Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. anmuthigsten Wäldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Bäumen fort, und1773.August. sahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornem- lich hörten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß sich indessen nicht vorstellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genöthigt werden, so unabläßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, versammlete sich gemeinig- lich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag über, zum Theil so unermüdet nach, daß mancher das Mittagbrod darüber versäumte. Doch giengen sie nicht so ganz ohne Neben-Absicht mit. Im Ganzen war ihr Betragen allemal gutherzig, freundschaftlich und dienstfertig; aber sie paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden und damit wußten sie ausnehmend gut Bescheid. Wenn wir sie freundlich ansa- hen oder ihnen zulächelten, so hielten manche es für die rechte Zeit, von unserm guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: Tayo, poe! hören zu lassen. Das bedeutete so viel als: Freund! ein Coralchen! Nun mogten wir ihnen hierinn willfahren oder nicht, so brachte dis doch niemals eine Aen- drung in ihrem Betragen hervor, sondern sie blieben so aufgeräumt und freund- lich als vorhin. Wenn sie mit diesem Anliegen zu häufig kamen, so zogen wir sie auf und wiederholten ihre kindische Betteley im nemlichen Tone, worüber denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelächter entstand. Sie redeten gemeiniglich sehr laut untereinander, und mehrentheils waren wir der Gegenstand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unsrer Begleiter vermehren half, wurden wir sogleich mit Namen genannt, die nach ihrer Aussprache auf wenige Vocalen und weichere Consonanten eingeschränkt zu seyn pflegten; dann ward einem Jedem erzählt, was wir den ganzen Morgen über gethan oder gesagt hätten. Die erste Bitte bestand gewöhnlich darinn, daß wir ein Gewehr abfeuern mögten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn sie uns einen Vogel zum Ziel zeigen könnten. Doch waren wir dabey mehr als einmal in Verlegenheit, weil sie uns oft Vögel zeigten, welche vier bis fünfhun- dert Schritte weit von uns saßen. Sie wußten nicht, daß die Würkung un- sers Gewehrs nur bis auf gewisse Entfernungen reicht; und da es eben nicht rath- sam war, sie das Geheimniß zu lehren, so stellten wir uns gemeiniglich als könnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter diesem Vorwande so Forsters Reise u. d. W. erster Th. E e
in den Jahren 1772 bis 1775. anmuthigſten Waͤldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Baͤumen fort, und1773.Auguſt. ſahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornem- lich hoͤrten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß ſich indeſſen nicht vorſtellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genoͤthigt werden, ſo unablaͤßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, verſammlete ſich gemeinig- lich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag uͤber, zum Theil ſo unermuͤdet nach, daß mancher das Mittagbrod daruͤber verſaͤumte. Doch giengen ſie nicht ſo ganz ohne Neben-Abſicht mit. Im Ganzen war ihr Betragen allemal gutherzig, freundſchaftlich und dienſtfertig; aber ſie paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden und damit wußten ſie ausnehmend gut Beſcheid. Wenn wir ſie freundlich anſa- hen oder ihnen zulaͤchelten, ſo hielten manche es fuͤr die rechte Zeit, von unſerm guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: Tayo, poe! hoͤren zu laſſen. Das bedeutete ſo viel als: Freund! ein Coralchen! Nun mogten wir ihnen hierinn willfahren oder nicht, ſo brachte dis doch niemals eine Aen- drung in ihrem Betragen hervor, ſondern ſie blieben ſo aufgeraͤumt und freund- lich als vorhin. Wenn ſie mit dieſem Anliegen zu haͤufig kamen, ſo zogen wir ſie auf und wiederholten ihre kindiſche Betteley im nemlichen Tone, woruͤber denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelaͤchter entſtand. Sie redeten gemeiniglich ſehr laut untereinander, und mehrentheils waren wir der Gegenſtand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unſrer Begleiter vermehren half, wurden wir ſogleich mit Namen genannt, die nach ihrer Ausſprache auf wenige Vocalen und weichere Conſonanten eingeſchraͤnkt zu ſeyn pflegten; dann ward einem Jedem erzaͤhlt, was wir den ganzen Morgen uͤber gethan oder geſagt haͤtten. Die erſte Bitte beſtand gewoͤhnlich darinn, daß wir ein Gewehr abfeuern moͤgten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn ſie uns einen Vogel zum Ziel zeigen koͤnnten. Doch waren wir dabey mehr als einmal in Verlegenheit, weil ſie uns oft Voͤgel zeigten, welche vier bis fuͤnfhun- dert Schritte weit von uns ſaßen. Sie wußten nicht, daß die Wuͤrkung un- ſers Gewehrs nur bis auf gewiſſe Entfernungen reicht; und da es eben nicht rath- ſam war, ſie das Geheimniß zu lehren, ſo ſtellten wir uns gemeiniglich als koͤnnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter dieſem Vorwande ſo Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. E e
