Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.was wohl daran lag, daß das rein Litterarische, das so leicht abschmeckig wirkt, durch Persönliches immer aufgefrischt wurde. Dazu gab denn unser alter Scherenberg, den ich auch hier wieder in erster Reihe nennen muß, die schönste Veranlassung. Wie man über seine Dichtungen auch denken mag - die Schwächen derselben erkannten einige von uns auch damals recht gut - der ganze Mann als solcher war eine nie versagende Quelle der Erheiterung für uns: seine merkwürdigen Wohnungsverhältnisse, seine Geldverlegenheiten, sein Hinundhergezerrtwerden von zwei sich befehdenden Parteien, sein Diplomatisieren mit dem ganz undiplomatischen und zur Scherenbergbegeisterung heraufgepufften Buchhändler Hayn, seine klugen Naivitäten, sein Gefeiertwerden in Sanssouci, vor allem seine Kriegsministerialstellung, in der er sich durch seinen Freund und Vorgesetzten Heinrich Smidt gelegentlich gerüffelt sah, um dann zwei Stunden später unter Generalitäten der Gast des Kriegsministers zu sein, - alle diese Dinge waren ein unerschöpflicher Unterhaltungsstoff für uns, bei dem es nicht nötig war, in öder Kunstbetrachtung immer wieder auf Ligny und Waterloo zurückzugreifen. Und solcher scherenbergisch eigenartigen Gestalten hatten wir im Tunnel sehr viele, - Rhetor Schramm, Assessor Streber, Woll- was wohl daran lag, daß das rein Litterarische, das so leicht abschmeckig wirkt, durch Persönliches immer aufgefrischt wurde. Dazu gab denn unser alter Scherenberg, den ich auch hier wieder in erster Reihe nennen muß, die schönste Veranlassung. Wie man über seine Dichtungen auch denken mag – die Schwächen derselben erkannten einige von uns auch damals recht gut – der ganze Mann als solcher war eine nie versagende Quelle der Erheiterung für uns: seine merkwürdigen Wohnungsverhältnisse, seine Geldverlegenheiten, sein Hinundhergezerrtwerden von zwei sich befehdenden Parteien, sein Diplomatisieren mit dem ganz undiplomatischen und zur Scherenbergbegeisterung heraufgepufften Buchhändler Hayn, seine klugen Naivitäten, sein Gefeiertwerden in Sanssouci, vor allem seine Kriegsministerialstellung, in der er sich durch seinen Freund und Vorgesetzten Heinrich Smidt gelegentlich gerüffelt sah, um dann zwei Stunden später unter Generalitäten der Gast des Kriegsministers zu sein, – alle diese Dinge waren ein unerschöpflicher Unterhaltungsstoff für uns, bei dem es nicht nötig war, in öder Kunstbetrachtung immer wieder auf Ligny und Waterloo zurückzugreifen. Und solcher scherenbergisch eigenartigen Gestalten hatten wir im Tunnel sehr viele, – Rhetor Schramm, Assessor Streber, Woll- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0528" n="519"/> was wohl daran lag, daß das rein Litterarische, das so leicht abschmeckig wirkt, durch <hi rendition="#g">Persönliches</hi> immer aufgefrischt wurde. Dazu gab denn unser alter Scherenberg, den ich auch hier wieder in erster Reihe nennen muß, die schönste Veranlassung. Wie man über seine Dichtungen auch denken mag – die Schwächen derselben erkannten einige von uns auch damals recht gut – der ganze Mann als solcher war eine nie versagende Quelle der Erheiterung für uns: seine merkwürdigen Wohnungsverhältnisse, seine Geldverlegenheiten, sein Hinundhergezerrtwerden von zwei sich befehdenden Parteien, sein Diplomatisieren mit dem ganz undiplomatischen und zur Scherenbergbegeisterung heraufgepufften Buchhändler Hayn, seine klugen Naivitäten, sein Gefeiertwerden in Sanssouci, vor allem seine Kriegsministerialstellung, in der er sich durch seinen Freund und Vorgesetzten Heinrich Smidt gelegentlich gerüffelt sah, um dann zwei Stunden später unter Generalitäten der Gast des Kriegsministers zu sein, – alle diese Dinge waren ein unerschöpflicher Unterhaltungsstoff für uns, bei dem es nicht nötig war, in öder Kunstbetrachtung immer wieder auf Ligny und Waterloo zurückzugreifen. Und solcher scherenbergisch eigenartigen Gestalten hatten wir im Tunnel sehr viele, – Rhetor Schramm, Assessor Streber, Woll-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [519/0528]
was wohl daran lag, daß das rein Litterarische, das so leicht abschmeckig wirkt, durch Persönliches immer aufgefrischt wurde. Dazu gab denn unser alter Scherenberg, den ich auch hier wieder in erster Reihe nennen muß, die schönste Veranlassung. Wie man über seine Dichtungen auch denken mag – die Schwächen derselben erkannten einige von uns auch damals recht gut – der ganze Mann als solcher war eine nie versagende Quelle der Erheiterung für uns: seine merkwürdigen Wohnungsverhältnisse, seine Geldverlegenheiten, sein Hinundhergezerrtwerden von zwei sich befehdenden Parteien, sein Diplomatisieren mit dem ganz undiplomatischen und zur Scherenbergbegeisterung heraufgepufften Buchhändler Hayn, seine klugen Naivitäten, sein Gefeiertwerden in Sanssouci, vor allem seine Kriegsministerialstellung, in der er sich durch seinen Freund und Vorgesetzten Heinrich Smidt gelegentlich gerüffelt sah, um dann zwei Stunden später unter Generalitäten der Gast des Kriegsministers zu sein, – alle diese Dinge waren ein unerschöpflicher Unterhaltungsstoff für uns, bei dem es nicht nötig war, in öder Kunstbetrachtung immer wieder auf Ligny und Waterloo zurückzugreifen. Und solcher scherenbergisch eigenartigen Gestalten hatten wir im Tunnel sehr viele, – Rhetor Schramm, Assessor Streber, Woll-
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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