hören in der That nicht nur gesunde, sondern auch dicke Nerven dazu, um das Gebrüll und Geheul der hiesigen Schauspieler zu er¬ tragen und so fürchterlich zu beklatschen. In meinem Leben habe ich nichts Entsetzli¬ cheres als ihre Deklamation gehört. Dekla¬ mation war es vom Anfang bis zum Ende des Stückes, ohne einen Moment von wah¬ rem Ausdruck der Empfindung, ohne einen Zug von Natur -- und dennoch war augen¬ scheinlich dieses Geplärr ein Kunstwerk, dessen Erlernung den Schauspielern unglaub¬ liche Anstrengung gekostet haben muss, ehe sie ihre brutale Vollkommenheit darin er¬ langten. In der Sprache liegt wenigstens Eine Veranlassung, wiewohl gewiss keine Rechtfertigung, dieser beleidigenden Art des dramatischen Vortrages; die häufigen, stets wiederkehrenden Vokale und Doppellaute (a, aa, ae, ai, o, au, oo, ou, ow u. s. f.) verur¬
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hören in der That nicht nur gesunde, sondern auch dicke Nerven dazu, um das Gebrüll und Geheul der hiesigen Schauspieler zu er¬ tragen und so fürchterlich zu beklatschen. In meinem Leben habe ich nichts Entsetzli¬ cheres als ihre Deklamation gehört. Dekla¬ mation war es vom Anfang bis zum Ende des Stückes, ohne einen Moment von wah¬ rem Ausdruck der Empfindung, ohne einen Zug von Natur — und dennoch war augen¬ scheinlich dieses Geplärr ein Kunstwerk, dessen Erlernung den Schauspielern unglaub¬ liche Anstrengung gekostet haben muſs, ehe sie ihre brutale Vollkommenheit darin er¬ langten. In der Sprache liegt wenigstens Eine Veranlassung, wiewohl gewiſs keine Rechtfertigung, dieser beleidigenden Art des dramatischen Vortrages; die häufigen, stets wiederkehrenden Vokale und Doppellaute (a, aa, ae, ai, o, au, oo, ou, ow u. s. f.) verur¬
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hören in der That nicht nur gesunde, sondern
auch dicke Nerven dazu, um das Gebrüll
und Geheul der hiesigen Schauspieler zu er¬
tragen und so fürchterlich zu beklatschen.
In meinem Leben habe ich nichts Entsetzli¬
cheres als ihre Deklamation gehört. Dekla¬
mation war es vom Anfang bis zum Ende
des Stückes, ohne einen Moment von wah¬
rem Ausdruck der Empfindung, ohne einen
Zug von Natur — und dennoch war augen¬
scheinlich dieses Geplärr ein Kunstwerk,
dessen Erlernung den Schauspielern unglaub¬
liche Anstrengung gekostet haben muſs, ehe
sie ihre brutale Vollkommenheit darin er¬
langten. In der Sprache liegt wenigstens
Eine Veranlassung, wiewohl gewiſs keine
Rechtfertigung, dieser beleidigenden Art des
dramatischen Vortrages; die häufigen, stets
wiederkehrenden Vokale und Doppellaute (a,
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/445>, abgerufen am 23.11.2024.
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