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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Erde ausfündig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civilisation1773.
August.

zu erreichen und dabey doch eine gewisse frugale Gleichheit unter sich zu erhalten
gewußt habe, dergestalt, daß alle Stände mehr oder minder, gleiche Kost, gleiche
Vergnügungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein hätten. Aber wie
verschwand diese schöne Einbildung beym Anblick jenes trägen Wollüstlings, der
sein Leben in der üppigsten Unthätigkeit ohne allen Nutzen für die menschliche
Gesellschaft, eben so schlecht hinbrachte, als jene privilegirten Schmarotzer in
gesitteten Ländern, die sich mit dem Fette und Ueberflusse des Landes mästen,
indeß der fleißigere Bürger desselben im Schweiß seines Angesichts darben muß!
Die träge Weichlichkeit dieses Insulaners glich gewissermaßen dem Luxus dieser
Art, der in Indien und andern Morgenländern unter den Großen so allgemein
im Schwange ist, und über welchen sich Sir John Mandeville, in der Beschrei-
bung seiner asiatischen Reisen, mit gerechtem Unwillen ausläßt. Dieser brave
Rittersmann, dessen Denkungsart und Heldenmuth ganz auf den ritterhaften Ton
seiner Zeiten gestimmt waren, brachte sein Leben in beständiger Thätigkeit hin,
und gerieth in nicht geringen Eifer, als er irgendwo ein Ungeheuer von Faulheit
antraf, das seine Tage verstreichen ließ, "ohne einziges ritterliches Abentheuer und
"so immerfort faullenzte als ein Schwein, das auf dem Stalle gefüttert wird,
"um gemästet zu werden." *)


*) Die Stelle ist im Alt Englischen ungemein naif und fängt sich also an: "From that lond in
"returuynge be ten jorneys thorge out the lond of the grete
Chane, is another gode yle
"and a grete Kyugdom, where the Kyng is fulle riche and myghty &c
.
Wir wollen sie
aber dem deutschen Leser zu gefallen lieber deutsch geben. "Von dem Lande zehen Tagerei-
"sen rückwärts durchs Land des großen Kans ist ein andres gutes Eyland und ein großes
"Königreich, dessen König sehr reich und mächtig ist. Und unter den Großen des Lan-
"des ist ein überschwenglich reicher Mann, der nicht Prinz, nicht Herzog, nicht Graf ist;
"aber er hat mehr Vasallen, die Land und Herrschaften von ihm zu Lehen tragen, denn
"er ist reicher als Prinzen, Herzoge und Grafen seyn mögen. Hat jedes Jahr an Ren-
"ten 300,000 Rosse mit Korn verschiedner Art und mit Reis beladen. Lebt nach Lan-
"des Brauch als ein rechter Edelmann und köstlich. Hat jeden Tag funfzig schöne Mägd-
"lein, die Jungfrauen sind, ihm aufzuwarten bey Tisch, und bey ihm zu liegen des
"Nachts und zu thun mit ihnen was ihm wohlgefällt. Und wenn er bey Tische ist,
"so bringen sie die Speisen je fünf und fünf; und singen dabey ein Liedlein, und zerlegen
"denn das Essen und steckens ihm ins Maul, denn er rührt nichts an und thut nichts
"mit den Händen, die er immer vor sich hält auf dem Tische, weil er so lange Nägel an
Forsters Reise u. d. W. erster Th. F f

in den Jahren 1772 bis 1775.
Erde ausfuͤndig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civiliſation1773.
Auguſt.

zu erreichen und dabey doch eine gewiſſe frugale Gleichheit unter ſich zu erhalten
gewußt habe, dergeſtalt, daß alle Staͤnde mehr oder minder, gleiche Koſt, gleiche
Vergnuͤgungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein haͤtten. Aber wie
verſchwand dieſe ſchoͤne Einbildung beym Anblick jenes traͤgen Wolluͤſtlings, der
ſein Leben in der uͤppigſten Unthaͤtigkeit ohne allen Nutzen fuͤr die menſchliche
Geſellſchaft, eben ſo ſchlecht hinbrachte, als jene privilegirten Schmarotzer in
geſitteten Laͤndern, die ſich mit dem Fette und Ueberfluſſe des Landes maͤſten,
indeß der fleißigere Buͤrger deſſelben im Schweiß ſeines Angeſichts darben muß!
Die traͤge Weichlichkeit dieſes Inſulaners glich gewiſſermaßen dem Luxus dieſer
Art, der in Indien und andern Morgenlaͤndern unter den Großen ſo allgemein
im Schwange iſt, und uͤber welchen ſich Sir John Mandeville, in der Beſchrei-
bung ſeiner aſiatiſchen Reiſen, mit gerechtem Unwillen auslaͤßt. Dieſer brave
Rittersmann, deſſen Denkungsart und Heldenmuth ganz auf den ritterhaften Ton
ſeiner Zeiten geſtimmt waren, brachte ſein Leben in beſtaͤndiger Thaͤtigkeit hin,
und gerieth in nicht geringen Eifer, als er irgendwo ein Ungeheuer von Faulheit
antraf, das ſeine Tage verſtreichen ließ, “ohne einziges ritterliches Abentheuer und
“ſo immerfort faullenzte als ein Schwein, das auf dem Stalle gefuͤttert wird,
“um gemaͤſtet zu werden.“ *)


