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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
vernahm man einen Laut; selbst die hier zu Lande gemeinsten Vögel ließen sich1773.
April.

nicht hören, denn es war auf dieser Höhe sehr kalt. Keine Pflanze blühete.
Kurz, die ganze Gegend war für ernste Melancholie geschaffen und sehr ge-
schickt Einsiedlers-Betrachtungen zu erregen.

Das schöne Wetter veranlaßte unsre guten Freunde, die Wilden, uns ei-
nen abermaligen Besuch zu machen. Sie schlugen ihr Quartier auf demselbigen
Platze auf, wo sie sich vor acht Tagen hingelagert hatten; und als man sie von neuem
bat an Boord zu kommen, so versprachen sie es auf folgenden Tag. Mittler-
weile aber zankten sie sich untereinander. Der Mann schlug die beyden Frauens-
personen, welche wir für seine Weiber hielten; das Mädchen hingegen schlug ihn
und fieng darauf an zu heulen. Die Ursach ihres Gezänks konnten wir nicht aus-
machen; wenn aber das Mädchen des Mannes Tochter war, welches wir
eben so wenig zu entscheiden vermogten, so muß man in Neu-See-
land
sehr verworrene Begriffe von den Pflichten der Kinder haben; oder, wel-
ches vielleicht der Wahrheit am nächsten kommt, diese einsam lebende Familie
handelte vielmehr gar nicht nach Grundsätzen und überlegter Ordnung, welche ge-
meiniglich nur das Werk gesitteter Gesellschaften sind; sondern sie folgte in allen
Stücken geradezu der Stimme der Natur, die sich gegen jede Art von Unter-
drückung empört.

Des Morgens schickte der Mann die beyden Weiber mit den Kindern
im Canot auf den Fischfang aus; für seine Person aber machte er Anstalt, mit
dem Mädchen, uns an Bord zu besuchen. In dieser Absicht kamen sie beyde von
jener Seite der Bucht nach dem Gerüst oder der Brücke hin, die zum Schiffe her-
auf führte. Von hieraus brachte man sie zuerst nach einem nahe gelegenen um-
zäunten Fleck auf dem Berge, um ihnen die Ziegen und Schaafe zu zeigen. Bey
dem Anblick dieser Thiere schienen sie sehr erstaunt und wünschten solche zu be-
sitzen; da wir aber wußten, daß es hier nirgends Futter für sie gab, so konnte
man ihnen darinn nicht willfahren, ohne das Vieh geradezu hinzuopfern. Als
sie von dort zurück kamen, gieng ihnen Capitain Cook und mein Vater auf der
Brücke entgegen; und der Mann schenkte beyden, nachdem er sie, wie gewöhn-
lich, bey der Nase begrüßt hatte, eine neue Kleidung oder vielmehr ein Stück
Zeug, das aus Fibern von der Flachs-Pflanze geflochten, auch mit Papageyen-

Forster's Reise u. d. W. erster Th. Q

in den Jahren 1772 bis 1775.
vernahm man einen Laut; ſelbſt die hier zu Lande gemeinſten Voͤgel ließen ſich1773.
April.

nicht hoͤren, denn es war auf dieſer Hoͤhe ſehr kalt. Keine Pflanze bluͤhete.
Kurz, die ganze Gegend war fuͤr ernſte Melancholie geſchaffen und ſehr ge-
ſchickt Einſiedlers-Betrachtungen zu erregen.

Das ſchoͤne Wetter veranlaßte unſre guten Freunde, die Wilden, uns ei-
nen abermaligen Beſuch zu machen. Sie ſchlugen ihr Quartier auf demſelbigen
Platze auf, wo ſie ſich vor acht Tagen hingelagert hatten; und als man ſie von neuem
bat an Boord zu kommen, ſo verſprachen ſie es auf folgenden Tag. Mittler-
weile aber zankten ſie ſich untereinander. Der Mann ſchlug die beyden Frauens-
perſonen, welche wir fuͤr ſeine Weiber hielten; das Maͤdchen hingegen ſchlug ihn
und fieng darauf an zu heulen. Die Urſach ihres Gezaͤnks konnten wir nicht aus-
machen; wenn aber das Maͤdchen des Mannes Tochter war, welches wir
eben ſo wenig zu entſcheiden vermogten, ſo muß man in Neu-See-
land
ſehr verworrene Begriffe von den Pflichten der Kinder haben; oder, wel-
ches vielleicht der Wahrheit am naͤchſten kommt, dieſe einſam lebende Familie
handelte vielmehr gar nicht nach Grundſaͤtzen und uͤberlegter Ordnung, welche ge-
meiniglich nur das Werk geſitteter Geſellſchaften ſind; ſondern ſie folgte in allen
Stuͤcken geradezu der Stimme der Natur, die ſich gegen jede Art von Unter-
druͤckung empoͤrt.

