Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1773.
August.
ursachte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte,
war frisches Schweinefleisch, dessen Mangel uns desto härter ankam,
da wir dergleichen Thiere, auf allen unsern Spatziergängen, in Menge an-
trafen, ob sich gleich die Leute immer Mühe gaben, sie vor uns versteckt zu
halten. Zu dem Ende sperrten sie solche in kleine Ställe ein, die ganz nie-
drig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, so daß eine Art von
Platteform daraus entstand, auf welche sie sich selbst setzten oder niederlegten.
Wir suchten sie durch alle ersinnliche Mittel dahin zu bewegen, daß sie uns wel-
che ablassen mögten. Wir boten ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an,
die hier zu Lande in hohen Werth standen; aber alles war umsonst. Sie blieben
dabey, die Schweine gehörten dem Erih oder König. Anstatt mit dieser Ant-
wort zufrieden zu seyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfah-
ren zu lassen, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern
Lebensmitteln versorgten, welchen unsre Kranken ihre Wiederherstellung, und
wir alle unsre Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen
Leuten an Bord der Vorschlag gethan, eine hinlängliche Anzahl Schweine zu
unserm Gebrauche mit Gewalt wegzunehmen, und hernachmals den Ein-
wohnern so viel an europäischen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem
Gutdünken nach, werth seyn mögte. Da aber ein solches Verfahren ganz und
gar tyrannisch, ja auf die niederträchtigste Weise eigennützig gewesen wäre; so
ward der Antrag mit aller gebührenden Verachtung und Unwillen verworfen.

Unsre Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer so unbeträcht-
lich, daß uns die Zeichnung und Beschreibung derselben wenig zu thun machte,
und daß wir Muße genug übrig hatten, täglich von neuem ans Land zu gehen,
sowohl um mehrere zu suchen, als auch um den Character, die Sitten und den
gegenwärtigen Zustand der Einwohner genauer zu beobachten.

Am 20sten nahm ich nebst verschiednen Officiers, um Mittagszeit, ei-
nen Spatziergang nach der östlichen Landspitze des Havens vor. Auf dem
Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und
zu breit war; wir wagten es also, uns in ein indianisch Canot einzuschiffen,
und kamen auch glücklich damit hinüber. Auf dem jenseitigen Ufer schimmerte
aus dem Buschwerk ein ziemlich großes Gebäude hervor, und bey unsrer Annä-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Auguſt.
urſachte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte,
war friſches Schweinefleiſch, deſſen Mangel uns deſto haͤrter ankam,
da wir dergleichen Thiere, auf allen unſern Spatziergaͤngen, in Menge an-
trafen, ob ſich gleich die Leute immer Muͤhe gaben, ſie vor uns verſteckt zu
halten. Zu dem Ende ſperrten ſie ſolche in kleine Staͤlle ein, die ganz nie-
drig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, ſo daß eine Art von
Platteform daraus entſtand, auf welche ſie ſich ſelbſt ſetzten oder niederlegten.
Wir ſuchten ſie durch alle erſinnliche Mittel dahin zu bewegen, daß ſie uns wel-
che ablaſſen moͤgten. Wir boten ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an,
die hier zu Lande in hohen Werth ſtanden; aber alles war umſonſt. Sie blieben
dabey, die Schweine gehoͤrten dem Erih oder Koͤnig. Anſtatt mit dieſer Ant-
wort zufrieden zu ſeyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfah-
ren zu laſſen, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern
Lebensmitteln verſorgten, welchen unſre Kranken ihre Wiederherſtellung, und
wir alle unſre Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen
Leuten an Bord der Vorſchlag gethan, eine hinlaͤngliche Anzahl Schweine zu
unſerm Gebrauche mit Gewalt wegzunehmen, und hernachmals den Ein-
wohnern ſo viel an europaͤiſchen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem
Gutduͤnken nach, werth ſeyn moͤgte. Da aber ein ſolches Verfahren ganz und
gar tyranniſch, ja auf die niedertraͤchtigſte Weiſe eigennuͤtzig geweſen waͤre; ſo
ward der Antrag mit aller gebuͤhrenden Verachtung und Unwillen verworfen.

