Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte. Einige wollen diese Possenspiele als den Anfang der komischen Operette unter den Deutschen betrachten. Allein solche Quodlibete waren in Deutschland schon weit früher im Gebrauch. Ich besitze selbst eine gedruckte Sammlung derselben, die schon im Jahr 1542 zu Wien heraus gekommen ist. So wohl die genannten fröhlichen Thüringer, als einige ihrer spätern Nachkommen, die schon einen ernsthaftern und würdigern Gebrauch von ihrer Kunst zu machen wußten, würden indessen doch der Vergessenheit der Nachwelt nicht entgangen seyn, wenn nicht endlich ein Mann aus ihnen hervor gegangen wäre, dessen Kunst und Kunstruhm so helle Strahlen warf, daß auch auf sie nun ein Abglanz dieses Lichtes zurück fiel. Dieser Mann war Johann Sebastian Bach, die Zierde seiner Familie, der Stolz seines Vaterlandes, und der vertrauteste Liebling der musikalischen Kunst. II. Johann Sebastian Bach wurde im Jahr 1685 am 21sten März zu Eisenach geboren, wo sein Vater Johann Ambrosius Hof- und Stadtmusikus war. Dieser hatte einen Zwillingsbruder, Johann Christoph, Hof- und Stadtmusikus zu Arnstadt, der ihm so ähnlich war, daß selbst ihre beyderseitigen Frauen sie nicht anders als durch die Kleidung von einander unterscheiden konnten. Diese Zwillinge sind vielleicht die einzigen ihrer Art und die merkwürdigsten, die man kennt. Sie liebten sich aufs zärtlichste; Sprache, Gesinnung, der Styl ihrer Musik, ihre Art des Vortrags etc. alles war einander gleich. Wenn einer krank war, war es auch der andere. Auch starben sie bald nach einander. Sie waren ein Gegenstand der Bewunderung für jeden, der sie sah. Im Jahr 1695, als Joh. Sebastian noch nicht volle 10 Jahre alt war, starb sein Vater. Die Mutter war schon früher gestorben. Er sah sich daher nun so verwaiset, daß er seine Zuflucht zu einem ältern Bruder, Johann Christoph, welcher Organist in Ordruff war, nehmen mußte. Von diesem bekam er den ersten Unterricht im Clavierspielen. Seine Neigung und Fähigkeit zur Musik muß aber um diese Zeit schon sehr groß gewesen seyn, denn diejenigen Handstücke, die ihm sein Bruder zum unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte. Einige wollen diese Possenspiele als den Anfang der komischen Operette unter den Deutschen betrachten. Allein solche Quodlibete waren in Deutschland schon weit früher im Gebrauch. Ich besitze selbst eine gedruckte Sammlung derselben, die schon im Jahr 1542 zu Wien heraus gekommen ist. So wohl die genannten fröhlichen Thüringer, als einige ihrer spätern Nachkommen, die schon einen ernsthaftern und würdigern Gebrauch von ihrer Kunst zu machen wußten, würden indessen doch der Vergessenheit der Nachwelt nicht entgangen seyn, wenn nicht endlich ein Mann aus ihnen hervor gegangen wäre, dessen Kunst und Kunstruhm so helle Strahlen warf, daß auch auf sie nun ein Abglanz dieses Lichtes zurück fiel. Dieser Mann war Johann Sebastian Bach, die Zierde seiner Familie, der Stolz seines Vaterlandes, und der vertrauteste Liebling der musikalischen Kunst. II. Johann Sebastian Bach wurde im Jahr 1685 am 21sten März zu Eisenach geboren, wo sein Vater Johann Ambrosius Hof- und Stadtmusikus war. Dieser hatte einen Zwillingsbruder, Johann Christoph, Hof- und Stadtmusikus zu Arnstadt, der ihm so ähnlich war, daß selbst ihre beyderseitigen Frauen sie nicht anders als durch die Kleidung von einander unterscheiden konnten. Diese Zwillinge sind vielleicht die einzigen ihrer Art und die merkwürdigsten, die man kennt. Sie liebten sich aufs zärtlichste; Sprache, Gesinnung, der Styl ihrer Musik, ihre Art des Vortrags etc. alles war einander gleich. Wenn einer krank war, war es auch der andere. Auch starben sie bald nach einander. Sie waren ein Gegenstand der Bewunderung für jeden, der sie sah. Im Jahr 1695, als Joh. Sebastian noch nicht volle 10 Jahre alt war, starb sein Vater. Die Mutter war schon früher gestorben. Er sah sich daher nun so verwaiset, daß er seine Zuflucht zu einem ältern Bruder, Johann Christoph, welcher Organist in Ordruff war, nehmen mußte. Von diesem bekam er den ersten Unterricht im Clavierspielen. Seine Neigung und Fähigkeit zur Musik muß aber um diese Zeit schon sehr groß gewesen seyn, denn diejenigen Handstücke, die ihm sein Bruder zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="4"/> unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte. 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unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte. Einige wollen diese Possenspiele als den Anfang der komischen Operette unter den Deutschen betrachten. Allein solche Quodlibete waren in Deutschland schon weit früher im Gebrauch. Ich besitze selbst eine gedruckte Sammlung derselben, die schon im Jahr 1542 zu Wien heraus gekommen ist.
So wohl die genannten fröhlichen Thüringer, als einige ihrer spätern Nachkommen, die schon einen ernsthaftern und würdigern Gebrauch von ihrer Kunst zu machen wußten, würden indessen doch der Vergessenheit der Nachwelt nicht entgangen seyn, wenn nicht endlich ein Mann aus ihnen hervor gegangen wäre, dessen Kunst und Kunstruhm so helle Strahlen warf, daß auch auf sie nun ein Abglanz dieses Lichtes zurück fiel. Dieser Mann war Johann Sebastian Bach, die Zierde seiner Familie, der Stolz seines Vaterlandes, und der vertrauteste Liebling der musikalischen Kunst.
II.
Johann Sebastian Bach wurde im Jahr 1685 am 21sten März zu Eisenach geboren, wo sein Vater Johann Ambrosius Hof- und Stadtmusikus war. Dieser hatte einen Zwillingsbruder, Johann Christoph, Hof- und Stadtmusikus zu Arnstadt, der ihm so ähnlich war, daß selbst ihre beyderseitigen Frauen sie nicht anders als durch die Kleidung von einander unterscheiden konnten. Diese Zwillinge sind vielleicht die einzigen ihrer Art und die merkwürdigsten, die man kennt. Sie liebten sich aufs zärtlichste; Sprache, Gesinnung, der Styl ihrer Musik, ihre Art des Vortrags etc. alles war einander gleich. Wenn einer krank war, war es auch der andere. Auch starben sie bald nach einander. Sie waren ein Gegenstand der Bewunderung für jeden, der sie sah.
Im Jahr 1695, als Joh. Sebastian noch nicht volle 10 Jahre alt war, starb sein Vater. Die Mutter war schon früher gestorben. Er sah sich daher nun so verwaiset, daß er seine Zuflucht zu einem ältern Bruder, Johann Christoph, welcher Organist in Ordruff war, nehmen mußte. Von diesem bekam er den ersten Unterricht im Clavierspielen. Seine Neigung und Fähigkeit zur Musik muß aber um diese Zeit schon sehr groß gewesen seyn, denn diejenigen Handstücke, die ihm sein Bruder zum
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