Mänteln *) zu haben. Indessen waren wir nicht gefällig genug, Kleidungs-1773. April. stücke weg zu geben, welche wir nicht wieder anschaffen konnten, doch ließ der Capitain, so bald wir an Boord zurück kamen, gleich einen großen Mantel von rothen Boy (baize) in Arbeit nehmen, um dem Manne bey unserm nächsten Be- such ein Geschenk damit zu machen.
Am folgenden Morgen hinderte uns der Regen zu ihm zu kommen als sich aber Nachmittags das Wetter aufzuklären schien, fuhren wir nach der Indianer-Insel hin. Da sie wußten, daß wir sie besuchen wollten, so befremdete es uns, daß sich keiner von ihnen zur Bewillkommung am Strande sehen ließ, noch mehr aber, daß so gar auf unser Rufen nicht einmal Antwort erfolgte. Wir stiegen indessen ans Land, und wanderten unter allerhand Muth- maßungen nach ihrer Wohnung, woselbst wir die Ursach dieses unerwarteten Betragens bald gewahr wurden. Sie bereiteten sich nemlich, uns in allem ihrem Schmuck und Staat zu empfangen. Einige waren schon völlig geputzt; andere hingegen noch damit beschäftigt. Sie hatten sich gekämmt und die Haare mit Oel oder Fett eingeschmiert, auf der Scheitel zusammen gebunden, auch weiße Federn oben in den Schopf gesteckt. Einige trugen dergleichen Federn, an einer Schnur aufgereihet, um die Stirn gebunden; und andre hatten Stücke von Albatros-Fell, auf welchen noch die weißen Dunen saßen, in den Ohren. In diesem Staate erhoben sie bey unsrer Ankunft ein Freudengeschrey und empfingen uns stehend mit mannigfaltigen Zeichen von Freundschaft und geselligem Wesen. Der Capitain, welcher den neuen Mantel von rothen Boy selbst umgenommen hat- ten, legte ihn ab und übereichte ihn dem Manne, der so höchlich darüber er- freut war, daß er sogleich ein Pattu-Pattu oder eine kurze, flache Streit-Axt, von einem großen Fischknochen verfertigt, aus seinem Gürtel zog, und dem Ca- pitain ein Gegengeschenk damit machte. Wir versuchten es, uns in eine Unter- redung mit ihnen einzulassen, und hatten zu dem Ende den Corporal Gibson von den See-Soldaten mit uns genommen, weil dieser von der Landes-Spra-
*) Dergleichen sogenannte Boot-Mäntel sind so groß und weit, daß man sie einigemal um den Leib schlagen kann.
O 2
in den Jahren 1772 bis 1775.
Maͤnteln *) zu haben. Indeſſen waren wir nicht gefaͤllig genug, Kleidungs-1773. April. ſtuͤcke weg zu geben, welche wir nicht wieder anſchaffen konnten, doch ließ der Capitain, ſo bald wir an Boord zuruͤck kamen, gleich einen großen Mantel von rothen Boy (baize) in Arbeit nehmen, um dem Manne bey unſerm naͤchſten Be- ſuch ein Geſchenk damit zu machen.
