gur, die stehend oder wankend, ihren rech¬ ten Arm auf einem Kissen ruhen und das göttliche Haupt voll Leiden und Liebe zu¬ rücksinken lässt! Ihr Auge bricht von einem brennendern Schmerz, als dem des Schlan¬ genbisses an ihrer Brust. Sie steht da in vollendetem Ebenmaass, in unverbesserlichen Umrissen, ein Wesen höherer Art. Eine an¬ dere Stellung konnte sie nicht wählen; diese reine, zwanglose Grazie, diese einfach wahre Natur ist edel und schön zugleich. Sie ist ganz unverhüllt, ein wenig marmorn von Substanz und Farbe; doch was ist Farbe ge¬ gen Form, und was ist Bekleidung gegen Blösse, wenn diese Form sie heiligt? Malen für den denkenden Geist und malen für den thierischen Sinn, Zampieri's Susanna und Guido's Kleopatra schaffen -- wem das ei¬ nerlei seyn kann, wer wohl lieber dort zu¬ greifen, als hier von Seele zu Seele empfin¬
gur, die stehend oder wankend, ihren rech¬ ten Arm auf einem Kissen ruhen und das göttliche Haupt voll Leiden und Liebe zu¬ rücksinken läſst! Ihr Auge bricht von einem brennendern Schmerz, als dem des Schlan¬ genbisses an ihrer Brust. Sie steht da in vollendetem Ebenmaaſs, in unverbesserlichen Umrissen, ein Wesen höherer Art. Eine an¬ dere Stellung konnte sie nicht wählen; diese reine, zwanglose Grazie, diese einfach wahre Natur ist edel und schön zugleich. Sie ist ganz unverhüllt, ein wenig marmorn von Substanz und Farbe; doch was ist Farbe ge¬ gen Form, und was ist Bekleidung gegen Blöſse, wenn diese Form sie heiligt? Malen für den denkenden Geist und malen für den thierischen Sinn, Zampieri’s Susanna und Guido’s Kleopatra schaffen — wem das ei¬ nerlei seyn kann, wer wohl lieber dort zu¬ greifen, als hier von Seele zu Seele empfin¬
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gur, die stehend oder wankend, ihren rech¬
ten Arm auf einem Kissen ruhen und das
göttliche Haupt voll Leiden und Liebe zu¬
rücksinken läſst! Ihr Auge bricht von einem
brennendern Schmerz, als dem des Schlan¬
genbisses an ihrer Brust. Sie steht da in
vollendetem Ebenmaaſs, in unverbesserlichen
Umrissen, ein Wesen höherer Art. Eine an¬
dere Stellung konnte sie nicht wählen; diese
reine, zwanglose Grazie, diese einfach wahre
Natur ist edel und schön zugleich. Sie ist
ganz unverhüllt, ein wenig marmorn von
Substanz und Farbe; doch was ist Farbe ge¬
gen Form, und was ist Bekleidung gegen
Blöſse, wenn diese Form sie heiligt? Malen
für den denkenden Geist und malen für den
thierischen Sinn, Zampieri’s Susanna und
Guido’s Kleopatra schaffen — wem das ei¬
nerlei seyn kann, wer wohl lieber dort zu¬
greifen, als hier von Seele zu Seele empfin¬
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/500>, abgerufen am 22.11.2024.
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