meine ganz jungen Jahre fiel, fünf oder sechs Jahre vor meinem Eintritt in Bethanien. Wir waren gemeinschaftlich auf Landbesuch und schritten in dem Garten des Herrenhauses auf und ab, uns über Herwegh unterhaltend, der damals in seiner "Sünden Maienblüte" stand. Schultz sprach sehr heftig gegen ihn, wollte nichts wissen von "Noch einen Fluch schlepp ich herbei" und natürlich noch weniger von "Reißt die Kreuze aus der Erden". Er zuckte die Achseln dazu, fand alles redensartlich und beklagte, daß der König einen solchen Phrasenmacher in Audienz empfangen habe. Dann aber brach er mit einem Male ab, sah mich scharf an und sagte: "Du darfst mich aber nicht mißverstehn. Trotz allem, was ich da eben gesagt habe, - so was kannst Du noch lange nicht."
meine ganz jungen Jahre fiel, fünf oder sechs Jahre vor meinem Eintritt in Bethanien. Wir waren gemeinschaftlich auf Landbesuch und schritten in dem Garten des Herrenhauses auf und ab, uns über Herwegh unterhaltend, der damals in seiner „Sünden Maienblüte“ stand. Schultz sprach sehr heftig gegen ihn, wollte nichts wissen von „Noch einen Fluch schlepp ich herbei“ und natürlich noch weniger von „Reißt die Kreuze aus der Erden“. Er zuckte die Achseln dazu, fand alles redensartlich und beklagte, daß der König einen solchen Phrasenmacher in Audienz empfangen habe. Dann aber brach er mit einem Male ab, sah mich scharf an und sagte: „Du darfst mich aber nicht mißverstehn. Trotz allem, was ich da eben gesagt habe, – so was kannst Du noch lange nicht.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0655"n="646"/>
meine ganz jungen Jahre fiel, fünf oder sechs Jahre vor meinem Eintritt in Bethanien. Wir waren gemeinschaftlich auf Landbesuch und schritten in dem Garten des Herrenhauses auf und ab, uns über Herwegh unterhaltend, der damals in seiner „Sünden Maienblüte“ stand. Schultz sprach sehr heftig gegen ihn, wollte nichts wissen von „Noch einen Fluch schlepp ich herbei“ und natürlich noch weniger von „Reißt die Kreuze aus der Erden“. Er zuckte die Achseln dazu, fand alles redensartlich und beklagte, daß der König einen solchen Phrasenmacher in Audienz empfangen habe. Dann aber brach er mit einem Male ab, sah mich scharf an und sagte: „Du darfst mich aber nicht mißverstehn. Trotz allem, was ich da eben gesagt habe, – so was kannst Du noch lange nicht.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><lb/></div></body></text></TEI>
[646/0655]
meine ganz jungen Jahre fiel, fünf oder sechs Jahre vor meinem Eintritt in Bethanien. Wir waren gemeinschaftlich auf Landbesuch und schritten in dem Garten des Herrenhauses auf und ab, uns über Herwegh unterhaltend, der damals in seiner „Sünden Maienblüte“ stand. Schultz sprach sehr heftig gegen ihn, wollte nichts wissen von „Noch einen Fluch schlepp ich herbei“ und natürlich noch weniger von „Reißt die Kreuze aus der Erden“. Er zuckte die Achseln dazu, fand alles redensartlich und beklagte, daß der König einen solchen Phrasenmacher in Audienz empfangen habe. Dann aber brach er mit einem Male ab, sah mich scharf an und sagte: „Du darfst mich aber nicht mißverstehn. Trotz allem, was ich da eben gesagt habe, – so was kannst Du noch lange nicht.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/655>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.