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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791.

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er sei in Begriff herabzugleiten. Im Glanz
der Abendsonne, welche diesen vergoldeten
Koloss bestralte, konnte ich mich einer Re¬
miniscenz aus Blumauers travestirter Äneis
nicht erwehren; ich dachte an jenes Back¬
werk, wo der fromme Held zuoberst "ganz
von Butter" stand. Es hat schon etwas Un¬
natürliches, Statuen auf den Dächern unserer
Häuser anzubringen, die nicht, wie im Orient,
zum Aufenthalt der Menschen eingerichtet
sind; allein noch ungleich widersinniger
scheint es, einen Menschen auf den Gipfel
einer Säule zu stellen, den nur ein Verrück¬
ter oder ein Phantast, wie Simeon Stylites,
bewohnen kann. Wenn gleich die Alten uns
das Beispiel solcher Denkmäler gegeben ha¬
ben, so bin ich doch nicht der Meinung,
dass wir ihrem Muster jederzeit blindlings
folgen sollen. Auch war bereits der gute
Geschmack in Verfall gerathen, als man z. B.

er sei in Begriff herabzugleiten. Im Glanz
der Abendsonne, welche diesen vergoldeten
Koloſs bestralte, konnte ich mich einer Re¬
miniscenz aus Blumauers travestirter Äneis
nicht erwehren; ich dachte an jenes Back¬
werk, wo der fromme Held zuoberst »ganz
von Butter» stand. Es hat schon etwas Un¬
natürliches, Statuen auf den Dächern unserer
Häuser anzubringen, die nicht, wie im Orient,
zum Aufenthalt der Menschen eingerichtet
sind; allein noch ungleich widersinniger
scheint es, einen Menschen auf den Gipfel
einer Säule zu stellen, den nur ein Verrück¬
ter oder ein Phantast, wie Simeon Stylites,
bewohnen kann. Wenn gleich die Alten uns
das Beispiel solcher Denkmäler gegeben ha¬
ben, so bin ich doch nicht der Meinung,
daſs wir ihrem Muster jederzeit blindlings
folgen sollen. Auch war bereits der gute
Geschmack in Verfall gerathen, als man z. B.

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[268/0274] er sei in Begriff herabzugleiten. Im Glanz der Abendsonne, welche diesen vergoldeten Koloſs bestralte, konnte ich mich einer Re¬ miniscenz aus Blumauers travestirter Äneis nicht erwehren; ich dachte an jenes Back¬ werk, wo der fromme Held zuoberst »ganz von Butter» stand. Es hat schon etwas Un¬ natürliches, Statuen auf den Dächern unserer Häuser anzubringen, die nicht, wie im Orient, zum Aufenthalt der Menschen eingerichtet sind; allein noch ungleich widersinniger scheint es, einen Menschen auf den Gipfel einer Säule zu stellen, den nur ein Verrück¬ ter oder ein Phantast, wie Simeon Stylites, bewohnen kann. Wenn gleich die Alten uns das Beispiel solcher Denkmäler gegeben ha¬ ben, so bin ich doch nicht der Meinung, daſs wir ihrem Muster jederzeit blindlings folgen sollen. Auch war bereits der gute Geschmack in Verfall gerathen, als man z. B.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/274>, abgerufen am 22.11.2024.