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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Vorrede.
wenig geläufig gemacht, daß er ganz unfähig war, die mehr zusammen-
gesetzten englischen Töne hervorzubringen: dieser physische oder vielmehr
Gewohnheits-Fehler ward aber oft unrecht ausgelegt. Kaum war
er in England angekommen, so ward er in große Gesellschaften geführt,
mit den schimmernden Lustbarkeiten der wollüstigen Hauptstadt
bekannt gemacht, und im glänzenden Kreise des höchsten Adels bey Hofe
vorgestellt. Natürlicherweise ahmte er jene ungezwungene Höflich-
keit nach, die an allen diesen Orten üblich und eine der größten Zierden
des geselligen Lebens ist; die Manieren, Beschäfftigungen und Ergötz-
lichkeiten seiner neuen Gesellschafter wurden auch die seinigen, und ga-
ben ihm häufige Gelegenheit seinen schnellen Verstand und lebhafte Ein-
bildungskraft sehen zu lassen. Um von seinen Fähigkeiten eine Probe
anzuführen, darf ich nur erwähnen, daß er es im Schachspiel sehr weit
gebracht. Er konnte aber seine Aufmerksamkeit nicht besonders auf
Sachen richten, die ihm und seinen Landsleuten bey seiner Rückkehr
hätten nützlich werden können: Die Mannigfaltigkeit der Gegenstände
verhinderte ihn daran. Keine allgemeine Vorstellung unseres civili-
sirten Systems wollte ihm in den Kopf; und folglich wußte er auch die Vor-
züge desselben nicht zum Nutzen und zur Verbesserung seines Vaterlandes
anzuwenden. Schönheit, Symmetrie, Wohlklang und Pracht bezauber-
ten wechselsweise seine Sinne; diese wollten befriedigt seyn, und er war ge-
wohnt ihrem Ruf zu gehorchen. Der beständige Schwindel des Genusses
ließ ihm keinen Augenblick Zeit auf das Künftige zu denken; und da er
nicht von wahrem Genie belebt war, wie Tupaia, der an seiner Stelle
gewiß nach einem festgesetzten Plan gehandelt hätte, so blieb sein Verstand
immer unbebauet. Zwar mag er wohl öfters gewünscht haben, von un-
serm Ackerbau, unsern Künsten und Manufacturen einige Kenntniß zu
bekommen; allein es fand sich kein freundschaftlicher Mentor, der die-
sen Wunsch zu befriedigen, ja was noch mehr, der seinen moralischen
Charakter zu verbessern, ihm unsre erhabnen Begriffe von Tugend, und
die göttlichen Grundsätze der geoffenbarten Religion beyzubringen ge-
sucht hätte. Nachdem er fast zwey Jahre in England zugebracht und

Vorrede.
wenig gelaͤufig gemacht, daß er ganz unfaͤhig war, die mehr zuſammen-
geſetzten engliſchen Toͤne hervorzubringen: dieſer phyſiſche oder vielmehr
Gewohnheits-Fehler ward aber oft unrecht ausgelegt. Kaum war
er in England angekommen, ſo ward er in große Geſellſchaften gefuͤhrt,
mit den ſchimmernden Luſtbarkeiten der wolluͤſtigen Hauptſtadt
bekannt gemacht, und im glaͤnzenden Kreiſe des hoͤchſten Adels bey Hofe
vorgeſtellt. Natuͤrlicherweiſe ahmte er jene ungezwungene Hoͤflich-
keit nach, die an allen dieſen Orten uͤblich und eine der groͤßten Zierden
des geſelligen Lebens iſt; die Manieren, Beſchaͤfftigungen und Ergoͤtz-
lichkeiten ſeiner neuen Geſellſchafter wurden auch die ſeinigen, und ga-
ben ihm haͤufige Gelegenheit ſeinen ſchnellen Verſtand und lebhafte Ein-
bildungskraft ſehen zu laſſen. Um von ſeinen Faͤhigkeiten eine Probe
anzufuͤhren, darf ich nur erwaͤhnen, daß er es im Schachſpiel ſehr weit
gebracht. Er konnte aber ſeine Aufmerkſamkeit nicht beſonders auf
Sachen richten, die ihm und ſeinen Landsleuten bey ſeiner Ruͤckkehr
haͤtten nuͤtzlich werden koͤnnen: Die Mannigfaltigkeit der Gegenſtaͤnde
