"-- Am 1sten August waren wir im 25°. 1'. südlicher Breite und folg- lich in der Gegend, wo Capitain Carterets Angabe nach, Pitcairns Insel liegen soll; wir sahen uns deshalb fleißig darnach um, konnten aber nicht das geringste davon entdecken. Zwar vermuthete Capitain Cook, daß sie, Car- terets Tagebuch nach zu urtheilen, ohngefähr noch 15 englische See-Mei- len weiter gegen Osten liegen müsse: Da sich aber die Mannschaft des andern Schiffs in so mißlichen Gesundheits Umständen befand; so war es nicht rathsam, mit Aufsuchung dieser Insel Zeit zu verlieren --"
Am 4ten warf eine junge Dachs-Hündin vom Cap, welche von einem Pudel belegt war, zehen Junge, wovon eins todt zur Welt kam. Der junge Neu-Seeländische Hund, dessen ich oben erwähnt und der vom Hundebraten so begierig gefressen, fiel sogleich über diesen jungen Hund her und fras davon mit dem größten Appetit. Dies kann, dünkt mich, zu einem Beweise dienen, in wie fern die Erziehung, bey den Thieren, neue Instincte hervorzubringen und fortzupflanzen vermag. Europäische Hunde werden nie mit Hundefleisch gefüt- tert. Sie scheinen vielmehr einen Abscheu dafür zu haben. Die Neu Seelän- dischen hingegen bekommen wahrscheinlicherweise von jung auf die Ueberbleibsel von ihrer Herren Mahlzeit ohne Unterschied zu fressen, mithin sind sie zu Fisch- Hunde- und Menschen-Fleisch gewöhnt; und was anfänglich, bey einzelnen Hun- den, nur Gewohnheit war, ist vielleicht durch Länge der Zeit, allgemeiner In- stinct der ganzen Art geworden. Wenigstens war dies augenscheinlich der Fall mit unserm cannibalischen Hunde, denn er kam so jung aufs Schiff, daß er wohl kaum etwas anders als Muttermilch gekostet haben mochte, folglich we- der an Hunde- noch weniger aber an Menschen-Fleisch gewöhnt seyn konnte: Gleichwohl fras er, wie vorgesagt, Hundefleisch, gebraten und roh, und als ein Matrose sich in den Finger geschnitten und ihm solchen hin hielt, so war er nicht nur begierig darüber her, das Blut abzulecken, sondern versuchte es auch ohne Umstände ihm hinein zu beißen.
Nachdem wir vielfältig Windstillen gehabt hatten, so stellte sich endlich am 16ten Nachmittags, da wir eben 191/2 Grad südlicher Breite erreicht hat- ten, der östliche Passatwind ein, und fing, nach einigen heftigen Regenschau- ern, an ganz frisch zu wehen. Von rechtswegen hätten wir ihn ungleich frü-
her,
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Auguſt.
“— Am 1ſten Auguſt waren wir im 25°. 1′. ſuͤdlicher Breite und folg- lich in der Gegend, wo Capitain Carterets Angabe nach, Pitcairns Inſel liegen ſoll; wir ſahen uns deshalb fleißig darnach um, konnten aber nicht das geringſte davon entdecken. Zwar vermuthete Capitain Cook, daß ſie, Car- terets Tagebuch nach zu urtheilen, ohngefaͤhr noch 15 engliſche See-Mei- len weiter gegen Oſten liegen muͤſſe: Da ſich aber die Mannſchaft des andern Schiffs in ſo mißlichen Geſundheits Umſtaͤnden befand; ſo war es nicht rathſam, mit Aufſuchung dieſer Inſel Zeit zu verlieren —“
Am 4ten warf eine junge Dachs-Huͤndin vom Cap, welche von einem Pudel belegt war, zehen Junge, wovon eins todt zur Welt kam. Der junge Neu-Seelaͤndiſche Hund, deſſen ich oben erwaͤhnt und der vom Hundebraten ſo begierig gefreſſen, fiel ſogleich uͤber dieſen jungen Hund her und fras davon mit dem groͤßten Appetit. Dies kann, duͤnkt mich, zu einem Beweiſe dienen, in wie fern die Erziehung, bey den Thieren, neue Inſtincte hervorzubringen und fortzupflanzen vermag. Europaͤiſche Hunde werden nie mit Hundefleiſch gefuͤt- tert. Sie ſcheinen vielmehr einen Abſcheu dafuͤr zu haben. Die Neu Seelaͤn- diſchen hingegen bekommen wahrſcheinlicherweiſe von jung auf die Ueberbleibſel von ihrer Herren Mahlzeit ohne Unterſchied zu freſſen, mithin ſind ſie zu Fiſch- Hunde- und Menſchen-Fleiſch gewoͤhnt; und was anfaͤnglich, bey einzelnen Hun- den, nur Gewohnheit war, iſt vielleicht durch Laͤnge der Zeit, allgemeiner In- ſtinct der ganzen Art geworden. Wenigſtens war dies augenſcheinlich der Fall mit unſerm cannibaliſchen Hunde, denn er kam ſo jung aufs Schiff, daß er wohl kaum etwas anders als Muttermilch gekoſtet haben mochte, folglich we- der an Hunde- noch weniger aber an Menſchen-Fleiſch gewoͤhnt ſeyn konnte: Gleichwohl fras er, wie vorgeſagt, Hundefleiſch, gebraten und roh, und als ein Matroſe ſich in den Finger geſchnitten und ihm ſolchen hin hielt, ſo war er nicht nur begierig daruͤber her, das Blut abzulecken, ſondern verſuchte es auch ohne Umſtaͤnde ihm hinein zu beißen.
