Genius der Malerei hinzukommt, immer be¬ handelt zu werden pflegen, eine kalte Dekla¬ mation. Carlo Maratti's schlafende Venus verdiente wohl ein gutes Wort. Es ist nicht möglich, einen schönern weiblichen Kopf zu bilden, und schön ist auch die ganze Gestalt, so dass der Adonis gänzlich vor ihr verschwin¬ det. Männliche Schönheit glückt überhaupt den Künstlern seltner, vielleicht weil sie wirklich seltner ist. Winkelmann würde sa¬ gen, die vollkommenste Form muss auch die seltenste seyn. Das Kolorit dieses Stückes hat übrigens etwas gelitten; ein Unfall, der auch einer Venus mit dem Amor, von Ti¬ zian, widerfahren ist. Schöner ist von die¬ sem Meister die Tochter Cymons erhalten, die ihren alten Vater im Gefängniss aus ih¬ ren Brüsten tränkt; leider ist diese Geschich¬ te kein schicklicher Gegenstand für die Ma¬ lerei. In der Nähe hängt ein kleines Brust¬
II. Theil. I i
Genius der Malerei hinzukommt, immer be¬ handelt zu werden pflegen, eine kalte Dekla¬ mation. Carlo Maratti’s schlafende Venus verdiente wohl ein gutes Wort. Es ist nicht möglich, einen schönern weiblichen Kopf zu bilden, und schön ist auch die ganze Gestalt, so daſs der Adonis gänzlich vor ihr verschwin¬ det. Männliche Schönheit glückt überhaupt den Künstlern seltner, vielleicht weil sie wirklich seltner ist. Winkelmann würde sa¬ gen, die vollkommenste Form muſs auch die seltenste seyn. Das Kolorit dieses Stückes hat übrigens etwas gelitten; ein Unfall, der auch einer Venus mit dem Amor, von Ti¬ zian, widerfahren ist. Schöner ist von die¬ sem Meister die Tochter Cymons erhalten, die ihren alten Vater im Gefängniſs aus ih¬ ren Brüsten tränkt; leider ist diese Geschich¬ te kein schicklicher Gegenstand für die Ma¬ lerei. In der Nähe hängt ein kleines Brust¬
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Genius der Malerei hinzukommt, immer be¬
handelt zu werden pflegen, eine kalte Dekla¬
mation. Carlo Maratti’s schlafende Venus
verdiente wohl ein gutes Wort. Es ist nicht
möglich, einen schönern weiblichen Kopf zu
bilden, und schön ist auch die ganze Gestalt,
so daſs der Adonis gänzlich vor ihr verschwin¬
det. Männliche Schönheit glückt überhaupt
den Künstlern seltner, vielleicht weil sie
wirklich seltner ist. Winkelmann würde sa¬
gen, die vollkommenste Form muſs auch die
seltenste seyn. Das Kolorit dieses Stückes
hat übrigens etwas gelitten; ein Unfall, der
auch einer Venus mit dem Amor, von Ti¬
zian, widerfahren ist. Schöner ist von die¬
sem Meister die Tochter Cymons erhalten,
die ihren alten Vater im Gefängniſs aus ih¬
ren Brüsten tränkt; leider ist diese Geschich¬
te kein schicklicher Gegenstand für die Ma¬
lerei. In der Nähe hängt ein kleines Brust¬
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/503>, abgerufen am 23.11.2024.
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