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0270" n="217"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/> anmuthigſten Waͤldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Baͤumen fort, und<note place="right">1773.<lb/> Auguſt.</note><lb/> ſahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornem-<lb/> lich hoͤrten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß ſich indeſſen nicht<lb/> vorſtellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genoͤthigt werden, ſo<lb/> unablaͤßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, verſammlete ſich gemeinig-<lb/> lich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag uͤber,<lb/> zum Theil ſo unermuͤdet nach, daß mancher das Mittagbrod daruͤber verſaͤumte.<lb/> Doch giengen ſie nicht ſo ganz ohne Neben-Abſicht mit. Im Ganzen war<lb/> ihr Betragen allemal gutherzig, freundſchaftlich und dienſtfertig; aber ſie<lb/> paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden<lb/> und damit wußten ſie ausnehmend gut Beſcheid. Wenn wir ſie freundlich anſa-<lb/> hen oder ihnen zulaͤchelten, ſo hielten manche es fuͤr die rechte Zeit, von unſerm<lb/> guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: <hi rendition="#fr">Tayo, poe!</hi><lb/> hoͤren zu laſſen. Das bedeutete ſo viel als: <hi rendition="#fr">Freund! ein Coralchen!</hi> Nun<lb/> mogten wir ihnen hierinn willfahren oder nicht, ſo brachte dis doch niemals eine Aen-<lb/> drung in ihrem Betragen hervor, ſondern ſie blieben ſo aufgeraͤumt und freund-<lb/> lich als vorhin. Wenn ſie mit dieſem Anliegen zu haͤufig kamen, ſo zogen wir<lb/> ſie auf und wiederholten ihre kindiſche Betteley im nemlichen Tone, woruͤber<lb/> denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelaͤchter entſtand. Sie<lb/> redeten gemeiniglich ſehr laut untereinander, und mehrentheils waren <hi rendition="#fr">wir</hi> der<lb/> Gegenſtand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unſrer<lb/> Begleiter vermehren half, wurden wir ſogleich mit Namen genannt, die nach ihrer<lb/> Ausſprache auf wenige Vocalen und weichere Conſonanten eingeſchraͤnkt zu ſeyn<lb/> pflegten; dann ward einem Jedem erzaͤhlt, was wir den ganzen Morgen uͤber<lb/> gethan oder geſagt haͤtten. Die erſte Bitte beſtand gewoͤhnlich darinn, daß wir<lb/> ein Gewehr abfeuern moͤgten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn<lb/> ſie uns einen Vogel zum Ziel zeigen koͤnnten. Doch waren wir dabey mehr als<lb/> einmal in Verlegenheit, weil ſie uns oft Voͤgel zeigten, welche vier bis fuͤnfhun-<lb/> dert Schritte weit von uns ſaßen. Sie wußten nicht, daß die Wuͤrkung un-<lb/> ſers Gewehrs nur bis auf gewiſſe Entfernungen reicht; und da es eben nicht rath-<lb/> ſam war, ſie das Geheimniß zu lehren, ſo ſtellten wir uns gemeiniglich als<lb/> koͤnnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter dieſem Vorwande ſo<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>Forſters</persName> Reiſe u. d. W.</hi> erſter <hi rendition="#fr">Th.</hi> E e</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [217/0270]
in den Jahren 1772 bis 1775.
anmuthigſten Waͤldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Baͤumen fort, und
ſahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornem-
lich hoͤrten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß ſich indeſſen nicht
vorſtellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genoͤthigt werden, ſo
unablaͤßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, verſammlete ſich gemeinig-
lich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag uͤber,
zum Theil ſo unermuͤdet nach, daß mancher das Mittagbrod daruͤber verſaͤumte.
Doch giengen ſie nicht ſo ganz ohne Neben-Abſicht mit. Im Ganzen war
ihr Betragen allemal gutherzig, freundſchaftlich und dienſtfertig; aber ſie
paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden
und damit wußten ſie ausnehmend gut Beſcheid. Wenn wir ſie freundlich anſa-
hen oder ihnen zulaͤchelten, ſo hielten manche es fuͤr die rechte Zeit, von unſerm
guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: Tayo, poe!
hoͤren zu laſſen. Das bedeutete ſo viel als: Freund! ein Coralchen! Nun
mogten wir ihnen hierinn willfahren oder nicht, ſo brachte dis doch niemals eine Aen-
drung in ihrem Betragen hervor, ſondern ſie blieben ſo aufgeraͤumt und freund-
lich als vorhin. Wenn ſie mit dieſem Anliegen zu haͤufig kamen, ſo zogen wir
ſie auf und wiederholten ihre kindiſche Betteley im nemlichen Tone, woruͤber
denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelaͤchter entſtand. Sie
redeten gemeiniglich ſehr laut untereinander, und mehrentheils waren wir der
Gegenſtand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unſrer
Begleiter vermehren half, wurden wir ſogleich mit Namen genannt, die nach ihrer
Ausſprache auf wenige Vocalen und weichere Conſonanten eingeſchraͤnkt zu ſeyn
pflegten; dann ward einem Jedem erzaͤhlt, was wir den ganzen Morgen uͤber
gethan oder geſagt haͤtten. Die erſte Bitte beſtand gewoͤhnlich darinn, daß wir
ein Gewehr abfeuern moͤgten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn
ſie uns einen Vogel zum Ziel zeigen koͤnnten. Doch waren wir dabey mehr als
einmal in Verlegenheit, weil ſie uns oft Voͤgel zeigten, welche vier bis fuͤnfhun-
dert Schritte weit von uns ſaßen. Sie wußten nicht, daß die Wuͤrkung un-
ſers Gewehrs nur bis auf gewiſſe Entfernungen reicht; und da es eben nicht rath-
ſam war, ſie das Geheimniß zu lehren, ſo ſtellten wir uns gemeiniglich als
koͤnnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter dieſem Vorwande ſo
1773.
Auguſt.
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. E e
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |