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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Mann, wovon 400 in dem bey der Stadt befindlichen Fort zur Besatzung lie-1772.
Novem-
ber.

gen. Die Einwohner, welche Waffen tragen können, machen eine Militz von
4000 Mann aus, die, vermittelst einiger Signale größtentheils in Zeit von we-
nig Stunden, auf ihren angewiesenen Lärmplätzen, zusammengebracht werden kann.
Aus der vorgedachten Anzahl läßt sich ohngefähr die Volksmenge der weißen
Einwohner auf dieser Colonie bestimmen, die sich gegenwärtig so weit ausge-
breitet hat, daß die entferntesten Colonisten über vier Wochen reisen müssen, ehe
sie das Cap erreichen können. Man darf aber von dem großen Umfang, worinn
sich diese Plantagen ausgebreitet haben, keinesweges auf ihre Anzahl schlies-
sen, denn zumal die äußersten derselben, liegen bisweilen ganze Tagereisen weit
von einander, und sind von verschiedenen hottentottischen Nationen umgeben,
daher sie denn auch nur gar zu oft empfinden, daß ihre eigne Regierung sie in
so weiter Entlegenheit nicht schützen kann. Gegen einen weißen Einwohner zäh-
let man hier fünf und mehr Sclaven, und die vornehmsten Personen am Cap
halten deren oft zwanzig bis dreyßig. Im Gantzen haben es diese Leibeignen
gut genug, und wenn ihre Herren Gefallen an ihnen finden, so bekommen sie
recht gute Kleider, doch müssen sie alle, ohne Ausnahme, barfuß einher gehen,
indem ihre Herren sich Schuh und Strümpfe zu einem Unterscheidungs-Zeichen
vorbehalten. Diese Sclaven werden hauptsächlich von Madagascar gebracht,
wohin gemeiniglich alle Jahre ein kleines Schiff von hier aus auf diesen Handel
abgeschickt wird. Doch giebt es auch außer diesen eine Menge von Malayen,
Bengalesen und einige Negers unter ihnen. Die Colonisten bestehen aus hollän-
dischen Familien, aus französischen Protestanten, größtentheils aber aus Deut-
schen. Der Character der Einwohner in der Stadt ist sehr gemischt. Sie sind
fleißig, aber leben dabey gut; gesellig und gastfrey, aber ohne sich dadurch hin-
dern zu lassen, mit Vermiethung ihrer Zimmer eine Art von Wucher zu trei-
ben *), und von den Officiers der Kanffarthey-Schiffe ansehnliche Geschenke
an fremden Zeugen und andern Waaren zu erwarten. Es fehlt ihnen gewisser-
maßen an Gelegenheit, sich Kenntnisse zu erwerben, denn auf dem ganzen Cap

*) Die Bedingungen finden sich in Cooks voriger Reise, S. Hawkesworths Geschichte
der engl. See Reisen in 4. dritter Band, pag. 401. Die Glieder des Raths machen hier-
inn eine Ausnahme.

in den Jahren 1772 bis 1775.
Mann, wovon 400 in dem bey der Stadt befindlichen Fort zur Beſatzung lie-1772.
Novem-
ber.

gen. Die Einwohner, welche Waffen tragen koͤnnen, machen eine Militz von
4000 Mann aus, die, vermittelſt einiger Signale groͤßtentheils in Zeit von we-
nig Stunden, auf ihren angewieſenen Laͤrmplaͤtzen, zuſammengebracht werden kann.
Aus der vorgedachten Anzahl laͤßt ſich ohngefaͤhr die Volksmenge der weißen
Einwohner auf dieſer Colonie beſtimmen, die ſich gegenwaͤrtig ſo weit ausge-
breitet hat, daß die entfernteſten Coloniſten uͤber vier Wochen reiſen muͤſſen, ehe
ſie das Cap erreichen koͤnnen. Man darf aber von dem großen Umfang, worinn
ſich dieſe Plantagen ausgebreitet haben, keinesweges auf ihre Anzahl ſchlieſ-
ſen, denn zumal die aͤußerſten derſelben, liegen bisweilen ganze Tagereiſen weit
von einander, und ſind von verſchiedenen hottentottiſchen Nationen umgeben,
daher ſie denn auch nur gar zu oft empfinden, daß ihre eigne Regierung ſie in
ſo weiter Entlegenheit nicht ſchuͤtzen kann. Gegen einen weißen Einwohner zaͤh-
let man hier fuͤnf und mehr Sclaven, und die vornehmſten Perſonen am Cap
halten deren oft zwanzig bis dreyßig. Im Gantzen haben es dieſe Leibeignen
gut genug, und wenn ihre Herren Gefallen an ihnen finden, ſo bekommen ſie
recht gute Kleider, doch muͤſſen ſie alle, ohne Ausnahme, barfuß einher gehen,
indem ihre Herren ſich Schuh und Struͤmpfe zu einem Unterſcheidungs-Zeichen
vorbehalten. Dieſe Sclaven werden hauptſaͤchlich von Madagascar gebracht,
wohin gemeiniglich alle Jahre ein kleines Schiff von hier aus auf dieſen Handel
abgeſchickt wird. Doch giebt es auch außer dieſen eine Menge von Malayen,
Bengaleſen und einige Negers unter ihnen. Die Coloniſten beſtehen aus hollaͤn-
diſchen Familien, aus franzoͤſiſchen Proteſtanten, groͤßtentheils aber aus Deut-
ſchen. Der Character der Einwohner in der Stadt iſt ſehr gemiſcht. Sie ſind
fleißig, aber leben dabey gut; geſellig und gaſtfrey, aber ohne ſich dadurch hin-
dern zu laſſen, mit Vermiethung ihrer Zimmer eine Art von Wucher zu trei-
ben *), und von den Officiers der Kanffarthey-Schiffe anſehnliche Geſchenke
an fremden Zeugen und andern Waaren zu erwarten. Es fehlt ihnen gewiſſer-
maßen an Gelegenheit, ſich Kenntniſſe zu erwerben, denn auf dem ganzen Cap

