Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬ heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche demonstriren, das heißt, begreiflich machen? Einen platteren Widerspruch giebt es nicht.
Wie mag es aber wohl kommen, daß man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬ chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬ weis der Schwäche, deren sich die Herren bewußt seyn müssen. Wenn man versinken will, hascht man begierig auch nach dem Strohhalm, der doch niemanden retten kann. Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie ließen es ihre geringste Sorge seyn, die Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬ monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten dann die Keime des Denkens. Aber hier und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬
Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬ heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche demonstriren, das heißt, begreiflich machen? Einen platteren Widerspruch giebt es nicht.
Wie mag es aber wohl kommen, daß man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬ chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬ weis der Schwäche, deren sich die Herren bewußt seyn müssen. Wenn man versinken will, hascht man begierig auch nach dem Strohhalm, der doch niemanden retten kann. Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie ließen es ihre geringste Sorge seyn, die Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬ monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten dann die Keime des Denkens. Aber hier und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0110"n="98"/>
Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬<lb/>
heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche<lb/>
demonstriren, das heißt, begreiflich machen?<lb/>
Einen platteren Widerspruch giebt es nicht.</p><lb/><p>Wie mag es aber wohl kommen, daß<lb/>
man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬<lb/>
chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich<lb/>
sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬<lb/>
weis der Schwäche, deren sich die Herren<lb/>
bewußt seyn müssen. Wenn man versinken<lb/>
will, hascht man begierig auch nach dem<lb/>
Strohhalm, der doch niemanden retten kann.<lb/>
Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als<lb/>
die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie<lb/>
ließen es ihre geringste Sorge seyn, die<lb/>
Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬<lb/>
monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo<lb/>
sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten<lb/>
dann die Keime des Denkens. Aber hier<lb/>
und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[98/0110]
Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬
heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche
demonstriren, das heißt, begreiflich machen?
Einen platteren Widerspruch giebt es nicht.
Wie mag es aber wohl kommen, daß
man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬
chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich
sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬
weis der Schwäche, deren sich die Herren
bewußt seyn müssen. Wenn man versinken
will, hascht man begierig auch nach dem
Strohhalm, der doch niemanden retten kann.
Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als
die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie
ließen es ihre geringste Sorge seyn, die
Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬
monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo
sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten
dann die Keime des Denkens. Aber hier
und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/110>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.