Unſre Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer ſo unbetraͤcht-
lich, daß uns die Zeichnung und Beſchreibung derſelben wenig zu thun machte,
und daß wir Muße genug uͤbrig hatten, taͤglich von neuem ans Land zu gehen,
ſowohl um mehrere zu ſuchen, als auch um den Character, die Sitten und den
gegenwaͤrtigen Zuſtand der Einwohner genauer zu beobachten.

Am 20ſten nahm ich nebſt verſchiednen Officiers, um Mittagszeit, ei-
nen Spatziergang nach der oͤſtlichen Landſpitze des Havens vor. Auf dem
Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und
zu breit war; wir wagten es alſo, uns in ein indianiſch Canot einzuſchiffen,
und kamen auch gluͤcklich damit hinuͤber. Auf dem jenſeitigen Ufer ſchimmerte
aus dem Buſchwerk ein ziemlich großes Gebaͤude hervor, und bey unſrer Annaͤ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note>ur&#x017F;achte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte,<lb/>
war fri&#x017F;ches Schweineflei&#x017F;ch, de&#x017F;&#x017F;en Mangel uns de&#x017F;to ha&#x0364;rter ankam,<lb/>
da wir dergleichen Thiere, auf allen un&#x017F;ern Spatzierga&#x0364;ngen, in Menge an-<lb/>
trafen, ob &#x017F;ich gleich die Leute immer Mu&#x0364;he gaben, &#x017F;ie vor uns ver&#x017F;teckt zu<lb/>
halten. Zu dem Ende &#x017F;perrten &#x017F;ie &#x017F;olche in kleine Sta&#x0364;lle ein, die ganz nie-<lb/>
drig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, &#x017F;o daß eine Art von<lb/>
Platteform daraus ent&#x017F;tand, auf welche &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;etzten oder niederlegten.<lb/>
Wir &#x017F;uchten &#x017F;ie durch alle er&#x017F;innliche Mittel dahin zu bewegen, daß &#x017F;ie uns wel-<lb/>
che abla&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;gten. Wir boten ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an,<lb/>
die hier zu Lande in hohen Werth &#x017F;tanden; aber alles war um&#x017F;on&#x017F;t. Sie blieben<lb/>
dabey, die Schweine geho&#x0364;rten dem <hi rendition="#fr">Erih</hi> oder Ko&#x0364;nig. An&#x017F;tatt mit die&#x017F;er Ant-<lb/>
wort zufrieden zu &#x017F;eyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfah-<lb/>
ren zu la&#x017F;&#x017F;en, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern<lb/>
Lebensmitteln ver&#x017F;orgten, welchen un&#x017F;re Kranken ihre Wiederher&#x017F;tellung, und<lb/>
wir alle un&#x017F;re Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen<lb/>
Leuten an Bord der Vor&#x017F;chlag gethan, eine hinla&#x0364;ngliche Anzahl Schweine zu<lb/>
un&#x017F;erm Gebrauche mit Gewalt wegzunehmen, und hernachmals den Ein-<lb/>
wohnern &#x017F;o viel an europa&#x0364;i&#x017F;chen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem<lb/>
Gutdu&#x0364;nken nach, werth &#x017F;eyn mo&#x0364;gte. Da aber ein &#x017F;olches Verfahren ganz und<lb/>
gar tyranni&#x017F;ch, ja auf die niedertra&#x0364;chtig&#x017F;te Wei&#x017F;e eigennu&#x0364;tzig gewe&#x017F;en wa&#x0364;re; &#x017F;o<lb/>
ward der Antrag mit aller gebu&#x0364;hrenden Verachtung und Unwillen verworfen.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;re Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer &#x017F;o unbetra&#x0364;cht-<lb/>
lich, daß uns die Zeichnung und Be&#x017F;chreibung der&#x017F;elben wenig zu thun machte,<lb/>
und daß wir Muße genug u&#x0364;brig hatten, ta&#x0364;glich von neuem ans Land zu gehen,<lb/>
