allerglücklichsten. Es war alles voll Leben und Interesse, wenn auch, aufs eigentlich Politische hin angesehen, jeder moderne Parlamentarier sich schaudernd davon abwenden würde. Gerade von den besten Männern wurden Dinge gesprochen, die kaum in irgend welcher Beziehung zu dem dort zu Verhandelnden standen, aber so sonderbar und oft das Komische streifend, diese spontan abgegebenen und sehr "in die Fichten" gehenden Schüsse wirkten, so war doch in diesen dilettantischen Expektorationen immer "was drin". So sprach einmal der alte General Reyher - Chef des großen Generalstabes und Vorgänger Moltkes, welcher letztere sich später oft dankbar zu diesem seinen Lehrer bekannt hat - und legte ganz kurz ein politisches, mit Rücksicht auf die Dinge, zu deren Erledigung wir versammelt waren, völlig zweckloses Glaubensbekenntnis ab. Es machte aber doch einen großen Eindruck auf mich, einen alten würdigen General sich freimütig zu seinem König und zur Armee bekennen zu hören. Denn von derlei Dingen hörte man damals wenig. Und dann, ich glaube es war an demselben Tage, schritt der alte Jakob Grimm auf das Podium zu, der wundervolle Charakterkopf - ähnlich wie der Kopf Mommsens sich dem Gedächtnis einprägend - von langem schneeweißem Haar umleuchtet und sprach
allerglücklichsten. Es war alles voll Leben und Interesse, wenn auch, aufs eigentlich Politische hin angesehen, jeder moderne Parlamentarier sich schaudernd davon abwenden würde. Gerade von den besten Männern wurden Dinge gesprochen, die kaum in irgend welcher Beziehung zu dem dort zu Verhandelnden standen, aber so sonderbar und oft das Komische streifend, diese spontan abgegebenen und sehr „in die Fichten“ gehenden Schüsse wirkten, so war doch in diesen dilettantischen Expektorationen immer „was drin“. So sprach einmal der alte General Reyher – Chef des großen Generalstabes und Vorgänger Moltkes, welcher letztere sich später oft dankbar zu diesem seinen Lehrer bekannt hat – und legte ganz kurz ein politisches, mit Rücksicht auf die Dinge, zu deren Erledigung wir versammelt waren, völlig zweckloses Glaubensbekenntnis ab. Es machte aber doch einen großen Eindruck auf mich, einen alten würdigen General sich freimütig zu seinem König und zur Armee bekennen zu hören. Denn von derlei Dingen hörte man damals wenig. Und dann, ich glaube es war an demselben Tage, schritt der alte Jakob Grimm auf das Podium zu, der wundervolle Charakterkopf – ähnlich wie der Kopf Mommsens sich dem Gedächtnis einprägend – von langem schneeweißem Haar umleuchtet und sprach
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allerglücklichsten. Es war alles voll Leben und Interesse, wenn auch, aufs eigentlich Politische hin angesehen, jeder moderne Parlamentarier sich schaudernd davon abwenden würde. Gerade von den besten Männern wurden Dinge gesprochen, die kaum in irgend welcher Beziehung zu dem dort zu Verhandelnden standen, aber so sonderbar und oft das Komische streifend, diese spontan abgegebenen und sehr „in die Fichten“ gehenden Schüsse wirkten, so war doch in diesen dilettantischen Expektorationen immer „was drin“. So sprach einmal der alte General Reyher – Chef des großen Generalstabes und Vorgänger Moltkes, welcher letztere sich später oft dankbar zu diesem seinen Lehrer bekannt hat – und legte ganz kurz ein politisches, mit Rücksicht auf die Dinge, zu deren Erledigung wir versammelt waren, völlig zweckloses Glaubensbekenntnis ab. Es machte aber doch einen großen Eindruck auf mich, einen alten würdigen General sich freimütig zu seinem König und zur Armee bekennen zu hören. Denn von derlei Dingen hörte man damals wenig. Und dann, ich glaube es war an demselben Tage, schritt der alte Jakob Grimm auf das Podium zu, der wundervolle Charakterkopf – ähnlich wie der Kopf Mommsens sich dem Gedächtnis einprägend – von langem schneeweißem Haar umleuchtet und sprach<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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allerglücklichsten. Es war alles voll Leben und Interesse, wenn auch, aufs eigentlich Politische hin angesehen, jeder moderne Parlamentarier sich schaudernd davon abwenden würde. Gerade von den besten Männern wurden Dinge gesprochen, die kaum in irgend welcher Beziehung zu dem dort zu Verhandelnden standen, aber so sonderbar und oft das Komische streifend, diese spontan abgegebenen und sehr „in die Fichten“ gehenden Schüsse wirkten, so war doch in diesen dilettantischen Expektorationen immer „was drin“. So sprach einmal der alte General Reyher – Chef des großen Generalstabes und Vorgänger Moltkes, welcher letztere sich später oft dankbar zu diesem seinen Lehrer bekannt hat – und legte ganz kurz ein politisches, mit Rücksicht auf die Dinge, zu deren Erledigung wir versammelt waren, völlig zweckloses Glaubensbekenntnis ab. Es machte aber doch einen großen Eindruck auf mich, einen alten würdigen General sich freimütig zu seinem König und zur Armee bekennen zu hören. Denn von derlei Dingen hörte man damals wenig. Und dann, ich glaube es war an demselben Tage, schritt der alte Jakob Grimm auf das Podium zu, der wundervolle Charakterkopf – ähnlich wie der Kopf Mommsens sich dem Gedächtnis einprägend – von langem schneeweißem Haar umleuchtet und sprach
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/639>, abgerufen am 01.07.2024.
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