ich, was ich sehe -- einen kannibalischen Fleischmarkt vorstellen, erkennt man die wilde, bacchantische Mänas, die alle Be¬ scheidenheit der Natur verläugnet, und voll ihres Gottes, den Harmonienschöpfer Or¬ pheus zerreisst. --
Ganz zu oberst, am Rande des Bildes, ragt ein Greis hervor, fast wie die Alten den Neptun zu bilden pflegten, mit zerweh¬ tem Haar und straubigem Bart. In seiner Linken hält er ein Kügelchen, nicht so gross wie sein Kopf; die Rechte ruht auf einer grossen hellen Wolke, die, von der Brust an, seinen ganzen Körper verdeckt. Man ist gewohnt, auf diese Art ein Wesen darzustellen, welches eine jede Abbildung von ihm selbst ganz unbedingt verboten hat, und in der That, wenn man sich einen Augenblick besinnt, auch schlechterdings nicht abgebildet werden kann. Ohne die
I 5
ich, was ich sehe — einen kannibalischen Fleischmarkt vorstellen, erkennt man die wilde, bacchantische Mänas, die alle Be¬ scheidenheit der Natur verläugnet, und voll ihres Gottes, den Harmonienschöpfer Or¬ pheus zerreiſst. —
Ganz zu oberst, am Rande des Bildes, ragt ein Greis hervor, fast wie die Alten den Neptun zu bilden pflegten, mit zerweh¬ tem Haar und straubigem Bart. In seiner Linken hält er ein Kügelchen, nicht so groſs wie sein Kopf; die Rechte ruht auf einer groſsen hellen Wolke, die, von der Brust an, seinen ganzen Körper verdeckt. Man ist gewohnt, auf diese Art ein Wesen darzustellen, welches eine jede Abbildung von ihm selbst ganz unbedingt verboten hat, und in der That, wenn man sich einen Augenblick besinnt, auch schlechterdings nicht abgebildet werden kann. Ohne die
I 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0149"n="137"/>
ich, was ich sehe — einen kannibalischen<lb/>
Fleischmarkt vorstellen, erkennt man die<lb/>
wilde, bacchantische Mänas, die alle Be¬<lb/>
scheidenheit der Natur verläugnet, und voll<lb/><hirendition="#i">ihres</hi> Gottes, den Harmonienschöpfer <hirendition="#i">Or</hi>¬<lb/><hirendition="#i">pheus</hi> zerreiſst. —</p><lb/><p>Ganz zu oberst, am Rande des Bildes,<lb/>
ragt ein Greis hervor, fast wie die Alten<lb/>
den <hirendition="#i">Neptun</hi> zu bilden pflegten, mit zerweh¬<lb/>
tem Haar und straubigem Bart. In seiner<lb/>
Linken hält er ein Kügelchen, nicht so<lb/>
groſs wie sein Kopf; die Rechte ruht auf<lb/>
einer groſsen hellen Wolke, die, von der<lb/>
Brust an, seinen ganzen Körper verdeckt.<lb/>
Man ist gewohnt, auf diese Art ein Wesen<lb/>
darzustellen, welches eine jede Abbildung<lb/>
von ihm selbst ganz unbedingt verboten hat,<lb/>
und in der That, wenn man sich einen<lb/>
Augenblick besinnt, auch schlechterdings<lb/>
nicht abgebildet werden <hirendition="#i">kann</hi>. Ohne die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I 5<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[137/0149]
ich, was ich sehe — einen kannibalischen
Fleischmarkt vorstellen, erkennt man die
wilde, bacchantische Mänas, die alle Be¬
scheidenheit der Natur verläugnet, und voll
ihres Gottes, den Harmonienschöpfer Or¬
pheus zerreiſst. —
Ganz zu oberst, am Rande des Bildes,
ragt ein Greis hervor, fast wie die Alten
den Neptun zu bilden pflegten, mit zerweh¬
tem Haar und straubigem Bart. In seiner
Linken hält er ein Kügelchen, nicht so
groſs wie sein Kopf; die Rechte ruht auf
einer groſsen hellen Wolke, die, von der
Brust an, seinen ganzen Körper verdeckt.
Man ist gewohnt, auf diese Art ein Wesen
darzustellen, welches eine jede Abbildung
von ihm selbst ganz unbedingt verboten hat,
und in der That, wenn man sich einen
Augenblick besinnt, auch schlechterdings
nicht abgebildet werden kann. Ohne die
I 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/149>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.