Der andere Morgen (neunzehnter März). Die "Proklamation". "Alles Bewilligt". Betrachtungen über Straßenkämpfe. Leopold v. Gerlachs Buch.
Ich schlief während der Nacht die folgte, so fest, daß ich, als ich aufwachte, mich nur mühsam in dem am Tage vorher Erlebten zurechtfinden konnte. Gegen 8 Uhr war ich unten in unserem Geschäftslokal, woselbst ich schon viele Wartende, meist Frauen und Kinder vorfand. Mein erster Gedanke ging dahin, daß es sich um Verwundete handeln müsse, weshalb ich ihnen die Zettel rasch aus der Hand nahm. Aber wer beschreibt mein Staunen, als ich sofort bemerkte, daß es sich bei diesen ärztlichen Verordnungen um ganz alte Bekannte handelte, von denen ich die Mehrzahl wohl schon ein halbes Dutzend mal in Händen gehabt hatte. Nicht für Verwundete war man so früh schon aufgebrochen, nein, die Frauen, die da saßen und warteten, waren dieselben, die, - wie schon Eingangs des vorigen Kapitels von mir hervor-
Zweites Kapitel.
Der andere Morgen (neunzehnter März). Die „Proklamation“. „Alles Bewilligt“. Betrachtungen über Straßenkämpfe. Leopold v. Gerlachs Buch.
Ich schlief während der Nacht die folgte, so fest, daß ich, als ich aufwachte, mich nur mühsam in dem am Tage vorher Erlebten zurechtfinden konnte. Gegen 8 Uhr war ich unten in unserem Geschäftslokal, woselbst ich schon viele Wartende, meist Frauen und Kinder vorfand. Mein erster Gedanke ging dahin, daß es sich um Verwundete handeln müsse, weshalb ich ihnen die Zettel rasch aus der Hand nahm. Aber wer beschreibt mein Staunen, als ich sofort bemerkte, daß es sich bei diesen ärztlichen Verordnungen um ganz alte Bekannte handelte, von denen ich die Mehrzahl wohl schon ein halbes Dutzend mal in Händen gehabt hatte. Nicht für Verwundete war man so früh schon aufgebrochen, nein, die Frauen, die da saßen und warteten, waren dieselben, die, – wie schon Eingangs des vorigen Kapitels von mir hervor-
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Zweites Kapitel.
Der andere Morgen (neunzehnter März). Die
„Proklamation“. „Alles Bewilligt“. Betrachtungen
über Straßenkämpfe. Leopold v. Gerlachs Buch.
Ich schlief während der Nacht die folgte, so fest, daß ich, als ich aufwachte, mich nur mühsam in dem am Tage vorher Erlebten zurechtfinden konnte. Gegen 8 Uhr war ich unten in unserem Geschäftslokal, woselbst ich schon viele Wartende, meist Frauen und Kinder vorfand. Mein erster Gedanke ging dahin, daß es sich um Verwundete handeln müsse, weshalb ich ihnen die Zettel rasch aus der Hand nahm. Aber wer beschreibt mein Staunen, als ich sofort bemerkte, daß es sich bei diesen ärztlichen Verordnungen um ganz alte Bekannte handelte, von denen ich die Mehrzahl wohl schon ein halbes Dutzend mal in Händen gehabt hatte. Nicht für Verwundete war man so früh schon aufgebrochen, nein, die Frauen, die da saßen und warteten, waren dieselben, die, – wie schon Eingangs des vorigen Kapitels von mir hervor-
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/612>, abgerufen am 04.03.2025.
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