Am folgenden Morgen hinderte uns der Regen zu ihm zu kommen als ſich aber Nachmittags das Wetter aufzuklaͤren ſchien, fuhren wir nach der Indianer-Inſel hin. Da ſie wußten, daß wir ſie beſuchen wollten, ſo befremdete es uns, daß ſich keiner von ihnen zur Bewillkommung am Strande ſehen ließ, noch mehr aber, daß ſo gar auf unſer Rufen nicht einmal Antwort erfolgte. Wir ſtiegen indeſſen ans Land, und wanderten unter allerhand Muth- maßungen nach ihrer Wohnung, woſelbſt wir die Urſach dieſes unerwarteten Betragens bald gewahr wurden. Sie bereiteten ſich nemlich, uns in allem ihrem Schmuck und Staat zu empfangen. Einige waren ſchon voͤllig geputzt; andere hingegen noch damit beſchaͤftigt. Sie hatten ſich gekaͤmmt und die Haare mit Oel oder Fett eingeſchmiert, auf der Scheitel zuſammen gebunden, auch weiße Federn oben in den Schopf geſteckt. Einige trugen dergleichen Federn, an einer Schnur aufgereihet, um die Stirn gebunden; und andre hatten Stuͤcke von Albatros-Fell, auf welchen noch die weißen Dunen ſaßen, in den Ohren. In dieſem Staate erhoben ſie bey unſrer Ankunft ein Freudengeſchrey und empfingen uns ſtehend mit mannigfaltigen Zeichen von Freundſchaft und geſelligem Weſen. Der Capitain, welcher den neuen Mantel von rothen Boy ſelbſt umgenommen hat- ten, legte ihn ab und uͤbereichte ihn dem Manne, der ſo hoͤchlich daruͤber er- freut war, daß er ſogleich ein Pattu-Pattu oder eine kurze, flache Streit-Axt, von einem großen Fiſchknochen verfertigt, aus ſeinem Guͤrtel zog, und dem Ca- pitain ein Gegengeſchenk damit machte. Wir verſuchten es, uns in eine Unter- redung mit ihnen einzulaſſen, und hatten zu dem Ende den Corporal Gibſon von den See-Soldaten mit uns genommen, weil dieſer von der Landes-Spra-
*) Dergleichen ſogenannte Boot-Maͤntel ſind ſo groß und weit, daß man ſie einigemal um den Leib ſchlagen kann.
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Maͤnteln *) zu haben. Indeſſen waren wir nicht gefaͤllig genug, Kleidungs-
ſtuͤcke weg zu geben, welche wir nicht wieder anſchaffen konnten, doch ließ der
Capitain, ſo bald wir an Boord zuruͤck kamen, gleich einen großen Mantel von
rothen Boy (baize) in Arbeit nehmen, um dem Manne bey unſerm naͤchſten Be-
ſuch ein Geſchenk damit zu machen.
1773.
April.
Am folgenden Morgen hinderte uns der Regen zu ihm zu kommen
als ſich aber Nachmittags das Wetter aufzuklaͤren ſchien, fuhren wir nach
der Indianer-Inſel hin. Da ſie wußten, daß wir ſie beſuchen wollten, ſo
befremdete es uns, daß ſich keiner von ihnen zur Bewillkommung am Strande
ſehen ließ, noch mehr aber, daß ſo gar auf unſer Rufen nicht einmal Antwort
erfolgte. Wir ſtiegen indeſſen ans Land, und wanderten unter allerhand Muth-
maßungen nach ihrer Wohnung, woſelbſt wir die Urſach dieſes unerwarteten
Betragens bald gewahr wurden. Sie bereiteten ſich nemlich, uns in allem
ihrem Schmuck und Staat zu empfangen. Einige waren ſchon voͤllig geputzt;
andere hingegen noch damit beſchaͤftigt. Sie hatten ſich gekaͤmmt und die Haare
mit Oel oder Fett eingeſchmiert, auf der Scheitel zuſammen gebunden, auch
weiße Federn oben in den Schopf geſteckt. Einige trugen dergleichen Federn, an
einer Schnur aufgereihet, um die Stirn gebunden; und andre hatten Stuͤcke von
Albatros-Fell, auf welchen noch die weißen Dunen ſaßen, in den Ohren. In dieſem
Staate erhoben ſie bey unſrer Ankunft ein Freudengeſchrey und empfingen uns
ſtehend mit mannigfaltigen Zeichen von Freundſchaft und geſelligem Weſen. Der
Capitain, welcher den neuen Mantel von rothen Boy ſelbſt umgenommen hat-
ten, legte ihn ab und uͤbereichte ihn dem Manne, der ſo hoͤchlich daruͤber er-
freut war, daß er ſogleich ein Pattu-Pattu oder eine kurze, flache Streit-Axt,
von einem großen Fiſchknochen verfertigt, aus ſeinem Guͤrtel zog, und dem Ca-
pitain ein Gegengeſchenk damit machte. Wir verſuchten es, uns in eine Unter-
redung mit ihnen einzulaſſen, und hatten zu dem Ende den Corporal Gibſon
von den See-Soldaten mit uns genommen, weil dieſer von der Landes-Spra-
*) Dergleichen ſogenannte Boot-Maͤntel ſind ſo groß und weit, daß man ſie einigemal um
den Leib ſchlagen kann.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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