sten weggekommen sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Be-1773. May. sorgniß und Mistrauen unserm Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden. Hätten sie doch durchgängig und zu jeder Zeit in den Minen und Gesichtszügen desselben den Leichtsinn lesen und sich vor der Liederlichkeit fürchten mögen, welche den See Leuten überhaupt und mit Recht zur Last gelegt wird! --
Man führte einige von diesen Wilden in die Cajütte, wo sichs Herr Hodges angelegen seyn lies diejenigen zu zeichnen in deren Gesicht der meh- reste Character war. Zu dem Ende gaben wir uns Mühe sie auf einige Au- genblicke zum Stillsitzen zu bringen, indem wir ihnen allerhand Kleinig- keiten vorzeigten und zum Theil auch schenkten. Vornemlich befanden sich ei- nige bejahrte Männer mit grauen Köpfen, desgleichen etliche junge Leute darun- ter, in deren Physionomien vorzüglich viel Ausdruck war. Die letzteren hatten ungemein straubicht und dickgewachsenes Haar, das ihnen über die Gesichter herhieng und ihr natürlich wildes Ansehen noch vermehrte. Sie waren fast alle von mittlerer Statur; und, sowohl der Gestalt, als der Farbe und Tracht nach, den Leuten in Dusky-Bay beynahe vollkommen ähnlich. Ihre Kleidungen waren aus den Fibern der Flachs-Pflanze zusammen geflochten, aber nie mit Federn durchwebt, sondern an deren statt war der Mantel auf den vier Ecken mit Stücken von Hundefell besetzt, eine Zierrath die man in Dusky-Bay nicht haben konnte, weil es daselbst keine Hunde giebt. Außerdem trugen auch die Leute, der späten Jahreszeit wegen, in welcher das Wetter schon kalt und reg- nicht zu werden anfieng, fast beständig ihren Boghi-Boghi, welches ein rau- her Mantel ist, der als ein Bund zusammengewundnes Stroh vom Halse über die Schultern herabhängt. *) Ihre übrigen Kleidungsstücke von Zeug waren gemei- niglich alt, schmutzig und nicht so fein gearbeitet als sie in der Geschichte von Capitain Cooks voriger Reise beschrieben sind. **) Die Männer hatten das Haar nachläßig um den Kopf hängen; die Frauenspersonen hingegen trugen es kurz abgeschnitten und dieser Unterschied scheint durchgehends bey ihnen beobachtet zu werden. Auch hatten sie den Kopfputz oder die Mütze von braunen Federn,
*) S. Hawkesworths Geschichte der englischen See-Reisen in 4. dritter Band, pag. 43. u. f.
**) Ebendaselbst, S. 45.
Forsters Reise u. d. W. erster Th. X
in den Jahren 1772 bis 1775.
ſten weggekommen ſind, die ſich immer von uns entfernt gehalten und aus Be-1773. May. ſorgniß und Mistrauen unſerm Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden. Haͤtten ſie doch durchgaͤngig und zu jeder Zeit in den Minen und Geſichtszuͤgen deſſelben den Leichtſinn leſen und ſich vor der Liederlichkeit fuͤrchten moͤgen, welche den See Leuten uͤberhaupt und mit Recht zur Laſt gelegt wird! —
Man fuͤhrte einige von dieſen Wilden in die Cajuͤtte, wo ſichs Herr Hodges angelegen ſeyn lies diejenigen zu zeichnen in deren Geſicht der meh- reſte Character war. Zu dem Ende gaben wir uns Muͤhe ſie auf einige Au- genblicke zum Stillſitzen zu bringen, indem wir ihnen allerhand Kleinig- keiten vorzeigten und zum Theil auch ſchenkten. Vornemlich befanden ſich ei- nige bejahrte Maͤnner mit grauen Koͤpfen, desgleichen etliche junge Leute darun- ter, in deren Phyſionomien vorzuͤglich viel Ausdruck war. Die letzteren hatten ungemein ſtraubicht und dickgewachſenes Haar, das ihnen uͤber die Geſichter herhieng und ihr natuͤrlich wildes Anſehen noch vermehrte. Sie waren faſt alle von mittlerer Statur; und, ſowohl der Geſtalt, als der Farbe und Tracht nach, den Leuten in Dusky-Bay beynahe vollkommen aͤhnlich. Ihre Kleidungen waren aus den Fibern der Flachs-Pflanze zuſammen geflochten, aber nie mit Federn durchwebt, ſondern an deren ſtatt war der Mantel auf den vier Ecken mit Stuͤcken von Hundefell beſetzt, eine Zierrath die man in Dusky-Bay nicht haben konnte, weil es daſelbſt keine Hunde giebt. Außerdem trugen auch die Leute, der ſpaͤten Jahreszeit wegen, in welcher das Wetter ſchon kalt und reg- nicht zu werden anfieng, faſt beſtaͤndig ihren Boghi-Boghi, welches ein rau- her Mantel iſt, der als ein Bund zuſammengewundnes Stroh vom Halſe uͤber die Schultern herabhaͤngt. *) Ihre uͤbrigen Kleidungsſtuͤcke von Zeug waren gemei- niglich alt, ſchmutzig und nicht ſo fein gearbeitet als ſie in der Geſchichte von Capitain Cooks voriger Reiſe beſchrieben ſind. **) Die Maͤnner hatten das Haar nachlaͤßig um den Kopf haͤngen; die Frauensperſonen hingegen trugen es kurz abgeſchnitten und dieſer Unterſchied ſcheint durchgehends bey ihnen beobachtet zu werden. Auch hatten ſie den Kopfputz oder die Muͤtze von braunen Federn,
*) S. Hawkesworths Geſchichte der engliſchen See-Reiſen in 4. dritter Band, pag. 43. u. f.