verhinderte ihn daran. Keine allgemeine Vorſtellung unſeres civili-
ſirten Syſtems wollte ihm in den Kopf; und folglich wußte er auch die Vor-
zuͤge deſſelben nicht zum Nutzen und zur Verbeſſerung ſeines Vaterlandes
anzuwenden. Schoͤnheit, Symmetrie, Wohlklang und Pracht bezauber-
ten wechſelsweiſe ſeine Sinne; dieſe wollten befriedigt ſeyn, und er war ge-
wohnt ihrem Ruf zu gehorchen. Der beſtaͤndige Schwindel des Genuſſes
ließ ihm keinen Augenblick Zeit auf das Kuͤnftige zu denken; und da er
nicht von wahrem Genie belebt war, wie Tupaia, der an ſeiner Stelle
gewiß nach einem feſtgeſetzten Plan gehandelt haͤtte, ſo blieb ſein Verſtand
immer unbebauet. Zwar mag er wohl oͤfters gewuͤnſcht haben, von un-
ſerm Ackerbau, unſern Kuͤnſten und Manufacturen einige Kenntniß zu
bekommen; allein es fand ſich kein freundſchaftlicher Mentor, der die-
ſen Wunſch zu befriedigen, ja was noch mehr, der ſeinen moraliſchen
Charakter zu verbeſſern, ihm unſre erhabnen Begriffe von Tugend, und
die goͤttlichen Grundſaͤtze der geoffenbarten Religion beyzubringen ge-
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[0027] Vorrede. wenig gelaͤufig gemacht, daß er ganz unfaͤhig war, die mehr zuſammen- geſetzten engliſchen Toͤne hervorzubringen: dieſer phyſiſche oder vielmehr Gewohnheits-Fehler ward aber oft unrecht ausgelegt. Kaum war er in England angekommen, ſo ward er in große Geſellſchaften gefuͤhrt, mit den ſchimmernden Luſtbarkeiten der wolluͤſtigen Hauptſtadt bekannt gemacht, und im glaͤnzenden Kreiſe des hoͤchſten Adels bey Hofe vorgeſtellt. Natuͤrlicherweiſe ahmte er jene ungezwungene Hoͤflich- keit nach, die an allen dieſen Orten uͤblich und eine der groͤßten Zierden des geſelligen Lebens iſt; die Manieren, Beſchaͤfftigungen und Ergoͤtz- lichkeiten ſeiner neuen Geſellſchafter wurden auch die ſeinigen, und ga- ben ihm haͤufige Gelegenheit ſeinen ſchnellen Verſtand und lebhafte Ein- bildungskraft ſehen zu laſſen. Um von ſeinen Faͤhigkeiten eine Probe anzufuͤhren, darf ich nur erwaͤhnen, daß er es im Schachſpiel ſehr weit gebracht. Er konnte aber ſeine Aufmerkſamkeit nicht beſonders auf Sachen richten, die ihm und ſeinen Landsleuten bey ſeiner Ruͤckkehr haͤtten nuͤtzlich werden koͤnnen: Die Mannigfaltigkeit der Gegenſtaͤnde verhinderte ihn daran. Keine allgemeine Vorſtellung unſeres civili- ſirten Syſtems wollte ihm in den Kopf; und folglich wußte er auch die Vor- zuͤge deſſelben nicht zum Nutzen und zur Verbeſſerung ſeines Vaterlandes anzuwenden. Schoͤnheit, Symmetrie, Wohlklang und Pracht bezauber- ten wechſelsweiſe ſeine Sinne; dieſe wollten befriedigt ſeyn, und er war ge- wohnt ihrem Ruf zu gehorchen. Der beſtaͤndige Schwindel des Genuſſes ließ ihm keinen Augenblick Zeit auf das Kuͤnftige zu denken; und da er nicht von wahrem Genie belebt war, wie Tupaia, der an ſeiner Stelle gewiß nach einem feſtgeſetzten Plan gehandelt haͤtte, ſo blieb ſein Verſtand immer unbebauet. Zwar mag er wohl oͤfters gewuͤnſcht haben, von un- ſerm Ackerbau, unſern Kuͤnſten und Manufacturen einige Kenntniß zu bekommen; allein es fand ſich kein freundſchaftlicher Mentor, der die- ſen Wunſch zu befriedigen, ja was noch mehr, der ſeinen moraliſchen Charakter zu verbeſſern, ihm unſre erhabnen Begriffe von Tugend, und die goͤttlichen Grundſaͤtze der geoffenbarten Religion beyzubringen ge- ſucht haͤtte. Nachdem er faſt zwey Jahre in England zugebracht und

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/27>, abgerufen am 21.11.2024.