Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.unmöglich, weil die Innenstadt zerniert war. Wir gingen also zunächst über die Weidendammerbrücke fort, auf das Oranienburgerthor zu, wo mittlerweile der schon kurz erwähnte Kampf zwischen Maschinenarbeitern und der Besatzung der Artilleriekaserne stattgefunden hatte. Wir nahmen aber nichts mehr von diesem Kampfe wahr und gingen ruhig auf die Linienstraße zu, die hier die Nordhälfte der Stadt in weitem Bogen umspannt und etwa da ausmündet, wo ich hinwollte. Die wohl fast eine halbe Meile lange Wegstrecke war wie mit Barrikaden übersät, aber zugleich still und menschenleer. Das Ganze glich einer ausgegrabenen Stadt, in der das Mondlicht spazieren ging. Wenn vielleicht wirklich Verteidiger dagewesen waren, so hatten sie sich etwas früh zur Ruhe begeben. Mein Elendsgefühl über das, was eine Revolution sein wollte, war in einem beständigen Wachsen. So kamen wir zuletzt bis an die Kreuzungsstelle von Linien- und Prenzlauerstraße, von welch letzterer aus nur noch eine kurze Strecke bis zum Alexanderplatz war. Als wir hier aber weiter wollten, sagte man uns: "Das ginge nicht." "Warum nicht?" "Weil der Platz von zwei Seiten her bestrichen wird; sie schießen hier aus der Alexanderkaserne die Münzstraße herunter und von den Kolonaden an der unmöglich, weil die Innenstadt zerniert war. Wir gingen also zunächst über die Weidendammerbrücke fort, auf das Oranienburgerthor zu, wo mittlerweile der schon kurz erwähnte Kampf zwischen Maschinenarbeitern und der Besatzung der Artilleriekaserne stattgefunden hatte. Wir nahmen aber nichts mehr von diesem Kampfe wahr und gingen ruhig auf die Linienstraße zu, die hier die Nordhälfte der Stadt in weitem Bogen umspannt und etwa da ausmündet, wo ich hinwollte. Die wohl fast eine halbe Meile lange Wegstrecke war wie mit Barrikaden übersät, aber zugleich still und menschenleer. Das Ganze glich einer ausgegrabenen Stadt, in der das Mondlicht spazieren ging. Wenn vielleicht wirklich Verteidiger dagewesen waren, so hatten sie sich etwas früh zur Ruhe begeben. Mein Elendsgefühl über das, was eine Revolution sein wollte, war in einem beständigen Wachsen. So kamen wir zuletzt bis an die Kreuzungsstelle von Linien- und Prenzlauerstraße, von welch letzterer aus nur noch eine kurze Strecke bis zum Alexanderplatz war. Als wir hier aber weiter wollten, sagte man uns: „Das ginge nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil der Platz von zwei Seiten her bestrichen wird; sie schießen hier aus der Alexanderkaserne die Münzstraße herunter und von den Kolonaden an der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0608" n="599"/> unmöglich, weil die Innenstadt zerniert war. Wir gingen also zunächst über die Weidendammerbrücke fort, auf das Oranienburgerthor zu, wo mittlerweile der schon kurz erwähnte Kampf zwischen Maschinenarbeitern und der Besatzung der Artilleriekaserne stattgefunden hatte. Wir nahmen aber nichts mehr von diesem Kampfe wahr und gingen ruhig auf die Linienstraße zu, die hier die Nordhälfte der Stadt in weitem Bogen umspannt und etwa da ausmündet, wo ich hinwollte. Die wohl fast eine halbe Meile lange Wegstrecke war wie mit Barrikaden übersät, aber zugleich still und menschenleer. Das Ganze glich einer ausgegrabenen Stadt, in der das Mondlicht spazieren ging. Wenn vielleicht wirklich Verteidiger dagewesen waren, so hatten sie sich etwas früh zur Ruhe begeben. Mein Elendsgefühl über das, was eine Revolution sein wollte, war in einem beständigen Wachsen.</p><lb/> <p>So kamen wir zuletzt bis an die Kreuzungsstelle von Linien- und Prenzlauerstraße, von welch letzterer aus nur noch <choice><sic>einr</sic><corr>eine</corr></choice> kurze Strecke bis zum Alexanderplatz war. Als wir hier aber weiter wollten, sagte man uns: „Das ginge nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil der Platz von zwei Seiten her bestrichen wird; sie schießen hier aus der Alexanderkaserne die Münzstraße herunter und von den Kolonaden an der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [599/0608]
unmöglich, weil die Innenstadt zerniert war. Wir gingen also zunächst über die Weidendammerbrücke fort, auf das Oranienburgerthor zu, wo mittlerweile der schon kurz erwähnte Kampf zwischen Maschinenarbeitern und der Besatzung der Artilleriekaserne stattgefunden hatte. Wir nahmen aber nichts mehr von diesem Kampfe wahr und gingen ruhig auf die Linienstraße zu, die hier die Nordhälfte der Stadt in weitem Bogen umspannt und etwa da ausmündet, wo ich hinwollte. Die wohl fast eine halbe Meile lange Wegstrecke war wie mit Barrikaden übersät, aber zugleich still und menschenleer. Das Ganze glich einer ausgegrabenen Stadt, in der das Mondlicht spazieren ging. Wenn vielleicht wirklich Verteidiger dagewesen waren, so hatten sie sich etwas früh zur Ruhe begeben. Mein Elendsgefühl über das, was eine Revolution sein wollte, war in einem beständigen Wachsen.
So kamen wir zuletzt bis an die Kreuzungsstelle von Linien- und Prenzlauerstraße, von welch letzterer aus nur noch eine kurze Strecke bis zum Alexanderplatz war. Als wir hier aber weiter wollten, sagte man uns: „Das ginge nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil der Platz von zwei Seiten her bestrichen wird; sie schießen hier aus der Alexanderkaserne die Münzstraße herunter und von den Kolonaden an der
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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