1773. März.Schaaren von Wasservögeln belebten die felsigten Küsten und das Land ertönte überall vom wilden Gesang der gefiederten Waldbewohner. Je länger wir uns nach Land und frischen Gewächsen gesehnt hatten, desto mehr entzückte uns nun dieser Prospect, und die Regungen der innigsten Zufriedenheit, welche der Anblick dieser neuen Scene durchgängig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen deutlich zu lesen.
Um drey Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer In- sel vor Anker, woselbst wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Küste so nahe waren, daß man sie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das Schiff in Sicherheit, als unsre Matrosen ihre Angeln auswarffen; und in wenig Augenblicken sahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fi- sche aus dem Wasser ziehen, deren viel versprechender Anblick die Freude über unsre glückliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden sie von vor- treflichen Geschmack und da wir zumahl so lange darauf gefastet hatten, so war es kein Wunder, daß uns diese erste Neu- Seeländische Mahlzeit als die herr- lichste in unserm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtisch ergötzte sich das Auge an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landschaft, die Salvator Rosa nicht schöner hätte mahlen können. Sie war ganz im Geschmack dieses Künstlers und bestand aus Felsen, mit Wäldern gekrönt, deren Alter in die Zeiten vor der Sündfluth hinauf zu reichen schien, und zwischen welche sich aller Orten Wasser- bäche mit schäumenden Ungestüm herabstürzten. Zwar hätte es bey weitem nicht so vieler Schönheiten bedurft um uns zu entzücken, denn nach einer langen Ent- fernung vom Lande ist es warlich sehr leicht, selbst die ödeste Küste für das herr- lichste Land in der Schöpfung anzusehen. Und aus diesem Gesichtspuncte muß man auch die feurigen Beschreibungen der wilden Klippen von Juan Fer- nandez und der undurchdringlichen Wälder von Tinian betrachten.
Gleich nach Tische wurden zwei Boote ausgesetzt, um verschiedne Gegen- den der Bay zu untersuchen, hauptsächlich aber um für unser Schif einen sichern Haven ausfindig zu machen, indem unser jetziger Ankerplatz offen, unbequem und nur fürs erste gut genug war. Wir machten uns diese Gelegenheit zu Nutze Untersuchungen in der natürlichen Geschichte anzustellen, und trennten uns, um von beiden Booten und ihren verschiedenen Entdeckungen zu gleicher
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Maͤrz.Schaaren von Waſſervoͤgeln belebten die felſigten Kuͤſten und das Land ertoͤnte uͤberall vom wilden Geſang der gefiederten Waldbewohner. Je laͤnger wir uns nach Land und friſchen Gewaͤchſen geſehnt hatten, deſto mehr entzuͤckte uns nun dieſer Proſpect, und die Regungen der innigſten Zufriedenheit, welche der Anblick dieſer neuen Scene durchgaͤngig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen deutlich zu leſen.
Um drey Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer In- ſel vor Anker, woſelbſt wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Kuͤſte ſo nahe waren, daß man ſie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das Schiff in Sicherheit, als unſre Matroſen ihre Angeln auswarffen; und in wenig Augenblicken ſahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fi- ſche aus dem Waſſer ziehen, deren viel verſprechender Anblick die Freude uͤber unſre gluͤckliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden ſie von vor- treflichen Geſchmack und da wir zumahl ſo lange darauf gefaſtet hatten, ſo war es kein Wunder, daß uns dieſe erſte Neu- Seelaͤndiſche Mahlzeit als die herr- lichſte in unſerm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtiſch ergoͤtzte ſich das Auge an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landſchaft, die Salvator Roſa nicht ſchoͤner haͤtte mahlen koͤnnen. Sie war ganz im Geſchmack dieſes Kuͤnſtlers und beſtand aus Felſen, mit Waͤldern gekroͤnt, deren Alter in die Zeiten vor der Suͤndfluth hinauf zu reichen ſchien, und zwiſchen welche ſich aller Orten Waſſer- baͤche mit ſchaͤumenden Ungeſtuͤm herabſtuͤrzten. Zwar haͤtte es bey weitem nicht ſo vieler Schoͤnheiten bedurft um uns zu entzuͤcken, denn nach einer langen Ent- fernung vom Lande iſt es warlich ſehr leicht, ſelbſt die oͤdeſte Kuͤſte fuͤr das herr- lichſte Land in der Schoͤpfung anzuſehen. Und aus dieſem Geſichtspuncte muß man auch die feurigen Beſchreibungen der wilden Klippen von Juan Fer- nandez und der undurchdringlichen Waͤlder von Tinian betrachten.
Gleich nach Tiſche wurden zwei Boote ausgeſetzt, um verſchiedne Gegen- den der Bay zu unterſuchen, hauptſaͤchlich aber um fuͤr unſer Schif einen ſichern Haven ausfindig zu machen, indem unſer jetziger Ankerplatz offen, unbequem und nur fuͤrs erſte gut genug war. Wir machten uns dieſe Gelegenheit zu Nutze Unterſuchungen in der natuͤrlichen Geſchichte anzuſtellen, und trennten uns, um von beiden Booten und ihren verſchiedenen Entdeckungen zu gleicher
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0139"n="94"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><noteplace="left">1773.<lb/>
Maͤrz.</note>Schaaren von Waſſervoͤgeln belebten die felſigten Kuͤſten und das Land ertoͤnte<lb/>
uͤberall vom wilden Geſang der gefiederten Waldbewohner. Je laͤnger wir uns<lb/>
nach Land und friſchen Gewaͤchſen geſehnt hatten, deſto mehr entzuͤckte uns nun<lb/>
dieſer Proſpect, und die Regungen der innigſten Zufriedenheit, welche der Anblick<lb/>
dieſer neuen Scene durchgaͤngig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen<lb/>
deutlich zu leſen.</p><lb/><p>Um drey Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer In-<lb/>ſel vor Anker, woſelbſt wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Kuͤſte ſo<lb/>
nahe waren, daß man ſie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das<lb/>
Schiff in Sicherheit, als unſre Matroſen ihre Angeln auswarffen; und in wenig<lb/>
Augenblicken ſahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fi-<lb/>ſche aus dem Waſſer ziehen, deren viel verſprechender Anblick die Freude uͤber<lb/>
unſre gluͤckliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden ſie von vor-<lb/>
treflichen Geſchmack und da wir zumahl ſo lange darauf gefaſtet hatten, ſo war<lb/>
es kein Wunder, daß uns dieſe erſte Neu- Seelaͤndiſche Mahlzeit als die herr-<lb/>
lichſte in unſerm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtiſch ergoͤtzte ſich das Auge<lb/>
an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landſchaft, die <hirendition="#i"><hirendition="#aq"><persName>Salvator Roſa</persName></hi></hi> nicht<lb/>ſchoͤner haͤtte mahlen koͤnnen. Sie war ganz im Geſchmack dieſes Kuͤnſtlers und<lb/>
beſtand aus Felſen, mit Waͤldern gekroͤnt, deren Alter in die Zeiten vor der<lb/>
Suͤndfluth hinauf zu reichen ſchien, und zwiſchen welche ſich aller Orten Waſſer-<lb/>
baͤche mit ſchaͤumenden Ungeſtuͤm herabſtuͤrzten. Zwar haͤtte es bey weitem nicht<lb/>ſo vieler Schoͤnheiten bedurft um uns zu entzuͤcken, denn nach einer langen Ent-<lb/>
fernung vom Lande iſt es warlich ſehr leicht, ſelbſt die oͤdeſte Kuͤſte fuͤr das herr-<lb/>
lichſte Land in der Schoͤpfung anzuſehen. Und aus dieſem Geſichtspuncte muß<lb/>
man auch die feurigen Beſchreibungen der wilden Klippen von <hirendition="#fr"><persName>Juan Fer-<lb/>
nandez</persName></hi> und der undurchdringlichen Waͤlder von <hirendition="#fr"><persName>Tinian</persName></hi> betrachten.</p><lb/><p>Gleich nach Tiſche wurden zwei Boote ausgeſetzt, um verſchiedne Gegen-<lb/>
den der Bay zu unterſuchen, hauptſaͤchlich aber um fuͤr unſer Schif einen ſichern<lb/>