&#x017F;owohl um mehrere zu &#x017F;uchen, als auch um den Character, die Sitten und den<lb/>
gegenwa&#x0364;rtigen Zu&#x017F;tand der Einwohner genauer zu beobachten.</p><lb/>
        <p>Am 20&#x017F;ten nahm ich neb&#x017F;t ver&#x017F;chiednen Officiers, um Mittagszeit, ei-<lb/>
nen Spatziergang nach der o&#x0364;&#x017F;tlichen Land&#x017F;pitze des Havens vor. Auf dem<lb/>
Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und<lb/>
zu breit war; wir wagten es al&#x017F;o, uns in ein indiani&#x017F;ch Canot einzu&#x017F;chiffen,<lb/>
und kamen auch glu&#x0364;cklich damit hinu&#x0364;ber. Auf dem jen&#x017F;eitigen Ufer &#x017F;chimmerte<lb/>
aus dem Bu&#x017F;chwerk ein ziemlich großes Geba&#x0364;ude hervor, und bey un&#x017F;rer Anna&#x0364;-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0267] Forſter’s Reiſe um die Welt urſachte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte, war friſches Schweinefleiſch, deſſen Mangel uns deſto haͤrter ankam, da wir dergleichen Thiere, auf allen unſern Spatziergaͤngen, in Menge an- trafen, ob ſich gleich die Leute immer Muͤhe gaben, ſie vor uns verſteckt zu halten. Zu dem Ende ſperrten ſie ſolche in kleine Staͤlle ein, die ganz nie- drig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, ſo daß eine Art von Platteform daraus entſtand, auf welche ſie ſich ſelbſt ſetzten oder niederlegten. Wir ſuchten ſie durch alle erſinnliche Mittel dahin zu bewegen, daß ſie uns wel- che ablaſſen moͤgten. Wir boten ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an, die hier zu Lande in hohen Werth ſtanden; aber alles war umſonſt. Sie blieben dabey, die Schweine gehoͤrten dem Erih oder Koͤnig. Anſtatt mit dieſer Ant- wort zufrieden zu ſeyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfah- ren zu laſſen, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern Lebensmitteln verſorgten, welchen unſre Kranken ihre Wiederherſtellung, und wir alle unſre Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen Leuten an Bord der Vorſchlag gethan, eine hinlaͤngliche Anzahl Schweine zu unſerm Gebrauche mit Gewalt wegzunehmen, und hernachmals den Ein- wohnern ſo viel an europaͤiſchen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem Gutduͤnken nach, werth ſeyn moͤgte. Da aber ein ſolches Verfahren ganz und gar tyranniſch, ja auf die niedertraͤchtigſte Weiſe eigennuͤtzig geweſen waͤre; ſo ward der Antrag mit aller gebuͤhrenden Verachtung und Unwillen verworfen. 1773. Auguſt. Unſre Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer ſo unbetraͤcht- lich, daß uns die Zeichnung und Beſchreibung derſelben wenig zu thun machte, und daß wir Muße genug uͤbrig hatten, taͤglich von neuem ans Land zu gehen, ſowohl um mehrere zu ſuchen, als auch um den Character, die Sitten und den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Einwohner genauer zu beobachten. Am 20ſten nahm ich nebſt verſchiednen Officiers, um Mittagszeit, ei- nen Spatziergang nach der oͤſtlichen Landſpitze des Havens vor. Auf dem Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und zu breit war; wir wagten es alſo, uns in ein indianiſch Canot einzuſchiffen, und kamen auch gluͤcklich damit hinuͤber. Auf dem jenſeitigen Ufer ſchimmerte aus dem Buſchwerk ein ziemlich großes Gebaͤude hervor, und bey unſrer Annaͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/267
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/267>, abgerufen am 22.11.2024.