Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Mühler, des Vaters von Heinrich v. Mühler, eingeführt. Er wurde der Freund des Hauses und bald auch der Verlobte von Heinrich v. Mühlers Schwester Henriette. Die Vermählung fand 1836 statt. Drei Jahre später, - er war inzwischen Kammergerichtsrat geworden, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb - trat er in den Tunnel. Als ich 1844 Mitglied wurde, stand Wilhelm v. Merckel schon in hohem Ansehen. Ich sah mich von Anfang an weniger durch Wort und That als durch sein Auge, das freundlich auf mir ruhte, beachtet und beinah ausgezeichnet. Es hing das wohl damit zusammen, daß er, über alles andere hinaus, in erster Reihe von Grund aus human war und in seinem tief eingewurzelten Sinne für das Menschliche, sich mit relativen Nebensächlichkeiten wie Standesunterschiede, Wissens- und Bildungsgrade garnicht beschäftigte. "Was ist das für ein Mensch", nur auf das hin gab er sich Antwort und wenn diese günstig lautete, so hatte der Betreffende gewonnen Spiel. Er war das Gegenteil von dem, wofür unser Berliner Jargon jetzt allerlei groteske Bezeichnungen hat, Bezeichnungen, unter denen "Mumpitz" noch als das zitierbarste gelten kann. Alles was ein preußischer Patent- und Schablonenmensch mit mehr oder weniger Berechtigung gegen mich hätte Mühler, des Vaters von Heinrich v. Mühler, eingeführt. Er wurde der Freund des Hauses und bald auch der Verlobte von Heinrich v. Mühlers Schwester Henriette. Die Vermählung fand 1836 statt. Drei Jahre später, – er war inzwischen Kammergerichtsrat geworden, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb – trat er in den Tunnel. Als ich 1844 Mitglied wurde, stand Wilhelm v. Merckel schon in hohem Ansehen. Ich sah mich von Anfang an weniger durch Wort und That als durch sein Auge, das freundlich auf mir ruhte, beachtet und beinah ausgezeichnet. Es hing das wohl damit zusammen, daß er, über alles andere hinaus, in erster Reihe von Grund aus human war und in seinem tief eingewurzelten Sinne für das Menschliche, sich mit relativen Nebensächlichkeiten wie Standesunterschiede, Wissens- und Bildungsgrade garnicht beschäftigte. „Was ist das für ein Mensch“, nur auf das hin gab er sich Antwort und wenn diese günstig lautete, so hatte der Betreffende gewonnen Spiel. Er war das Gegenteil von dem, wofür unser Berliner Jargon jetzt allerlei groteske Bezeichnungen hat, Bezeichnungen, unter denen „Mumpitz“ noch als das zitierbarste gelten kann. Alles was ein preußischer Patent- und Schablonenmensch mit mehr oder weniger Berechtigung gegen mich hätte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0522" n="513"/> Mühler, des Vaters von Heinrich v. Mühler, eingeführt. Er wurde der Freund des Hauses und bald auch der Verlobte von Heinrich v. Mühlers Schwester Henriette. Die Vermählung fand 1836 statt. Drei Jahre später, – er war inzwischen Kammergerichtsrat geworden, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb – trat er in den Tunnel. Als ich 1844 Mitglied wurde, stand Wilhelm v. Merckel schon in hohem Ansehen. Ich sah mich von Anfang an weniger durch Wort und That als durch sein Auge, das freundlich auf mir ruhte, beachtet und beinah ausgezeichnet. Es hing das wohl damit zusammen, daß er, über alles andere hinaus, in erster Reihe von Grund aus human war und in seinem tief eingewurzelten Sinne für das Menschliche, sich mit relativen Nebensächlichkeiten wie Standesunterschiede, Wissens- und Bildungsgrade garnicht beschäftigte. „Was ist das für ein Mensch“, nur auf das hin gab er sich Antwort und wenn diese günstig lautete, so hatte der Betreffende gewonnen Spiel. Er war das Gegenteil von dem, wofür unser Berliner Jargon jetzt allerlei groteske Bezeichnungen hat, Bezeichnungen, unter denen „Mumpitz“ noch als das zitierbarste gelten kann. Alles was ein preußischer Patent- und Schablonenmensch mit mehr oder weniger Berechtigung gegen mich hätte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [513/0522]
Mühler, des Vaters von Heinrich v. Mühler, eingeführt. Er wurde der Freund des Hauses und bald auch der Verlobte von Heinrich v. Mühlers Schwester Henriette. Die Vermählung fand 1836 statt. Drei Jahre später, – er war inzwischen Kammergerichtsrat geworden, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb – trat er in den Tunnel. Als ich 1844 Mitglied wurde, stand Wilhelm v. Merckel schon in hohem Ansehen. Ich sah mich von Anfang an weniger durch Wort und That als durch sein Auge, das freundlich auf mir ruhte, beachtet und beinah ausgezeichnet. Es hing das wohl damit zusammen, daß er, über alles andere hinaus, in erster Reihe von Grund aus human war und in seinem tief eingewurzelten Sinne für das Menschliche, sich mit relativen Nebensächlichkeiten wie Standesunterschiede, Wissens- und Bildungsgrade garnicht beschäftigte. „Was ist das für ein Mensch“, nur auf das hin gab er sich Antwort und wenn diese günstig lautete, so hatte der Betreffende gewonnen Spiel. Er war das Gegenteil von dem, wofür unser Berliner Jargon jetzt allerlei groteske Bezeichnungen hat, Bezeichnungen, unter denen „Mumpitz“ noch als das zitierbarste gelten kann. Alles was ein preußischer Patent- und Schablonenmensch mit mehr oder weniger Berechtigung gegen mich hätte
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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