Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

hangen. Bald ist es ein sterbender Seneka,
blutend, alt und schwach, die Todtenblässe
im Gesicht und auf den Lippen. Hier eine
Latona in den Sümpfen Lyciens, noch in
bittender Stellung, indess ihr gegenüber die
störrigen, feindseligen Wilden, die ihr einen
Trunk Wassers versagten, im flämischen
Bauerncostum, aber mit Froschgesichtern schon
halbverwandelt da stehen, grässliche Carrica¬
turen! -- Wie konnte nur ein Mann wie
Rubens das Bild des Ekelhaftesten in der
Natur, eines betrunknen Weibes, in seiner
Phantasie dulden, geschweige denn mit Wohl¬
gefallen darüber brüten, mit Kunst und
Kenntniss der Natur es ausmalen und nichts
dabei fühlen, als nur die Stärke seiner Dar¬
stellungsgabe? Hätte nicht der Maler, der
es wusste, was Schönheit ist, bei jenen
Froschmenschen vor einem Missbrauche sei¬
nes Talents zurückbeben sollen, wodurch

hangen. Bald ist es ein sterbender Seneka,
blutend, alt und schwach, die Todtenblässe
im Gesicht und auf den Lippen. Hier eine
Latona in den Sümpfen Lyciens, noch in
bittender Stellung, indeſs ihr gegenüber die
störrigen, feindseligen Wilden, die ihr einen
Trunk Wassers versagten, im flämischen
Bauerncostum, aber mit Froschgesichtern schon
halbverwandelt da stehen, gräſsliche Carrica¬
turen! — Wie konnte nur ein Mann wie
Rubens das Bild des Ekelhaftesten in der
Natur, eines betrunknen Weibes, in seiner
Phantasie dulden, geschweige denn mit Wohl¬
gefallen darüber brüten, mit Kunst und
Kenntniſs der Natur es ausmalen und nichts
dabei fühlen, als nur die Stärke seiner Dar¬
stellungsgabe? Hätte nicht der Maler, der
es wuſste, was Schönheit ist, bei jenen
Froschmenschen vor einem Miſsbrauche sei¬
nes Talents zurückbeben sollen, wodurch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="175"/>
hangen. Bald ist es ein sterbender Seneka,<lb/>
blutend, alt und schwach, die Todtenblässe<lb/>
im Gesicht und auf den Lippen. Hier eine<lb/>
Latona in den Sümpfen Lyciens, noch in<lb/>
bittender Stellung, inde&#x017F;s ihr gegenüber die<lb/>
störrigen, feindseligen Wilden, die ihr einen<lb/>
Trunk Wassers versagten, im flämischen<lb/>
Bauerncostum, aber mit Froschgesichtern schon<lb/>
halbverwandelt da stehen, grä&#x017F;sliche Carrica¬<lb/>
turen! &#x2014; Wie konnte nur ein Mann wie<lb/><hi rendition="#i">Rubens</hi> das Bild des Ekelhaftesten in der<lb/>
Natur, eines betrunknen Weibes, in seiner<lb/>
Phantasie dulden, geschweige denn mit Wohl¬<lb/>
gefallen darüber brüten, mit Kunst und<lb/>
Kenntni&#x017F;s der Natur es ausmalen und nichts<lb/>
dabei fühlen, als nur die Stärke seiner Dar¬<lb/>
stellungsgabe? Hätte nicht der Maler, der<lb/>
es wu&#x017F;ste, was Schönheit ist, bei jenen<lb/>
Froschmenschen vor einem Mi&#x017F;sbrauche sei¬<lb/>
nes Talents zurückbeben sollen, wodurch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0187] hangen. Bald ist es ein sterbender Seneka, blutend, alt und schwach, die Todtenblässe im Gesicht und auf den Lippen. Hier eine Latona in den Sümpfen Lyciens, noch in bittender Stellung, indeſs ihr gegenüber die störrigen, feindseligen Wilden, die ihr einen Trunk Wassers versagten, im flämischen Bauerncostum, aber mit Froschgesichtern schon halbverwandelt da stehen, gräſsliche Carrica¬ turen! — Wie konnte nur ein Mann wie Rubens das Bild des Ekelhaftesten in der Natur, eines betrunknen Weibes, in seiner Phantasie dulden, geschweige denn mit Wohl¬ gefallen darüber brüten, mit Kunst und Kenntniſs der Natur es ausmalen und nichts dabei fühlen, als nur die Stärke seiner Dar¬ stellungsgabe? Hätte nicht der Maler, der es wuſste, was Schönheit ist, bei jenen Froschmenschen vor einem Miſsbrauche sei¬ nes Talents zurückbeben sollen, wodurch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/187
Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/187>, abgerufen am 24.11.2024.