Frau entbloͤßten im Vorbeyfahren ihre Schultern — eine<lb/> Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterſchied des Standes, dem <hi rendition="#fr">Marai</hi><lb/> bezeigen, und woraus ſich abnehmen laͤßt, daß ſie dieſe Plaͤtze fuͤr beſonders heilig<lb/> anſehen muͤſſen. Vielleicht halten ſie dafuͤr, daß die Gottheit an ſolchen Stellen<lb/> unmittelbar gegenwaͤrtig ſey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas<lb/> aͤhnliches von ſeinen heiligen Verſammlungs-Oertern geglaubt hat.</p><lb/> <p>Wir kamen auf dieſer Fahrt an einem der ſchoͤnſten Diſtricte von <hi rendition="#fr"><placeName>O-<lb/> Tahiti</placeName></hi> vorbey. Die Ebenen ſchienen hier von betraͤchtlichem Umfange zu<lb/> ſeyn; die Berge hatten durchgehends ſanfte Anhoͤhen und verloren ſich auf der<lb/> Ebene in ziemlich weit hervorragenden, gewoͤlbten Spitzen. Das Ufer, wel-<lb/> ches mit dem ſchoͤnſten Raſen bewachſen und, bis an den Strand herab, von Pal-<lb/> men beſchattet war, ſtand voller Menſchen, welche, ſo bald wir aus dem Boot<lb/> ſtiegen, ein lautes Freuden-Geſchrey erhoben. Man fuͤhrte uns ohnverzuͤglich<lb/> nach einigen Haͤuſern, die unter Brodfrucht-Baͤumen verſteckt lagen und vor<lb/> einem der groͤßten Haͤuſer trafen wir einen Platz von zwanzig bis dreyßig<lb/> Schritte im Gevierte an, der mit einem ohngefaͤhr 18 Zoll hohen Gitterwerk<lb/> von Rohr umzaͤunt war. Mitten auf dieſem Platze ſaß der Koͤnig, mit kreuz-<lb/> weis uͤbereinander geſchlagnen Beinen, auf der Erde. Um ihn her ſtand ein<lb/> großer Kreis von Leuten beyderley Geſchlechts, die ihrer Statur, Farbe und<lb/> Betragen nach, zu den Vornehmſten des Landes gehoͤren mußten. Sobald die<lb/> Matroſen unſre Geſchenke, als welche Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook’s</persName></hi> Creditiv ausmachten,<lb/> vor dem Koͤnige auf die Erde niedergelegt hatten, traten wir alle naͤher, und wur-<lb/> den gebeten, uns um Se. Majeſtaͤt herum zu ſetzen. Ohnerachtet das Volk im<lb/> Aeußern viel Achtung fuͤr ſeinen Beherrſcher zu haben ſcheint, wie ſich zum Theil<lb/> ſchon daraus abnehmen laͤßt, daß in ſeiner Gegenwart jedermann, ohne Aus-<lb/> nahme, die Schultern entbloͤßen muß; ſo reichte ſolche doch nicht ſo weit, daß<lb/> man ſich nicht von allen Seiten her mit der ungeſtuͤmſten Neugierde auf uns<lb/> zugedraͤngt haben ſollte, und da die Menge der Menſchen, mithin auch das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [246/0299]
Forſter’s Reiſe um die Welt
ihm zu ſagen, daß es Tutahah nach ſeinem Tode nicht mehr gehoͤre, ſondern
jetzt O-Tu’s Marai genannt werde. Eine herrliche Moral fuͤr Fuͤrſten und
Koͤnige, ſie an die Sterblichkeit zu erinnern und ſie zu lehren, daß ihnen nach
ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Coͤrpers eigen bleibe! Ma-
ratata und ſeine Frau entbloͤßten im Vorbeyfahren ihre Schultern — eine
Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterſchied des Standes, dem Marai
bezeigen, und woraus ſich abnehmen laͤßt, daß ſie dieſe Plaͤtze fuͤr beſonders heilig
anſehen muͤſſen. Vielleicht halten ſie dafuͤr, daß die Gottheit an ſolchen Stellen
unmittelbar gegenwaͤrtig ſey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas
aͤhnliches von ſeinen heiligen Verſammlungs-Oertern geglaubt hat.
1773.
Auguſt.
Wir kamen auf dieſer Fahrt an einem der ſchoͤnſten Diſtricte von O-
Tahiti vorbey. Die Ebenen ſchienen hier von betraͤchtlichem Umfange zu
ſeyn; die Berge hatten durchgehends ſanfte Anhoͤhen und verloren ſich auf der
Ebene in ziemlich weit hervorragenden, gewoͤlbten Spitzen. Das Ufer, wel-
ches mit dem ſchoͤnſten Raſen bewachſen und, bis an den Strand herab, von Pal-
men beſchattet war, ſtand voller Menſchen, welche, ſo bald wir aus dem Boot
ſtiegen, ein lautes Freuden-Geſchrey erhoben. Man fuͤhrte uns ohnverzuͤglich
nach einigen Haͤuſern, die unter Brodfrucht-Baͤumen verſteckt lagen und vor
einem der groͤßten Haͤuſer trafen wir einen Platz von zwanzig bis dreyßig
Schritte im Gevierte an, der mit einem ohngefaͤhr 18 Zoll hohen Gitterwerk
von Rohr umzaͤunt war. Mitten auf dieſem Platze ſaß der Koͤnig, mit kreuz-
weis uͤbereinander geſchlagnen Beinen, auf der Erde. Um ihn her ſtand ein
großer Kreis von Leuten beyderley Geſchlechts, die ihrer Statur, Farbe und
Betragen nach, zu den Vornehmſten des Landes gehoͤren mußten. Sobald die
Matroſen unſre Geſchenke, als welche Capitain Cook’s Creditiv ausmachten,
vor dem Koͤnige auf die Erde niedergelegt hatten, traten wir alle naͤher, und wur-
den gebeten, uns um Se. Majeſtaͤt herum zu ſetzen. Ohnerachtet das Volk im
Aeußern viel Achtung fuͤr ſeinen Beherrſcher zu haben ſcheint, wie ſich zum Theil
ſchon daraus abnehmen laͤßt, daß in ſeiner Gegenwart jedermann, ohne Aus-
nahme, die Schultern entbloͤßen muß; ſo reichte ſolche doch nicht ſo weit, daß
man ſich nicht von allen Seiten her mit der ungeſtuͤmſten Neugierde auf uns
zugedraͤngt haben ſollte, und da die Menge der Menſchen, mithin auch das
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