*) Die Stelle iſt im Alt Engliſchen ungemein naif und faͤngt ſich alſo an: „From that lond in
“returuynge be ten jorneys thorge out the lond of the grete
Chane, is another gode yle
“and a grete Kyugdom, where the Kyng is fulle riche and myghty &c
.
Wir wollen ſie
aber dem deutſchen Leſer zu gefallen lieber deutſch geben. “Von dem Lande zehen Tagerei-
“ſen ruͤckwaͤrts durchs Land des großen Kans iſt ein andres gutes Eyland und ein großes
“Koͤnigreich, deſſen Koͤnig ſehr reich und maͤchtig iſt. Und unter den Großen des Lan-
“des iſt ein uͤberſchwenglich reicher Mann, der nicht Prinz, nicht Herzog, nicht Graf iſt;
“aber er hat mehr Vaſallen, die Land und Herrſchaften von ihm zu Lehen tragen, denn
“er iſt reicher als Prinzen, Herzoge und Grafen ſeyn moͤgen. Hat jedes Jahr an Ren-
“ten 300,000 Roſſe mit Korn verſchiedner Art und mit Reis beladen. Lebt nach Lan-
“des Brauch als ein rechter Edelmann und koͤſtlich. Hat jeden Tag funfzig ſchoͤne Maͤgd-
“lein, die Jungfrauen ſind, ihm aufzuwarten bey Tiſch, und bey ihm zu liegen des
“Nachts und zu thun mit ihnen was ihm wohlgefaͤllt. Und wenn er bey Tiſche iſt,
“ſo bringen ſie die Speiſen je fuͤnf und fuͤnf; und ſingen dabey ein Liedlein, und zerlegen
“denn das Eſſen und ſteckens ihm ins Maul, denn er ruͤhrt nichts an und thut nichts
“mit den Haͤnden, die er immer vor ſich haͤlt auf dem Tiſche, weil er ſo lange Naͤgel an
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. F f
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[225/0278] in den Jahren 1772 bis 1775. Erde ausfuͤndig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civiliſation zu erreichen und dabey doch eine gewiſſe frugale Gleichheit unter ſich zu erhalten gewußt habe, dergeſtalt, daß alle Staͤnde mehr oder minder, gleiche Koſt, gleiche Vergnuͤgungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein haͤtten. Aber wie verſchwand dieſe ſchoͤne Einbildung beym Anblick jenes traͤgen Wolluͤſtlings, der ſein Leben in der uͤppigſten Unthaͤtigkeit ohne allen Nutzen fuͤr die menſchliche Geſellſchaft, eben ſo ſchlecht hinbrachte, als jene privilegirten Schmarotzer in geſitteten Laͤndern, die ſich mit dem Fette und Ueberfluſſe des Landes maͤſten, indeß der fleißigere Buͤrger deſſelben im Schweiß ſeines Angeſichts darben muß! Die traͤge Weichlichkeit dieſes Inſulaners glich gewiſſermaßen dem Luxus dieſer Art, der in Indien und andern Morgenlaͤndern unter den Großen ſo allgemein im Schwange iſt, und uͤber welchen ſich Sir John Mandeville, in der Beſchrei- bung ſeiner aſiatiſchen Reiſen, mit gerechtem Unwillen auslaͤßt. Dieſer brave Rittersmann, deſſen Denkungsart und Heldenmuth ganz auf den ritterhaften Ton ſeiner Zeiten geſtimmt waren, brachte ſein Leben in beſtaͤndiger Thaͤtigkeit hin, und gerieth in nicht geringen Eifer, als er irgendwo ein Ungeheuer von Faulheit antraf, das ſeine Tage verſtreichen ließ, “ohne einziges ritterliches Abentheuer und “ſo immerfort faullenzte als ein Schwein, das auf dem Stalle gefuͤttert wird, “um gemaͤſtet zu werden.“ *) 1773. Auguſt. *) Die Stelle iſt im Alt Engliſchen ungemein naif und faͤngt ſich alſo an: „From that lond in “returuynge be ten jorneys thorge out the lond of the grete Chane, is another gode yle “and a grete Kyugdom, where the Kyng is fulle riche and myghty &c. Wir wollen ſie aber dem deutſchen Leſer zu gefallen lieber deutſch geben. “Von dem Lande zehen Tagerei- “ſen ruͤckwaͤrts durchs Land des großen Kans iſt ein andres gutes Eyland und ein großes “Koͤnigreich, deſſen Koͤnig ſehr reich und maͤchtig iſt. Und unter den Großen des Lan- “des iſt ein uͤberſchwenglich reicher Mann, der nicht Prinz, nicht Herzog, nicht Graf iſt; “aber er hat mehr Vaſallen, die Land und Herrſchaften von ihm zu Lehen tragen, denn “er iſt reicher als Prinzen, Herzoge und Grafen ſeyn moͤgen. Hat jedes Jahr an Ren- “ten 300,000 Roſſe mit Korn verſchiedner Art und mit Reis beladen. Lebt nach Lan- “des Brauch als ein rechter Edelmann und koͤſtlich. Hat jeden Tag funfzig ſchoͤne Maͤgd- “lein, die Jungfrauen ſind, ihm aufzuwarten bey Tiſch, und bey ihm zu liegen des “Nachts und zu thun mit ihnen was ihm wohlgefaͤllt. Und wenn er bey Tiſche iſt, “ſo bringen ſie die Speiſen je fuͤnf und fuͤnf; und ſingen dabey ein Liedlein, und zerlegen “denn das Eſſen und ſteckens ihm ins Maul, denn er ruͤhrt nichts an und thut nichts “mit den Haͤnden, die er immer vor ſich haͤlt auf dem Tiſche, weil er ſo lange Naͤgel an Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. F f

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/278>, abgerufen am 22.11.2024.