Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Forster's Reise um die Welt

1772.
Decem-
ber.

Dies Treib-Eis bewies uns gleichfals, daß zwischen dem Clima der
nordlichen und südlichen Halbkugel ein großer Unterschied sey. Wir waren
mitten im December-Monath, welcher auf dieser südlichen Halbkugel mit un-
serm Junius übereinkommt; Unsre beobachtete Breite war Mittags nur 51 Grad
5 Minuten südlich (welches mit der Polhöhe von London ohngefähr übereinstimmt)
gleichwol hatten wir schon verschiedne Berge von Treib-Eis angetroffen und un-
ser Thermometer stand auf 36 Grad. Der Mangel eines festen Landes auf der
südlichen Halbkugel scheint die verhältnißwiedrige Kälte dieser Weltgegend zu ver-
anlassen, in so fern nemlich hier nichts als See ist, die, als ein durchsichtiger flüs-
siger Cörper, die Strahlen der Sonne verschluckt und nicht zurück wirft, wie auf
der nördlichen Halbkugel von dem Erdreich geschiehet.

Am 11ten December um drey Uhr Nachmittags liefen wir an einer Eis-
Insel vorbey, die wenigstens eine halbe Englische Meile lang war, und uns zu
derjenigen Seite lag, von welcher der Wind her kam. Das Thermometer auf
dem Verdeck, welches um zwey Uhr ohngefähr auf 36 Grad gestanden hatte, war
wegen des schönen Sonnenscheins auf 41 Grad gestiegen; als wir aber dem Eise
gegenüber kamen, sunk es nach und nach auf 371/2 herab, und sobald wir daran vor-
bey waren kam es wieder zu dem vorigen Standpunkt von 41 Graden. Dieser
Unterschied von vier Graden lies sich auch am Cörper empfinden und wir sahen
hieraus augenscheinlich, daß, nächst der bereits angeführten Ursach, diese große
Eis-Massen ebenfalls das ihrige beytragen, die Luft dieser unfreundlichen Seen so
kalt zu machen. Die Wellen brachen sich mit solchem Ungestüm gegen die nur ge-
dachte Eis-Insel, als ob es ein unbeweglich feststehender Felsen gewesen wäre,
und schlugen, ohnerachtet sie nicht viel niedriger war als die zuerst beschriebene
Eis-Masse, dennoch so hoch hinan, daß der Schaum oft weit darüber hinaus
sprützte, welches bey dem schönen heitern Wetter einen ganz vortreflichen An-
blick gab. Das Seewasser, welches solchergestalt aufs Eis gejagt wird, frieret
daselbst wahrscheinlicherweise fest, ein Umstand, der ungemein dienlich ist die
Entstehungsart und die Anhäufung desselben zu erklären.

Der Kälte des Himmelsstrichs ohnerachtet waren unsre Schiffe noch im-
mer mit Sturmvögeln, Albatrossen und Pinguins umgeben. Besonders be-
merkten wir einen Sturmvogel von der Größe einer Taube, ganz weis, mit

schwar-
Forſter’s Reiſe um die Welt

1772.
Decem-
ber.

Dies Treib-Eis bewies uns gleichfals, daß zwiſchen dem Clima der
nordlichen und ſuͤdlichen Halbkugel ein großer Unterſchied ſey. Wir waren
mitten im December-Monath, welcher auf dieſer ſuͤdlichen Halbkugel mit un-
ſerm Junius uͤbereinkommt; Unſre beobachtete Breite war Mittags nur 51 Grad
5 Minuten ſuͤdlich (welches mit der Polhoͤhe von London ohngefaͤhr uͤbereinſtimmt)
gleichwol hatten wir ſchon verſchiedne Berge von Treib-Eis angetroffen und un-
ſer Thermometer ſtand auf 36 Grad. Der Mangel eines feſten Landes auf der
ſuͤdlichen Halbkugel ſcheint die verhaͤltnißwiedrige Kaͤlte dieſer Weltgegend zu ver-
anlaſſen, in ſo fern nemlich hier nichts als See iſt, die, als ein durchſichtiger fluͤſ-
ſiger Coͤrper, die Strahlen der Sonne verſchluckt und nicht zuruͤck wirft, wie auf
der noͤrdlichen Halbkugel von dem Erdreich geſchiehet.

Am 11ten December um drey Uhr Nachmittags liefen wir an einer Eis-
Inſel vorbey, die wenigſtens eine halbe Engliſche Meile lang war, und uns zu
derjenigen Seite lag, von welcher der Wind her kam. Das Thermometer auf
dem Verdeck, welches um zwey Uhr ohngefaͤhr auf 36 Grad geſtanden hatte, war
wegen des ſchoͤnen Sonnenſcheins auf 41 Grad geſtiegen; als wir aber dem Eiſe
gegenuͤber kamen, ſunk es nach und nach auf 37½ herab, und ſobald wir daran vor-
bey waren kam es wieder zu dem vorigen Standpunkt von 41 Graden. Dieſer
Unterſchied von vier Graden lies ſich auch am Coͤrper empfinden und wir ſahen
hieraus augenſcheinlich, daß, naͤchſt der bereits angefuͤhrten Urſach, dieſe große
Eis-Maſſen ebenfalls das ihrige beytragen, die Luft dieſer unfreundlichen Seen ſo
kalt zu machen. Die Wellen brachen ſich mit ſolchem Ungeſtuͤm gegen die nur ge-
dachte Eis-Inſel, als ob es ein unbeweglich feſtſtehender Felſen geweſen waͤre,
und ſchlugen, ohnerachtet ſie nicht viel niedriger war als die zuerſt beſchriebene
Eis-Maſſe, dennoch ſo hoch hinan, daß der Schaum oft weit daruͤber hinaus
ſpruͤtzte, welches bey dem ſchoͤnen heitern Wetter einen ganz vortreflichen An-
blick gab. Das Seewaſſer, welches ſolchergeſtalt aufs Eis gejagt wird, frieret
daſelbſt wahrſcheinlicherweiſe feſt, ein Umſtand, der ungemein dienlich iſt die
Entſtehungsart und die Anhaͤufung deſſelben zu erklaͤren.

Der Kaͤlte des Himmelsſtrichs ohnerachtet waren unſre Schiffe noch im-
mer mit Sturmvoͤgeln, Albatroſſen und Pinguins umgeben. Beſonders be-
merkten wir einen Sturmvogel von der Groͤße einer Taube, ganz weis, mit

