Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.meinem Wilhelm v. Merckel. Er war immer, wenn auch freilich auf etwas altmodische Weise, für "Freiheit" gewesen und als sie nach den Märztagen mit etlichen Ueberschreitungen sich einstellte, rief er nicht bloß nach der Polizei, sondern schrieb auch sein zu einer gewissen Notorität gelangtes Lied: "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten." Und auch damit schloß er den Wechsel seiner Stimmungs-Ansichten noch nicht ab. Denn kaum daß die "Soldaten geholfen hatten", so mißfielen ihm auch wieder die konservativ-orthodoxen Tendenzen, die jetzt verdoppelt zur Herrschaft kamen und er veröffentlichte seinen schon erwähnten "Frack des Herrn von Chergal", eine politische Geschichte, die auf die Verhöhnung eines reaktionären oder wenigstens völlig unzeitmäßigen Gebahrens hinauslief. Wer ein geringstes Abweichen von einem ihm als Ideal erscheinenden Mittelkurs seiner Natur nach nicht vertragen kann, vielmehr bei Wahrnehmung jeder kleinsten Ausschreitung nach links oder rechts hin sofort Veranlassung nimmt, in das entgegengesetzte Lager überzugehen, der ist zum Politiker absolut ungeeignet. Und das traf bei Merckel zu. So kam er denn, so lang er in der Unruhe der vor- und nachmärzlichen Tage stand, aus dem Unzufriedensein über die damaligen Zustände nicht heraus, aber diese Schwäche wurzelte doch auch wieder in etwas meinem Wilhelm v. Merckel. Er war immer, wenn auch freilich auf etwas altmodische Weise, für „Freiheit“ gewesen und als sie nach den Märztagen mit etlichen Ueberschreitungen sich einstellte, rief er nicht bloß nach der Polizei, sondern schrieb auch sein zu einer gewissen Notorität gelangtes Lied: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten.“ Und auch damit schloß er den Wechsel seiner Stimmungs-Ansichten noch nicht ab. Denn kaum daß die „Soldaten geholfen hatten“, so mißfielen ihm auch wieder die konservativ-orthodoxen Tendenzen, die jetzt verdoppelt zur Herrschaft kamen und er veröffentlichte seinen schon erwähnten „Frack des Herrn von Chergal“, eine politische Geschichte, die auf die Verhöhnung eines reaktionären oder wenigstens völlig unzeitmäßigen Gebahrens hinauslief. Wer ein geringstes Abweichen von einem ihm als Ideal erscheinenden Mittelkurs seiner Natur nach nicht vertragen kann, vielmehr bei Wahrnehmung jeder kleinsten Ausschreitung nach links oder rechts hin sofort Veranlassung nimmt, in das entgegengesetzte Lager überzugehen, der ist zum Politiker absolut ungeeignet. Und das traf bei Merckel zu. So kam er denn, so lang er in der Unruhe der vor- und nachmärzlichen Tage stand, aus dem Unzufriedensein über die damaligen Zustände nicht heraus, aber diese Schwäche wurzelte doch auch wieder in etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0535" n="526"/> meinem Wilhelm v. Merckel. Er war immer, wenn auch freilich auf etwas altmodische Weise, für „Freiheit“ gewesen und als sie nach den Märztagen mit etlichen Ueberschreitungen sich einstellte, rief er nicht bloß nach der Polizei, sondern schrieb auch sein zu einer gewissen Notorität gelangtes Lied: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten.“ Und auch damit schloß er den Wechsel seiner Stimmungs-Ansichten noch nicht ab. Denn kaum daß die „Soldaten geholfen hatten“, so mißfielen ihm auch wieder die konservativ-orthodoxen Tendenzen, die jetzt verdoppelt zur Herrschaft kamen und er veröffentlichte seinen schon erwähnten „Frack des Herrn von Chergal“, eine politische Geschichte, die auf die Verhöhnung eines reaktionären oder wenigstens völlig unzeitmäßigen Gebahrens hinauslief. Wer ein geringstes Abweichen von einem ihm als Ideal erscheinenden Mittelkurs seiner Natur nach nicht vertragen kann, vielmehr bei Wahrnehmung jeder kleinsten Ausschreitung nach links oder rechts hin sofort Veranlassung nimmt, in das entgegengesetzte Lager überzugehen, der ist zum Politiker absolut ungeeignet. Und das traf bei Merckel zu. So kam er denn, so lang er in der Unruhe der vor- und nachmärzlichen Tage stand, aus dem Unzufriedensein über die damaligen Zustände nicht heraus, aber diese Schwäche wurzelte doch auch wieder in etwas<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [526/0535]
meinem Wilhelm v. Merckel. Er war immer, wenn auch freilich auf etwas altmodische Weise, für „Freiheit“ gewesen und als sie nach den Märztagen mit etlichen Ueberschreitungen sich einstellte, rief er nicht bloß nach der Polizei, sondern schrieb auch sein zu einer gewissen Notorität gelangtes Lied: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten.“ Und auch damit schloß er den Wechsel seiner Stimmungs-Ansichten noch nicht ab. Denn kaum daß die „Soldaten geholfen hatten“, so mißfielen ihm auch wieder die konservativ-orthodoxen Tendenzen, die jetzt verdoppelt zur Herrschaft kamen und er veröffentlichte seinen schon erwähnten „Frack des Herrn von Chergal“, eine politische Geschichte, die auf die Verhöhnung eines reaktionären oder wenigstens völlig unzeitmäßigen Gebahrens hinauslief. Wer ein geringstes Abweichen von einem ihm als Ideal erscheinenden Mittelkurs seiner Natur nach nicht vertragen kann, vielmehr bei Wahrnehmung jeder kleinsten Ausschreitung nach links oder rechts hin sofort Veranlassung nimmt, in das entgegengesetzte Lager überzugehen, der ist zum Politiker absolut ungeeignet. Und das traf bei Merckel zu. So kam er denn, so lang er in der Unruhe der vor- und nachmärzlichen Tage stand, aus dem Unzufriedensein über die damaligen Zustände nicht heraus, aber diese Schwäche wurzelte doch auch wieder in etwas
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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