Des Morgens ſchickte der Mann die beyden Weiber mit den Kindern
im Canot auf den Fiſchfang aus; fuͤr ſeine Perſon aber machte er Anſtalt, mit
dem Maͤdchen, uns an Bord zu beſuchen. In dieſer Abſicht kamen ſie beyde von
jener Seite der Bucht nach dem Geruͤſt oder der Bruͤcke hin, die zum Schiffe her-
auf fuͤhrte. Von hieraus brachte man ſie zuerſt nach einem nahe gelegenen um-
zaͤunten Fleck auf dem Berge, um ihnen die Ziegen und Schaafe zu zeigen. Bey
dem Anblick dieſer Thiere ſchienen ſie ſehr erſtaunt und wuͤnſchten ſolche zu be-
ſitzen; da wir aber wußten, daß es hier nirgends Futter fuͤr ſie gab, ſo konnte
man ihnen darinn nicht willfahren, ohne das Vieh geradezu hinzuopfern. Als
ſie von dort zuruͤck kamen, gieng ihnen Capitain Cook und mein Vater auf der
Bruͤcke entgegen; und der Mann ſchenkte beyden, nachdem er ſie, wie gewoͤhn-
lich, bey der Naſe begruͤßt hatte, eine neue Kleidung oder vielmehr ein Stuͤck
Zeug, das aus Fibern von der Flachs-Pflanze geflochten, auch mit Papageyen-

Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. Q
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[121/0172] in den Jahren 1772 bis 1775. vernahm man einen Laut; ſelbſt die hier zu Lande gemeinſten Voͤgel ließen ſich nicht hoͤren, denn es war auf dieſer Hoͤhe ſehr kalt. Keine Pflanze bluͤhete. Kurz, die ganze Gegend war fuͤr ernſte Melancholie geſchaffen und ſehr ge- ſchickt Einſiedlers-Betrachtungen zu erregen. 1773. April. Das ſchoͤne Wetter veranlaßte unſre guten Freunde, die Wilden, uns ei- nen abermaligen Beſuch zu machen. Sie ſchlugen ihr Quartier auf demſelbigen Platze auf, wo ſie ſich vor acht Tagen hingelagert hatten; und als man ſie von neuem bat an Boord zu kommen, ſo verſprachen ſie es auf folgenden Tag. Mittler- weile aber zankten ſie ſich untereinander. Der Mann ſchlug die beyden Frauens- perſonen, welche wir fuͤr ſeine Weiber hielten; das Maͤdchen hingegen ſchlug ihn und fieng darauf an zu heulen. Die Urſach ihres Gezaͤnks konnten wir nicht aus- machen; wenn aber das Maͤdchen des Mannes Tochter war, welches wir eben ſo wenig zu entſcheiden vermogten, ſo muß man in Neu-See- land ſehr verworrene Begriffe von den Pflichten der Kinder haben; oder, wel- ches vielleicht der Wahrheit am naͤchſten kommt, dieſe einſam lebende Familie handelte vielmehr gar nicht nach Grundſaͤtzen und uͤberlegter Ordnung, welche ge- meiniglich nur das Werk geſitteter Geſellſchaften ſind; ſondern ſie folgte in allen Stuͤcken geradezu der Stimme der Natur, die ſich gegen jede Art von Unter- druͤckung empoͤrt. Des Morgens ſchickte der Mann die beyden Weiber mit den Kindern im Canot auf den Fiſchfang aus; fuͤr ſeine Perſon aber machte er Anſtalt, mit dem Maͤdchen, uns an Bord zu beſuchen. In dieſer Abſicht kamen ſie beyde von jener Seite der Bucht nach dem Geruͤſt oder der Bruͤcke hin, die zum Schiffe her- auf fuͤhrte. Von hieraus brachte man ſie zuerſt nach einem nahe gelegenen um- zaͤunten Fleck auf dem Berge, um ihnen die Ziegen und Schaafe zu zeigen. Bey dem Anblick dieſer Thiere ſchienen ſie ſehr erſtaunt und wuͤnſchten ſolche zu be- ſitzen; da wir aber wußten, daß es hier nirgends Futter fuͤr ſie gab, ſo konnte man ihnen darinn nicht willfahren, ohne das Vieh geradezu hinzuopfern. Als ſie von dort zuruͤck kamen, gieng ihnen Capitain Cook und mein Vater auf der Bruͤcke entgegen; und der Mann ſchenkte beyden, nachdem er ſie, wie gewoͤhn- lich, bey der Naſe begruͤßt hatte, eine neue Kleidung oder vielmehr ein Stuͤck Zeug, das aus Fibern von der Flachs-Pflanze geflochten, auch mit Papageyen- Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. Q

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/172>, abgerufen am 22.11.2024.