ſchwar-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0117" n="72"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi> </fw><lb/>
        <note place="left">1772.<lb/>
Decem-<lb/>
ber.</note>
        <p>Dies Treib-Eis bewies uns gleichfals, daß zwi&#x017F;chen dem Clima der<lb/>
nordlichen und &#x017F;u&#x0364;dlichen Halbkugel ein großer Unter&#x017F;chied &#x017F;ey. Wir waren<lb/>
mitten im December-Monath, welcher auf die&#x017F;er &#x017F;u&#x0364;dlichen Halbkugel mit un-<lb/>
&#x017F;erm Junius u&#x0364;bereinkommt; Un&#x017F;re beobachtete Breite war Mittags nur 51 Grad<lb/>
5 Minuten &#x017F;u&#x0364;dlich (welches mit der Polho&#x0364;he von <placeName>London</placeName> ohngefa&#x0364;hr u&#x0364;berein&#x017F;timmt)<lb/>
gleichwol hatten wir &#x017F;chon ver&#x017F;chiedne Berge von Treib-Eis angetroffen und un-<lb/>
&#x017F;er Thermometer &#x017F;tand auf 36 Grad. Der Mangel eines fe&#x017F;ten Landes auf der<lb/>
&#x017F;u&#x0364;dlichen Halbkugel &#x017F;cheint die verha&#x0364;ltnißwiedrige Ka&#x0364;lte die&#x017F;er Weltgegend zu ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;en, in &#x017F;o fern nemlich hier nichts als See i&#x017F;t, die, als ein durch&#x017F;ichtiger flu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;iger Co&#x0364;rper, die Strahlen der Sonne ver&#x017F;chluckt und nicht zuru&#x0364;ck wirft, wie auf<lb/>
der no&#x0364;rdlichen Halbkugel von dem Erdreich ge&#x017F;chiehet.</p><lb/>
        <p>Am 11ten December um drey Uhr Nachmittags liefen wir an einer Eis-<lb/>
In&#x017F;el vorbey, die wenig&#x017F;tens eine halbe Engli&#x017F;che Meile lang war, und uns zu<lb/>
derjenigen Seite lag, von welcher der Wind her kam. Das Thermometer auf<lb/>
dem Verdeck, welches um zwey Uhr ohngefa&#x0364;hr auf 36 Grad ge&#x017F;tanden hatte, war<lb/>
wegen des &#x017F;cho&#x0364;nen Sonnen&#x017F;cheins auf 41 Grad ge&#x017F;tiegen; als wir aber dem Ei&#x017F;e<lb/>
gegenu&#x0364;ber kamen, &#x017F;unk es nach und nach auf 37½ herab, und &#x017F;obald wir daran vor-<lb/>
bey waren kam es wieder zu dem vorigen Standpunkt von 41 Graden. Die&#x017F;er<lb/>
Unter&#x017F;chied von vier Graden lies &#x017F;ich auch am Co&#x0364;rper empfinden und wir &#x017F;ahen<lb/>
hieraus augen&#x017F;cheinlich, daß, na&#x0364;ch&#x017F;t der bereits angefu&#x0364;hrten Ur&#x017F;ach, die&#x017F;e große<lb/>
Eis-Ma&#x017F;&#x017F;en ebenfalls das ihrige beytragen, die Luft die&#x017F;er unfreundlichen Seen &#x017F;o<lb/>
kalt zu machen. Die Wellen brachen &#x017F;ich mit &#x017F;olchem Unge&#x017F;tu&#x0364;m gegen die nur ge-<lb/>
dachte Eis-In&#x017F;el, als ob es ein unbeweglich fe&#x017F;t&#x017F;tehender Fel&#x017F;en gewe&#x017F;en wa&#x0364;re,<lb/>
und &#x017F;chlugen, ohnerachtet &#x017F;ie nicht viel niedriger war als die zuer&#x017F;t be&#x017F;chriebene<lb/>
Eis-Ma&#x017F;&#x017F;e, dennoch &#x017F;o hoch hinan, daß der Schaum oft weit daru&#x0364;ber hinaus<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;tzte, welches bey dem &#x017F;cho&#x0364;nen heitern Wetter einen ganz vortreflichen An-<lb/>
blick gab. Das Seewa&#x017F;&#x017F;er, welches &#x017F;olcherge&#x017F;talt aufs Eis gejagt wird, frieret<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlicherwei&#x017F;e fe&#x017F;t, ein Um&#x017F;tand, der ungemein dienlich i&#x017F;t die<lb/>
Ent&#x017F;tehungsart und die Anha&#x0364;ufung de&#x017F;&#x017F;elben zu erkla&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Der Ka&#x0364;lte des Himmels&#x017F;trichs ohnerachtet waren un&#x017F;re <choice><sic>Schi&#x017F;&#x017F;e</sic><corr>Schiffe</corr></choice> noch im-<lb/>
mer mit Sturmvo&#x0364;geln, Albatro&#x017F;&#x017F;en und Pinguins umgeben. Be&#x017F;onders be-<lb/>
merkten wir einen Sturmvogel von der Gro&#x0364;ße einer Taube, ganz weis, mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chwar-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0117] Forſter’s Reiſe um die Welt Dies Treib-Eis bewies uns gleichfals, daß zwiſchen dem Clima der nordlichen und ſuͤdlichen Halbkugel ein großer Unterſchied ſey. Wir waren mitten im December-Monath, welcher auf dieſer ſuͤdlichen Halbkugel mit un- ſerm Junius uͤbereinkommt; Unſre beobachtete Breite war Mittags nur 51 Grad 5 Minuten ſuͤdlich (welches mit der Polhoͤhe von London ohngefaͤhr uͤbereinſtimmt) gleichwol hatten wir ſchon verſchiedne Berge von Treib-Eis angetroffen und un- ſer Thermometer ſtand auf 36 Grad. Der Mangel eines feſten Landes auf der ſuͤdlichen Halbkugel ſcheint die verhaͤltnißwiedrige Kaͤlte dieſer Weltgegend zu ver- anlaſſen, in ſo fern nemlich hier nichts als See iſt, die, als ein durchſichtiger fluͤſ- ſiger Coͤrper, die Strahlen der Sonne verſchluckt und nicht zuruͤck wirft, wie auf der noͤrdlichen Halbkugel von dem Erdreich geſchiehet. Am 11ten December um drey Uhr Nachmittags liefen wir an einer Eis- Inſel vorbey, die wenigſtens eine halbe Engliſche Meile lang war, und uns zu derjenigen Seite lag, von welcher der Wind her kam. Das Thermometer auf dem Verdeck, welches um zwey Uhr ohngefaͤhr auf 36 Grad geſtanden hatte, war wegen des ſchoͤnen Sonnenſcheins auf 41 Grad geſtiegen; als wir aber dem Eiſe gegenuͤber kamen, ſunk es nach und nach auf 37½ herab, und ſobald wir daran vor- bey waren kam es wieder zu dem vorigen Standpunkt von 41 Graden. Dieſer Unterſchied von vier Graden lies ſich auch am Coͤrper empfinden und wir ſahen hieraus augenſcheinlich, daß, naͤchſt der bereits angefuͤhrten Urſach, dieſe große Eis-Maſſen ebenfalls das ihrige beytragen, die Luft dieſer unfreundlichen Seen ſo kalt zu machen. Die Wellen brachen ſich mit ſolchem Ungeſtuͤm gegen die nur ge- dachte Eis-Inſel, als ob es ein unbeweglich feſtſtehender Felſen geweſen waͤre, und ſchlugen, ohnerachtet ſie nicht viel niedriger war als die zuerſt beſchriebene Eis-Maſſe, dennoch ſo hoch hinan, daß der Schaum oft weit daruͤber hinaus ſpruͤtzte, welches bey dem ſchoͤnen heitern Wetter einen ganz vortreflichen An- blick gab. Das Seewaſſer, welches ſolchergeſtalt aufs Eis gejagt wird, frieret daſelbſt wahrſcheinlicherweiſe feſt, ein Umſtand, der ungemein dienlich iſt die Entſtehungsart und die Anhaͤufung deſſelben zu erklaͤren. Der Kaͤlte des Himmelsſtrichs ohnerachtet waren unſre Schiffe noch im- mer mit Sturmvoͤgeln, Albatroſſen und Pinguins umgeben. Beſonders be- merkten wir einen Sturmvogel von der Groͤße einer Taube, ganz weis, mit ſchwar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/117
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/117>, abgerufen am 26.11.2024.