Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.zukriechen, bei Tisch ein zähes Stück Fleisch herunterzukauen und den Tag über allerlei Kompaniechirurgenwitze - die's damals noch gab - mit anhören zu müssen, all das hatte was geradezu Schaudervolles für mich und nach ernstlichstem Erwägen kam ich endlich zu dem Schluß: es sei das Beste für mich den ganzen Kram an den Nagel zu hängen und mich, auf jede Gefahr hin, auf die eignen zwei Beine zu stellen. Auf jede Gefahr hin! Daß eine solche da sei, darüber war mir kein Zweifel, ja, diese Gefahr stand mir so klar, so deutlich vor der Seele, daß ich mich davor gehütet haben würde, wenn irgendwie für mich ein Ende dieses immer langweiliger werdenden Umherfechtens abzusehen gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall. Ohne jede Schwarzseherei mußt' ich mir vielmehr das Umgekehrte sagen und so war denn der Entschluß berechtigt: "gieb es auf; schlechter kann es nicht werden." Nicht Leichtsinn oder Großmannssucht war für mich das Bestimmende, sondern einfach Zwang und Drang der Verhältnisse, nüchternstes Erwägen, und so nahm ich denn meine sieben Sachen und übersiedelte nach einer in der Luisenstraße gemieteten, an einer hervorragend prosaischen Stelle gelegenen Wohnung, dicht neben mir die Charitee, gegenüber die Tierarzneischule. Mein zukriechen, bei Tisch ein zähes Stück Fleisch herunterzukauen und den Tag über allerlei Kompaniechirurgenwitze – die’s damals noch gab – mit anhören zu müssen, all das hatte was geradezu Schaudervolles für mich und nach ernstlichstem Erwägen kam ich endlich zu dem Schluß: es sei das Beste für mich den ganzen Kram an den Nagel zu hängen und mich, auf jede Gefahr hin, auf die eignen zwei Beine zu stellen. Auf jede Gefahr hin! Daß eine solche da sei, darüber war mir kein Zweifel, ja, diese Gefahr stand mir so klar, so deutlich vor der Seele, daß ich mich davor gehütet haben würde, wenn irgendwie für mich ein Ende dieses immer langweiliger werdenden Umherfechtens abzusehen gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall. Ohne jede Schwarzseherei mußt’ ich mir vielmehr das Umgekehrte sagen und so war denn der Entschluß berechtigt: „gieb es auf; schlechter kann es nicht werden.“ Nicht Leichtsinn oder Großmannssucht war für mich das Bestimmende, sondern einfach Zwang und Drang der Verhältnisse, nüchternstes Erwägen, und so nahm ich denn meine sieben Sachen und übersiedelte nach einer in der Luisenstraße gemieteten, an einer hervorragend prosaischen Stelle gelegenen Wohnung, dicht neben mir die Charitee, gegenüber die Tierarzneischule. Mein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0675" n="666"/> zukriechen, bei Tisch ein zähes Stück Fleisch herunterzukauen und den Tag über allerlei Kompaniechirurgenwitze – die’s damals noch gab – mit anhören zu müssen, all das hatte was geradezu Schaudervolles für mich und nach ernstlichstem Erwägen kam ich endlich zu dem Schluß: es sei das Beste für mich den ganzen Kram an den Nagel zu hängen und mich, <hi rendition="#g">auf jede Gefahr hin</hi>, auf die eignen zwei Beine zu stellen. Auf jede Gefahr hin! Daß eine solche da sei, darüber war mir kein Zweifel, ja, diese Gefahr stand mir so klar, so deutlich vor der Seele, daß ich mich davor gehütet haben würde, wenn irgendwie für mich ein Ende dieses immer langweiliger werdenden Umherfechtens abzusehen gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall. Ohne jede Schwarzseherei mußt’ ich mir vielmehr das Umgekehrte sagen und so war denn der Entschluß berechtigt: „gieb es auf; schlechter kann es nicht werden.“ Nicht Leichtsinn oder Großmannssucht war für mich das Bestimmende, sondern einfach Zwang und Drang der Verhältnisse, nüchternstes Erwägen, und so nahm ich denn meine sieben Sachen und übersiedelte nach einer in der Luisenstraße gemieteten, an einer hervorragend prosaischen Stelle gelegenen Wohnung, dicht neben mir die Charitee, gegenüber die Tierarzneischule. Mein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [666/0675]
zukriechen, bei Tisch ein zähes Stück Fleisch herunterzukauen und den Tag über allerlei Kompaniechirurgenwitze – die’s damals noch gab – mit anhören zu müssen, all das hatte was geradezu Schaudervolles für mich und nach ernstlichstem Erwägen kam ich endlich zu dem Schluß: es sei das Beste für mich den ganzen Kram an den Nagel zu hängen und mich, auf jede Gefahr hin, auf die eignen zwei Beine zu stellen. Auf jede Gefahr hin! Daß eine solche da sei, darüber war mir kein Zweifel, ja, diese Gefahr stand mir so klar, so deutlich vor der Seele, daß ich mich davor gehütet haben würde, wenn irgendwie für mich ein Ende dieses immer langweiliger werdenden Umherfechtens abzusehen gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall. Ohne jede Schwarzseherei mußt’ ich mir vielmehr das Umgekehrte sagen und so war denn der Entschluß berechtigt: „gieb es auf; schlechter kann es nicht werden.“ Nicht Leichtsinn oder Großmannssucht war für mich das Bestimmende, sondern einfach Zwang und Drang der Verhältnisse, nüchternstes Erwägen, und so nahm ich denn meine sieben Sachen und übersiedelte nach einer in der Luisenstraße gemieteten, an einer hervorragend prosaischen Stelle gelegenen Wohnung, dicht neben mir die Charitee, gegenüber die Tierarzneischule. Mein
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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