Haven ausfindig zu machen, indem unſer jetziger Ankerplatz offen, unbequem und<lb/>
nur fuͤrs erſte gut genug war. Wir machten uns dieſe Gelegenheit zu Nutze<lb/>
Unterſuchungen in der natuͤrlichen Geſchichte anzuſtellen, und trennten<lb/>
uns, um von beiden Booten und ihren verſchiedenen Entdeckungen zu gleicher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[94/0139]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Schaaren von Waſſervoͤgeln belebten die felſigten Kuͤſten und das Land ertoͤnte
uͤberall vom wilden Geſang der gefiederten Waldbewohner. Je laͤnger wir uns
nach Land und friſchen Gewaͤchſen geſehnt hatten, deſto mehr entzuͤckte uns nun
dieſer Proſpect, und die Regungen der innigſten Zufriedenheit, welche der Anblick
dieſer neuen Scene durchgaͤngig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen
deutlich zu leſen.
1773.
Maͤrz.
Um drey Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer In-
ſel vor Anker, woſelbſt wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Kuͤſte ſo
nahe waren, daß man ſie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das
Schiff in Sicherheit, als unſre Matroſen ihre Angeln auswarffen; und in wenig
Augenblicken ſahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fi-
ſche aus dem Waſſer ziehen, deren viel verſprechender Anblick die Freude uͤber
unſre gluͤckliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden ſie von vor-
treflichen Geſchmack und da wir zumahl ſo lange darauf gefaſtet hatten, ſo war
es kein Wunder, daß uns dieſe erſte Neu- Seelaͤndiſche Mahlzeit als die herr-
lichſte in unſerm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtiſch ergoͤtzte ſich das Auge
an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landſchaft, die Salvator Roſa nicht
ſchoͤner haͤtte mahlen koͤnnen. Sie war ganz im Geſchmack dieſes Kuͤnſtlers und
beſtand aus Felſen, mit Waͤldern gekroͤnt, deren Alter in die Zeiten vor der
Suͤndfluth hinauf zu reichen ſchien, und zwiſchen welche ſich aller Orten Waſſer-
baͤche mit ſchaͤumenden Ungeſtuͤm herabſtuͤrzten. Zwar haͤtte es bey weitem nicht
ſo vieler Schoͤnheiten bedurft um uns zu entzuͤcken, denn nach einer langen Ent-
fernung vom Lande iſt es warlich ſehr leicht, ſelbſt die oͤdeſte Kuͤſte fuͤr das herr-
lichſte Land in der Schoͤpfung anzuſehen. Und aus dieſem Geſichtspuncte muß
man auch die feurigen Beſchreibungen der wilden Klippen von Juan Fer-
nandez und der undurchdringlichen Waͤlder von Tinian betrachten.
Gleich nach Tiſche wurden zwei Boote ausgeſetzt, um verſchiedne Gegen-
den der Bay zu unterſuchen, hauptſaͤchlich aber um fuͤr unſer Schif einen ſichern
Haven ausfindig zu machen, indem unſer jetziger Ankerplatz offen, unbequem und
nur fuͤrs erſte gut genug war. Wir machten uns dieſe Gelegenheit zu Nutze
Unterſuchungen in der natuͤrlichen Geſchichte anzuſtellen, und trennten
uns, um von beiden Booten und ihren verſchiedenen Entdeckungen zu gleicher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/139>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.