Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Allergnädigster,
Großmächtigster König und Herr!

Ich wagte mich nicht an den Thron des siegreichen Helden, und tief-
schauenden Regenten, wenn ich nicht zugleich in Ihm den Menschen-
freund und Weisen verehrte. Von diesem großen Character Eurer Ma-
jestät
hoffe ich, daß auch jene entfernten Völker, die noch in der Kindheit
der Cultur sind, nicht ganz unwürdige Gegenstände für Höchst-Dero Be-
trachtung seyn werden.

Mit tiefster Ehrfurcht lege ich also Eurer Majestät diese Reise-
beschreibung zu Füßen. Sie ist Geschichte und Arbeit eines Deutschen, der
stolz auf sein Vaterland ist, und den Augenblick segnet, welcher ihm gestattet,
den Monarchen vor aller Welt zu bewundern, dem dies Vaterland seinen je-
tzigen Geist zu danken hat. Wie viele Vorurtheile drückten nicht Deutschland
noch vor Funfzig Jahren nieder? Pedantische, frostige Gelehrsamkeit, Go-
thischer Geschmack, zum Sprüchwort gewordene rohe Lebensart, unverträg-
liche Religions-Secten, unweise Gesetze! Hingegen darf man jetzo fragen,
wo liebt man die Wissenschaft ohne Eigennutz? Wo ist Gelehrsamkeit und gu-
ter Geschmack verbunden? Wo denkt man gründlich und frey? Wo sind er-
finderischere, wo geschicktere, wo einsichtsvollere Künstler und Gelehrten?
Wo ist ungezwungener Umgang und Toleranz? Wo wahre Höflichkeit, Men-
schenliebe, Freundschaft? Endlich, wo sind glückliche Unterthanen und
wohlthätige Gesetze? Wo liebt man den Fürsten als Vater? Wo stirbt man
gern fürs Vaterland? -- Millionen, unter Eurer Majestät Scepter
beantworten diese Fragen dem lehrbegierigen Norden, und den fast neidischen
Völkern jenseits der Alpen und des Rheins. Das Beyspiel des größesten

Allergnaͤdigſter,
Großmaͤchtigſter Koͤnig und Herr!

Ich wagte mich nicht an den Thron des ſiegreichen Helden, und tief-
ſchauenden Regenten, wenn ich nicht zugleich in Ihm den Menſchen-
freund und Weiſen verehrte. Von dieſem großen Character Eurer Ma-
jeſtaͤt
hoffe ich, daß auch jene entfernten Voͤlker, die noch in der Kindheit
der Cultur ſind, nicht ganz unwuͤrdige Gegenſtaͤnde fuͤr Hoͤchſt-Dero Be-
trachtung ſeyn werden.

Mit tiefſter Ehrfurcht lege ich alſo Eurer Majeſtaͤt dieſe Reiſe-
beſchreibung zu Fuͤßen. Sie iſt Geſchichte und Arbeit eines Deutſchen, der
ſtolz auf ſein Vaterland iſt, und den Augenblick ſegnet, welcher ihm geſtattet,
den Monarchen vor aller Welt zu bewundern, dem dies Vaterland ſeinen je-
tzigen Geiſt zu danken hat. Wie viele Vorurtheile druͤckten nicht Deutſchland
noch vor Funfzig Jahren nieder? Pedantiſche, froſtige Gelehrſamkeit, Go-
thiſcher Geſchmack, zum Spruͤchwort gewordene rohe Lebensart, unvertraͤg-
liche Religions-Secten, unweiſe Geſetze! Hingegen darf man jetzo fragen,
wo liebt man die Wiſſenſchaft ohne Eigennutz? Wo iſt Gelehrſamkeit und gu-
ter Geſchmack verbunden? Wo denkt man gruͤndlich und frey? Wo ſind er-
finderiſchere, wo geſchicktere, wo einſichtsvollere Kuͤnſtler und Gelehrten?
Wo iſt ungezwungener Umgang und Toleranz? Wo wahre Hoͤflichkeit, Men-
ſchenliebe, Freundſchaft? Endlich, wo ſind gluͤckliche Unterthanen und
wohlthaͤtige Geſetze? Wo liebt man den Fuͤrſten als Vater? Wo ſtirbt man
gern fuͤrs Vaterland? — Millionen, unter Eurer Majeſtaͤt Scepter
beantworten dieſe Fragen dem lehrbegierigen Norden, und den faſt neidiſchen
Voͤlkern jenſeits der Alpen und des Rheins. Das Beyſpiel des groͤßeſten

