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Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

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getragene Kraft, oder das Maaß des Drucks muß in gleicher Stärke unterhalten werden, und zwar so, daß der Finger nicht gerade aufwärts vom Tasten gehoben wird, sondern durch ein allmähliges Zurückziehen der Fingerspitzen nach der innern Fläche der Hand, auf dem vordern Theil des Tasten abgleitet. 3) Beym Uebergange von einem Tasten zum andern wird durch dieses Abgleiten das Maß von Kraft oder Druck, womit der erste Ton unterhalten worden ist, in der größten Geschwindigkeit auf den nächsten Finger geworfen, so daß nun die beyden Töne weder von einander gerissen werden, noch in einander klingen können. Der Anschlag derselben ist also, wie C. Ph. Emanuel sagt, weder zu lang noch zu kurz, sondern genau so wie er seyn muß.

Die Vortheile einer solchen Haltung der Hand und eines solchen Anschlags sind sehr mannigfaltig, nicht bloß auf dem Clavichord, sondern auch auf dem Pianoforte und auf der Orgel. Ich will nur einige der wichtigsten anführen. 1) Die gebogene Haltung der Finger macht jede ihrer Bewegungen leicht. Das Hacken, Poltern und Stolpern kann also nicht entstehen, welches man so häufig bey Personen findet, die mit ausgestreckten oder nicht genug gebogenen Fingern spielen. 2) Das Einziehen der Fingerspitzen nach sich, und das dadurch bewirkte geschwinde Uebertragen der Kraft des einen Fingers auf den zunächst darauf folgenden, bringt den höchsten Grad von Deutlichkeit im Anschlage der einzelnen Töne hervor, so daß jede auf diese Art vorgetragene Passage glänzend, rollend und rund klingt, gleichsam als wenn jeder Ton eine Perle wäre. Es kostet dem Zuhörer nicht die mindeste Aufmerksamkeit, eine so vorgetragene Passage zu verstehen. 3) Durch das Gleiten der Fingerspitze auf dem Tasten in einerley Maß von Druck wird der Saite gehörige Zeit zum Vibriren gelassen; der Ton wird also dadurch nicht nur verschönert, sondern auch verlängert, und wir werden dadurch in den Stand gesetzt, selbst auf einem so Ton-armen Instrument, wie das Clavichord ist, sangbar und zusammenhängend spielen zu können. Alles dieß zusammen genommen hat endlich noch den überaus großen Vortheil, daß alle Verschwendung von Kraft durch unnütze Anstrengung und durch Zwang in den Bewegungen vermieden wird. Auch soll Seb. Bach mit einer so leichten und kleinen Bewegung der Finger gespielt haben, daß man sie kaum bemerken konnte. Nur die vordern Gelenke der Finger waren in Bewegung, die Hand behielt auch bey den schwersten Stellen ihre gerundete Form, die Finger hoben sich nur

getragene Kraft, oder das Maaß des Drucks muß in gleicher Stärke unterhalten werden, und zwar so, daß der Finger nicht gerade aufwärts vom Tasten gehoben wird, sondern durch ein allmähliges Zurückziehen der Fingerspitzen nach der innern Fläche der Hand, auf dem vordern Theil des Tasten abgleitet. 3) Beym Uebergange von einem Tasten zum andern wird durch dieses Abgleiten das Maß von Kraft oder Druck, womit der erste Ton unterhalten worden ist, in der größten Geschwindigkeit auf den nächsten Finger geworfen, so daß nun die beyden Töne weder von einander gerissen werden, noch in einander klingen können. Der Anschlag derselben ist also, wie C. Ph. Emanuel sagt, weder zu lang noch zu kurz, sondern genau so wie er seyn muß.

