Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.das, was die nächsten Zeiten brachten, einer Widerlegung gleichkam. So blieb denn, trotz gelegentlicher leiser Schwankungen, durch länger als ein Menschenalter hin alles in meiner Anschauung beim Alten, bis das Gerlach'sche Buch kam. Da wurd' ich stutzig, nahm, wie schon angedeutet, meine vordem nur ganz flüchtig gehegten und weit zurückliegenden Bedenken wieder auf und sah mich, je länger und umfassender ich mich mit dem Gegenstande beschäftigte, zuletzt vor die Frage gestellt "ja, wie verlaufen denn diese Dinge überhaupt?" Und meine Antwort auf diese mir selbst gestellte Frage ging dahin: Sie müssen - vorausgesetzt daß ein großes und allgemeines Fühlen in dem Aufstande zum Ausdruck kommt, - jedesmal mit dem Siege der Revolution enden, weil ein aufständisches Volk, und wenn es nichts hat als seine nackten Hände, schließlich doch notwendig stärker ist, als die wehrhafteste geordnete Macht. Im Teutoburger Walde, bei Sempach, bei Hemmingstedt, überall dasselbe; die Waldestiefen, die Felsen und Schluchten, die durch die Dämme brechenden Fluten, sind eben stärker als alle geordneten Gewalten, und wenn sie nicht ausreichen und nicht helfen, so hilft zuletzt einfach der Raum und wenn auch der nicht hilft, so hilft die Zeit. Diese Zeit kann verschieden bemessen sein, sie kann sich - wir sehen das in das, was die nächsten Zeiten brachten, einer Widerlegung gleichkam. So blieb denn, trotz gelegentlicher leiser Schwankungen, durch länger als ein Menschenalter hin alles in meiner Anschauung beim Alten, bis das Gerlach’sche Buch kam. Da wurd’ ich stutzig, nahm, wie schon angedeutet, meine vordem nur ganz flüchtig gehegten und weit zurückliegenden Bedenken wieder auf und sah mich, je länger und umfassender ich mich mit dem Gegenstande beschäftigte, zuletzt vor die Frage gestellt „ja, wie verlaufen denn diese Dinge überhaupt?“ Und meine Antwort auf diese mir selbst gestellte Frage ging dahin: Sie müssen – vorausgesetzt daß ein großes und allgemeines Fühlen in dem Aufstande zum Ausdruck kommt, – jedesmal mit dem Siege der Revolution enden, weil ein aufständisches Volk, und wenn es nichts hat als seine nackten Hände, schließlich doch notwendig stärker ist, als die wehrhafteste geordnete Macht. Im Teutoburger Walde, bei Sempach, bei Hemmingstedt, überall dasselbe; die Waldestiefen, die Felsen und Schluchten, die durch die Dämme brechenden Fluten, sind eben stärker als alle geordneten Gewalten, und wenn sie nicht ausreichen und nicht helfen, so hilft zuletzt einfach der Raum und wenn auch der nicht hilft, so hilft die Zeit. Diese Zeit kann verschieden bemessen sein, sie kann sich – wir sehen das in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0620" n="611"/> das, was die nächsten Zeiten brachten, einer Widerlegung gleichkam. So blieb denn, trotz gelegentlicher leiser Schwankungen, durch länger als ein Menschenalter hin alles in meiner Anschauung beim Alten, bis das Gerlach’sche Buch kam. Da wurd’ ich stutzig, nahm, wie schon angedeutet, meine vordem nur ganz flüchtig gehegten und weit zurückliegenden Bedenken wieder auf und sah mich, je länger und umfassender ich mich mit dem Gegenstande beschäftigte, zuletzt vor die Frage gestellt „ja, wie verlaufen denn diese Dinge <hi rendition="#g">überhaupt</hi>?“ Und meine Antwort auf diese mir selbst gestellte Frage ging dahin: Sie müssen – vorausgesetzt daß ein großes und allgemeines Fühlen in dem Aufstande zum Ausdruck kommt, – jedesmal mit dem Siege der Revolution enden, weil ein aufständisches Volk, und wenn es nichts hat als seine nackten Hände, schließlich doch notwendig stärker ist, als die wehrhafteste geordnete Macht. Im Teutoburger Walde, bei Sempach, bei Hemmingstedt, überall dasselbe; die Waldestiefen, die Felsen und Schluchten, die durch die Dämme brechenden Fluten, sind eben stärker als alle geordneten Gewalten, und wenn sie nicht ausreichen und nicht helfen, so hilft zuletzt einfach der Raum und wenn auch der nicht hilft, so hilft die Zeit. Diese Zeit kann verschieden bemessen sein, sie kann sich – wir sehen das in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [611/0620]
das, was die nächsten Zeiten brachten, einer Widerlegung gleichkam. So blieb denn, trotz gelegentlicher leiser Schwankungen, durch länger als ein Menschenalter hin alles in meiner Anschauung beim Alten, bis das Gerlach’sche Buch kam. Da wurd’ ich stutzig, nahm, wie schon angedeutet, meine vordem nur ganz flüchtig gehegten und weit zurückliegenden Bedenken wieder auf und sah mich, je länger und umfassender ich mich mit dem Gegenstande beschäftigte, zuletzt vor die Frage gestellt „ja, wie verlaufen denn diese Dinge überhaupt?“ Und meine Antwort auf diese mir selbst gestellte Frage ging dahin: Sie müssen – vorausgesetzt daß ein großes und allgemeines Fühlen in dem Aufstande zum Ausdruck kommt, – jedesmal mit dem Siege der Revolution enden, weil ein aufständisches Volk, und wenn es nichts hat als seine nackten Hände, schließlich doch notwendig stärker ist, als die wehrhafteste geordnete Macht. Im Teutoburger Walde, bei Sempach, bei Hemmingstedt, überall dasselbe; die Waldestiefen, die Felsen und Schluchten, die durch die Dämme brechenden Fluten, sind eben stärker als alle geordneten Gewalten, und wenn sie nicht ausreichen und nicht helfen, so hilft zuletzt einfach der Raum und wenn auch der nicht hilft, so hilft die Zeit. Diese Zeit kann verschieden bemessen sein, sie kann sich – wir sehen das in
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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