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0016"/>
      <div type="dedication">
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#b">Allergna&#x0364;dig&#x017F;ter,<lb/>
Großma&#x0364;chtig&#x017F;ter Ko&#x0364;nig und Herr!</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>ch wagte mich nicht an den Thron des &#x017F;iegreichen Helden, und tief-<lb/>
&#x017F;chauenden Regenten, wenn ich nicht zugleich in Ihm den Men&#x017F;chen-<lb/>
freund und Wei&#x017F;en verehrte. Von die&#x017F;em großen Character <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Eurer Ma-<lb/>
je&#x017F;ta&#x0364;t</hi></hi> hoffe ich, daß auch jene entfernten Vo&#x0364;lker, die noch in der Kindheit<lb/>
der Cultur &#x017F;ind, nicht ganz unwu&#x0364;rdige Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Ho&#x0364;ch&#x017F;t-Dero</hi> Be-<lb/>
trachtung &#x017F;eyn werden.</p><lb/>
        <p>Mit tief&#x017F;ter Ehrfurcht lege ich al&#x017F;o <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Eurer Maje&#x017F;ta&#x0364;t</hi></hi> die&#x017F;e Rei&#x017F;e-<lb/>
be&#x017F;chreibung zu Fu&#x0364;ßen. Sie i&#x017F;t Ge&#x017F;chichte und Arbeit eines Deut&#x017F;chen, der<lb/>
&#x017F;tolz auf &#x017F;ein Vaterland i&#x017F;t, und den Augenblick &#x017F;egnet, welcher ihm ge&#x017F;tattet,<lb/><hi rendition="#fr">den</hi> Monarchen vor aller Welt zu bewundern, dem dies Vaterland &#x017F;einen je-<lb/>
tzigen Gei&#x017F;t zu danken hat. Wie viele Vorurtheile dru&#x0364;ckten nicht <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName><lb/>
noch vor Funfzig Jahren nieder? Pedanti&#x017F;che, fro&#x017F;tige Gelehr&#x017F;amkeit, Go-<lb/>
thi&#x017F;cher Ge&#x017F;chmack, zum Spru&#x0364;chwort gewordene rohe Lebensart, unvertra&#x0364;g-<lb/>
liche Religions-Secten, unwei&#x017F;e Ge&#x017F;etze! Hingegen darf man jetzo fragen,<lb/>
wo liebt man die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft ohne Eigennutz? Wo i&#x017F;t Gelehr&#x017F;amkeit und gu-<lb/>
ter Ge&#x017F;chmack verbunden? Wo denkt man gru&#x0364;ndlich und frey? Wo &#x017F;ind er-<lb/>
finderi&#x017F;chere, wo ge&#x017F;chicktere, wo ein&#x017F;ichtsvollere Ku&#x0364;n&#x017F;tler und Gelehrten?<lb/>
Wo i&#x017F;t ungezwungener Umgang und Toleranz? Wo wahre Ho&#x0364;flichkeit, Men-<lb/>
&#x017F;chenliebe, Freund&#x017F;chaft? Endlich, wo &#x017F;ind glu&#x0364;ckliche Unterthanen und<lb/>
wohltha&#x0364;tige Ge&#x017F;etze? Wo liebt man den Fu&#x0364;r&#x017F;ten als Vater? Wo &#x017F;tirbt man<lb/>
gern fu&#x0364;rs Vaterland? &#x2014; Millionen, unter <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Eurer Maje&#x017F;ta&#x0364;t</hi></hi> Scepter<lb/>
beantworten die&#x017F;e Fragen dem lehrbegierigen Norden, und den fa&#x017F;t neidi&#x017F;chen<lb/>
Vo&#x0364;lkern jen&#x017F;eits der <placeName>Alpen</placeName> und des <placeName>Rheins</placeName>. Das Bey&#x017F;piel des gro&#x0364;ße&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0016] Allergnaͤdigſter, Großmaͤchtigſter Koͤnig und Herr! Ich wagte mich nicht an den Thron des ſiegreichen Helden, und tief- ſchauenden Regenten, wenn ich nicht zugleich in Ihm den Menſchen- freund und Weiſen verehrte. Von dieſem großen Character Eurer Ma- jeſtaͤt hoffe ich, daß auch jene entfernten Voͤlker, die noch in der Kindheit der Cultur ſind, nicht ganz unwuͤrdige Gegenſtaͤnde fuͤr Hoͤchſt-Dero Be- trachtung ſeyn werden. Mit tiefſter Ehrfurcht lege ich alſo Eurer Majeſtaͤt dieſe Reiſe- beſchreibung zu Fuͤßen. Sie iſt Geſchichte und Arbeit eines Deutſchen, der ſtolz auf ſein Vaterland iſt, und den Augenblick ſegnet, welcher ihm geſtattet, den Monarchen vor aller Welt zu bewundern, dem dies Vaterland ſeinen je- tzigen Geiſt zu danken hat. Wie viele Vorurtheile druͤckten nicht Deutſchland noch vor Funfzig Jahren nieder? Pedantiſche, froſtige Gelehrſamkeit, Go- thiſcher Geſchmack, zum Spruͤchwort gewordene rohe Lebensart, unvertraͤg- liche Religions-Secten, unweiſe Geſetze! Hingegen darf man jetzo fragen, wo liebt man die Wiſſenſchaft ohne Eigennutz? Wo iſt Gelehrſamkeit und gu- ter Geſchmack verbunden? Wo denkt man gruͤndlich und frey? Wo ſind er- finderiſchere, wo geſchicktere, wo einſichtsvollere Kuͤnſtler und Gelehrten? Wo iſt ungezwungener Umgang und Toleranz? Wo wahre Hoͤflichkeit, Men- ſchenliebe, Freundſchaft? Endlich, wo ſind gluͤckliche Unterthanen und wohlthaͤtige Geſetze? Wo liebt man den Fuͤrſten als Vater? Wo ſtirbt man gern fuͤrs Vaterland? — Millionen, unter Eurer Majeſtaͤt Scepter beantworten dieſe Fragen dem lehrbegierigen Norden, und den faſt neidiſchen Voͤlkern jenſeits der Alpen und des Rheins. Das Beyſpiel des groͤßeſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/16
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/16>, abgerufen am 24.11.2024.