Nachdem wir vielfaͤltig Windſtillen gehabt hatten, ſo ſtellte ſich endlich am 16ten Nachmittags, da wir eben 19½ Grad ſuͤdlicher Breite erreicht hat- ten, der oͤſtliche Paſſatwind ein, und fing, nach einigen heftigen Regenſchau- ern, an ganz friſch zu wehen. Von rechtswegen haͤtten wir ihn ungleich fruͤ-
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[184/0237]
Forſter’s Reiſe um die Welt
“— Am 1ſten Auguſt waren wir im 25°. 1′. ſuͤdlicher Breite und folg-
lich in der Gegend, wo Capitain Carterets Angabe nach, Pitcairns Inſel
liegen ſoll; wir ſahen uns deshalb fleißig darnach um, konnten aber nicht das
geringſte davon entdecken. Zwar vermuthete Capitain Cook, daß ſie, Car-
terets Tagebuch nach zu urtheilen, ohngefaͤhr noch 15 engliſche See-Mei-
len weiter gegen Oſten liegen muͤſſe: Da ſich aber die Mannſchaft des andern
Schiffs in ſo mißlichen Geſundheits Umſtaͤnden befand; ſo war es nicht rathſam,
mit Aufſuchung dieſer Inſel Zeit zu verlieren —“
Am 4ten warf eine junge Dachs-Huͤndin vom Cap, welche von einem
Pudel belegt war, zehen Junge, wovon eins todt zur Welt kam. Der junge
Neu-Seelaͤndiſche Hund, deſſen ich oben erwaͤhnt und der vom Hundebraten ſo
begierig gefreſſen, fiel ſogleich uͤber dieſen jungen Hund her und fras davon mit
dem groͤßten Appetit. Dies kann, duͤnkt mich, zu einem Beweiſe dienen,
in wie fern die Erziehung, bey den Thieren, neue Inſtincte hervorzubringen und
fortzupflanzen vermag. Europaͤiſche Hunde werden nie mit Hundefleiſch gefuͤt-
tert. Sie ſcheinen vielmehr einen Abſcheu dafuͤr zu haben. Die Neu Seelaͤn-
diſchen hingegen bekommen wahrſcheinlicherweiſe von jung auf die Ueberbleibſel
von ihrer Herren Mahlzeit ohne Unterſchied zu freſſen, mithin ſind ſie zu Fiſch-
Hunde- und Menſchen-Fleiſch gewoͤhnt; und was anfaͤnglich, bey einzelnen Hun-
den, nur Gewohnheit war, iſt vielleicht durch Laͤnge der Zeit, allgemeiner In-
ſtinct der ganzen Art geworden. Wenigſtens war dies augenſcheinlich der
Fall mit unſerm cannibaliſchen Hunde, denn er kam ſo jung aufs Schiff, daß
er wohl kaum etwas anders als Muttermilch gekoſtet haben mochte, folglich we-
der an Hunde- noch weniger aber an Menſchen-Fleiſch gewoͤhnt ſeyn konnte:
Gleichwohl fras er, wie vorgeſagt, Hundefleiſch, gebraten und roh, und
als ein Matroſe ſich in den Finger geſchnitten und ihm ſolchen hin hielt, ſo war
er nicht nur begierig daruͤber her, das Blut abzulecken, ſondern verſuchte
es auch ohne Umſtaͤnde ihm hinein zu beißen.
Nachdem wir vielfaͤltig Windſtillen gehabt hatten, ſo ſtellte ſich endlich
am 16ten Nachmittags, da wir eben 19½ Grad ſuͤdlicher Breite erreicht hat-
ten, der oͤſtliche Paſſatwind ein, und fing, nach einigen heftigen Regenſchau-
ern, an ganz friſch zu wehen. Von rechtswegen haͤtten wir ihn ungleich fruͤ-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/237>, abgerufen am 22.11.2024.
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