*) Die Bedingungen finden ſich in Cooks voriger Reiſe, S. Hawkesworths Geſchichte
der engl. See Reiſen in 4. dritter Band, pag. 401. Die Glieder des Raths machen hier-
inn eine Ausnahme.
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[55/0100] in den Jahren 1772 bis 1775. Mann, wovon 400 in dem bey der Stadt befindlichen Fort zur Beſatzung lie- gen. Die Einwohner, welche Waffen tragen koͤnnen, machen eine Militz von 4000 Mann aus, die, vermittelſt einiger Signale groͤßtentheils in Zeit von we- nig Stunden, auf ihren angewieſenen Laͤrmplaͤtzen, zuſammengebracht werden kann. Aus der vorgedachten Anzahl laͤßt ſich ohngefaͤhr die Volksmenge der weißen Einwohner auf dieſer Colonie beſtimmen, die ſich gegenwaͤrtig ſo weit ausge- breitet hat, daß die entfernteſten Coloniſten uͤber vier Wochen reiſen muͤſſen, ehe ſie das Cap erreichen koͤnnen. Man darf aber von dem großen Umfang, worinn ſich dieſe Plantagen ausgebreitet haben, keinesweges auf ihre Anzahl ſchlieſ- ſen, denn zumal die aͤußerſten derſelben, liegen bisweilen ganze Tagereiſen weit von einander, und ſind von verſchiedenen hottentottiſchen Nationen umgeben, daher ſie denn auch nur gar zu oft empfinden, daß ihre eigne Regierung ſie in ſo weiter Entlegenheit nicht ſchuͤtzen kann. Gegen einen weißen Einwohner zaͤh- let man hier fuͤnf und mehr Sclaven, und die vornehmſten Perſonen am Cap halten deren oft zwanzig bis dreyßig. Im Gantzen haben es dieſe Leibeignen gut genug, und wenn ihre Herren Gefallen an ihnen finden, ſo bekommen ſie recht gute Kleider, doch muͤſſen ſie alle, ohne Ausnahme, barfuß einher gehen, indem ihre Herren ſich Schuh und Struͤmpfe zu einem Unterſcheidungs-Zeichen vorbehalten. Dieſe Sclaven werden hauptſaͤchlich von Madagascar gebracht, wohin gemeiniglich alle Jahre ein kleines Schiff von hier aus auf dieſen Handel abgeſchickt wird. Doch giebt es auch außer dieſen eine Menge von Malayen, Bengaleſen und einige Negers unter ihnen. Die Coloniſten beſtehen aus hollaͤn- diſchen Familien, aus franzoͤſiſchen Proteſtanten, groͤßtentheils aber aus Deut- ſchen. Der Character der Einwohner in der Stadt iſt ſehr gemiſcht. Sie ſind fleißig, aber leben dabey gut; geſellig und gaſtfrey, aber ohne ſich dadurch hin- dern zu laſſen, mit Vermiethung ihrer Zimmer eine Art von Wucher zu trei- ben *), und von den Officiers der Kanffarthey-Schiffe anſehnliche Geſchenke an fremden Zeugen und andern Waaren zu erwarten. Es fehlt ihnen gewiſſer- maßen an Gelegenheit, ſich Kenntniſſe zu erwerben, denn auf dem ganzen Cap 1772. Novem- ber. *) Die Bedingungen finden ſich in Cooks voriger Reiſe, S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See Reiſen in 4. dritter Band, pag. 401. Die Glieder des Raths machen hier- inn eine Ausnahme.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/100>, abgerufen am 27.11.2024.