Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

sprechen. Es schuf dies Unlogische, das bei phantasiereichen Frauen allerdings nichts als ein Ueberspringen von Mittelgliedern ist und in gewissem Sinne nicht eine niedrigere, sondern umgekehrt eine höhere Form der Unterhaltung darstellt, es schuf, sag ich, dies Unlogische beständig Ueberraschungen und Erheiterungen, an denen, als wir alt geworden, auch unsere Kinder teil nahmen. Ich möchte diese Sprechweise gern charakterisieren und greife zu diesem Zweck ein kleines Vorkommnis heraus.

Wir hatten oben im schlesischen Gebirge, nahe von Kirche Wang, eine Sommerwohnung gemietet und zwar auf der "Brotbaude" bei Herrn Schmidt, einem sehr vorzüglichen Manne mit einer noch vorzüglicheren Frau. Als wir oben ankamen, ich in leichtem Sommerpaletot, bemerkte ich, daß ich unten in Hirschberg einen zweiten, etwas dickeren Ueberzieher vergessen hatte; wahrscheinlich hing er noch an dem Ständer, an den ich ihn angehängt. "Ich fahre morgen wieder nach Hirschberg," sagte Herr Schmidt, "und mein alter Friedrich auch, - Friedrich war der Kutscher - da kann ihn denn einer von uns mitbringen." Und Herr Schmidt und Friedrich fuhren am andern Morgen auch wirklich ab und wir sahen ihrer Rückkehr mit Spannung entgegen. Denn es war noch ein sehr guter Ueberzieher. Als die Sonne schon

sprechen. Es schuf dies Unlogische, das bei phantasiereichen Frauen allerdings nichts als ein Ueberspringen von Mittelgliedern ist und in gewissem Sinne nicht eine niedrigere, sondern umgekehrt eine höhere Form der Unterhaltung darstellt, es schuf, sag ich, dies Unlogische beständig Ueberraschungen und Erheiterungen, an denen, als wir alt geworden, auch unsere Kinder teil nahmen. Ich möchte diese Sprechweise gern charakterisieren und greife zu diesem Zweck ein kleines Vorkommnis heraus.

Wir hatten oben im schlesischen Gebirge, nahe von Kirche Wang, eine Sommerwohnung gemietet und zwar auf der „Brotbaude“ bei Herrn Schmidt, einem sehr vorzüglichen Manne mit einer noch vorzüglicheren Frau. Als wir oben ankamen, ich in leichtem Sommerpaletot, bemerkte ich, daß ich unten in Hirschberg einen zweiten, etwas dickeren Ueberzieher vergessen hatte; wahrscheinlich hing er noch an dem Ständer, an den ich ihn angehängt. „Ich fahre morgen wieder nach Hirschberg,“ sagte Herr Schmidt, „und mein alter Friedrich auch, – Friedrich war der Kutscher – da kann ihn denn einer von uns mitbringen.“ Und Herr Schmidt und Friedrich fuhren am andern Morgen auch wirklich ab und wir sahen ihrer Rückkehr mit Spannung entgegen. Denn es war noch ein sehr guter Ueberzieher. Als die Sonne schon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0565" n="556"/>
sprechen. Es schuf dies Unlogische, das bei phantasiereichen Frauen allerdings nichts als ein Ueberspringen von Mittelgliedern ist und in gewissem Sinne nicht eine niedrigere, sondern umgekehrt eine höhere Form der Unterhaltung darstellt, es schuf, sag ich, dies Unlogische beständig Ueberraschungen und Erheiterungen, an denen, als wir alt geworden, auch unsere Kinder teil nahmen. Ich möchte diese Sprechweise gern charakterisieren und greife zu diesem Zweck ein kleines Vorkommnis heraus.</p><lb/>
          <p>Wir hatten oben im schlesischen Gebirge, nahe von Kirche Wang, eine Sommerwohnung gemietet und zwar auf der &#x201E;Brotbaude&#x201C; bei Herrn Schmidt, einem sehr vorzüglichen Manne mit einer noch vorzüglicheren Frau. Als wir oben ankamen, ich in leichtem Sommerpaletot, bemerkte ich, daß ich unten in Hirschberg einen zweiten, etwas dickeren Ueberzieher vergessen hatte; wahrscheinlich hing er noch an dem Ständer, an den ich ihn angehängt. &#x201E;Ich fahre morgen wieder nach Hirschberg,&#x201C; sagte Herr Schmidt, &#x201E;und mein alter Friedrich auch, &#x2013; Friedrich war der Kutscher &#x2013; da kann ihn denn einer von uns mitbringen.&#x201C; Und Herr Schmidt und Friedrich fuhren am andern Morgen auch wirklich ab und wir sahen ihrer Rückkehr mit Spannung entgegen. Denn es war noch ein sehr guter Ueberzieher. Als die Sonne schon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0565] sprechen. Es schuf dies Unlogische, das bei phantasiereichen Frauen allerdings nichts als ein Ueberspringen von Mittelgliedern ist und in gewissem Sinne nicht eine niedrigere, sondern umgekehrt eine höhere Form der Unterhaltung darstellt, es schuf, sag ich, dies Unlogische beständig Ueberraschungen und Erheiterungen, an denen, als wir alt geworden, auch unsere Kinder teil nahmen. Ich möchte diese Sprechweise gern charakterisieren und greife zu diesem Zweck ein kleines Vorkommnis heraus. Wir hatten oben im schlesischen Gebirge, nahe von Kirche Wang, eine Sommerwohnung gemietet und zwar auf der „Brotbaude“ bei Herrn Schmidt, einem sehr vorzüglichen Manne mit einer noch vorzüglicheren Frau. Als wir oben ankamen, ich in leichtem Sommerpaletot, bemerkte ich, daß ich unten in Hirschberg einen zweiten, etwas dickeren Ueberzieher vergessen hatte; wahrscheinlich hing er noch an dem Ständer, an den ich ihn angehängt. „Ich fahre morgen wieder nach Hirschberg,“ sagte Herr Schmidt, „und mein alter Friedrich auch, – Friedrich war der Kutscher – da kann ihn denn einer von uns mitbringen.“ Und Herr Schmidt und Friedrich fuhren am andern Morgen auch wirklich ab und wir sahen ihrer Rückkehr mit Spannung entgegen. Denn es war noch ein sehr guter Ueberzieher. Als die Sonne schon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/565
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/565>, abgerufen am 22.11.2024.