Die Vortheile einer solchen Haltung der Hand und eines solchen Anschlags sind sehr mannigfaltig, nicht bloß auf dem Clavichord, sondern auch auf dem Pianoforte und auf der Orgel. Ich will nur einige der wichtigsten anführen. 1) Die gebogene Haltung der Finger macht jede ihrer Bewegungen leicht. Das Hacken, Poltern und Stolpern kann also nicht entstehen, welches man so häufig bey Personen findet, die mit ausgestreckten oder nicht genug gebogenen Fingern spielen. 2) Das Einziehen der Fingerspitzen nach sich, und das dadurch bewirkte geschwinde Uebertragen der Kraft des einen Fingers auf den zunächst darauf folgenden, bringt den höchsten Grad von Deutlichkeit im Anschlage der einzelnen Töne hervor, so daß jede auf diese Art vorgetragene Passage glänzend, rollend und rund klingt, gleichsam als wenn jeder Ton eine Perle wäre. Es kostet dem Zuhörer nicht die mindeste Aufmerksamkeit, eine so vorgetragene Passage zu verstehen. 3) Durch das Gleiten der Fingerspitze auf dem Tasten in einerley Maß von Druck wird der Saite gehörige Zeit zum Vibriren gelassen; der Ton wird also dadurch nicht nur verschönert, sondern auch verlängert, und wir werden dadurch in den Stand gesetzt, selbst auf einem so Ton-armen Instrument, wie das Clavichord ist, sangbar und zusammenhängend spielen zu können. Alles dieß zusammen genommen hat endlich noch den überaus großen Vortheil, daß alle Verschwendung von Kraft durch unnütze Anstrengung und durch Zwang in den Bewegungen vermieden wird. Auch soll Seb. Bach mit einer so leichten und kleinen Bewegung der Finger gespielt haben, daß man sie kaum bemerken konnte. Nur die vordern Gelenke der Finger waren in Bewegung, die Hand behielt auch bey den schwersten Stellen ihre gerundete Form, die Finger hoben sich nur

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[13/0023] getragene Kraft, oder das Maaß des Drucks muß in gleicher Stärke unterhalten werden, und zwar so, daß der Finger nicht gerade aufwärts vom Tasten gehoben wird, sondern durch ein allmähliges Zurückziehen der Fingerspitzen nach der innern Fläche der Hand, auf dem vordern Theil des Tasten abgleitet. 3) Beym Uebergange von einem Tasten zum andern wird durch dieses Abgleiten das Maß von Kraft oder Druck, womit der erste Ton unterhalten worden ist, in der größten Geschwindigkeit auf den nächsten Finger geworfen, so daß nun die beyden Töne weder von einander gerissen werden, noch in einander klingen können. Der Anschlag derselben ist also, wie C. Ph. Emanuel sagt, weder zu lang noch zu kurz, sondern genau so wie er seyn muß. Die Vortheile einer solchen Haltung der Hand und eines solchen Anschlags sind sehr mannigfaltig, nicht bloß auf dem Clavichord, sondern auch auf dem Pianoforte und auf der Orgel. Ich will nur einige der wichtigsten anführen. 1) Die gebogene Haltung der Finger macht jede ihrer Bewegungen leicht. Das Hacken, Poltern und Stolpern kann also nicht entstehen, welches man so häufig bey Personen findet, die mit ausgestreckten oder nicht genug gebogenen Fingern spielen. 2) Das Einziehen der Fingerspitzen nach sich, und das dadurch bewirkte geschwinde Uebertragen der Kraft des einen Fingers auf den zunächst darauf folgenden, bringt den höchsten Grad von Deutlichkeit im Anschlage der einzelnen Töne hervor, so daß jede auf diese Art vorgetragene Passage glänzend, rollend und rund klingt, gleichsam als wenn jeder Ton eine Perle wäre. Es kostet dem Zuhörer nicht die mindeste Aufmerksamkeit, eine so vorgetragene Passage zu verstehen. 3) Durch das Gleiten der Fingerspitze auf dem Tasten in einerley Maß von Druck wird der Saite gehörige Zeit zum Vibriren gelassen; der Ton wird also dadurch nicht nur verschönert, sondern auch verlängert, und wir werden dadurch in den Stand gesetzt, selbst auf einem so Ton-armen Instrument, wie das Clavichord ist, sangbar und zusammenhängend spielen zu können. Alles dieß zusammen genommen hat endlich noch den überaus großen Vortheil, daß alle Verschwendung von Kraft durch unnütze Anstrengung und durch Zwang in den Bewegungen vermieden wird. Auch soll Seb. Bach mit einer so leichten und kleinen Bewegung der Finger gespielt haben, daß man sie kaum bemerken konnte. Nur die vordern Gelenke der Finger waren in Bewegung, die Hand behielt auch bey den schwersten Stellen ihre gerundete Form, die Finger hoben sich nur

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Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/23>, abgerufen am 27.11.2024.