**) Ebendaſelbſt, S. 45.
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. X
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ſten weggekommen ſind, die ſich immer von uns entfernt gehalten und aus Be-
ſorgniß und Mistrauen unſerm Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu
vertraut mit ihnen zu werden. Haͤtten ſie doch durchgaͤngig und zu jeder Zeit
in den Minen und Geſichtszuͤgen deſſelben den Leichtſinn leſen und ſich vor der
Liederlichkeit fuͤrchten moͤgen, welche den See Leuten uͤberhaupt und mit Recht
zur Laſt gelegt wird! —
1773.
May.
Man fuͤhrte einige von dieſen Wilden in die Cajuͤtte, wo ſichs Herr
Hodges angelegen ſeyn lies diejenigen zu zeichnen in deren Geſicht der meh-
reſte Character war. Zu dem Ende gaben wir uns Muͤhe ſie auf einige Au-
genblicke zum Stillſitzen zu bringen, indem wir ihnen allerhand Kleinig-
keiten vorzeigten und zum Theil auch ſchenkten. Vornemlich befanden ſich ei-
nige bejahrte Maͤnner mit grauen Koͤpfen, desgleichen etliche junge Leute darun-
ter, in deren Phyſionomien vorzuͤglich viel Ausdruck war. Die letzteren hatten
ungemein ſtraubicht und dickgewachſenes Haar, das ihnen uͤber die Geſichter
herhieng und ihr natuͤrlich wildes Anſehen noch vermehrte. Sie waren faſt alle
von mittlerer Statur; und, ſowohl der Geſtalt, als der Farbe und Tracht nach,
den Leuten in Dusky-Bay beynahe vollkommen aͤhnlich. Ihre Kleidungen
waren aus den Fibern der Flachs-Pflanze zuſammen geflochten, aber nie mit
Federn durchwebt, ſondern an deren ſtatt war der Mantel auf den vier Ecken
mit Stuͤcken von Hundefell beſetzt, eine Zierrath die man in Dusky-Bay nicht
haben konnte, weil es daſelbſt keine Hunde giebt. Außerdem trugen auch die
Leute, der ſpaͤten Jahreszeit wegen, in welcher das Wetter ſchon kalt und reg-
nicht zu werden anfieng, faſt beſtaͤndig ihren Boghi-Boghi, welches ein rau-
her Mantel iſt, der als ein Bund zuſammengewundnes Stroh vom Halſe uͤber die
Schultern herabhaͤngt. *) Ihre uͤbrigen Kleidungsſtuͤcke von Zeug waren gemei-
niglich alt, ſchmutzig und nicht ſo fein gearbeitet als ſie in der Geſchichte von
Capitain Cooks voriger Reiſe beſchrieben ſind. **) Die Maͤnner hatten das Haar
nachlaͤßig um den Kopf haͤngen; die Frauensperſonen hingegen trugen es kurz
abgeſchnitten und dieſer Unterſchied ſcheint durchgehends bey ihnen beobachtet zu
werden. Auch hatten ſie den Kopfputz oder die Muͤtze von braunen Federn,
*) S. Hawkesworths Geſchichte der engliſchen See-Reiſen in 4. dritter Band, pag. 43. u. f.
**) Ebendaſelbſt, S. 45.
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. X
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/212>, abgerufen am 16.07.2024.
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