antipapistischen und namentlich antijesuitischen Gedichte vor, die bald darauf unter dem Titel "Lieder aus Rom" erschienen. Sie wurden sehr bewundert, und auch ich nahm ganz ehrlich an dieser Bewunderung teil. Zur Stunde denke ich nicht mehr so hoch davon. Alle diese Gedichte haben dieselben Tugenden, aber freilich auch dieselben Mängel, die die meisten Gedichte jener Tunnel-Epoche haben: sie sind alle männlichen Geistes, von einer, wenn man will, sehr tüchtigen Gesinnung eingegeben und stehen einerseits der Liebes- und andererseits der Freiheitsphrase, die damals die Lyrik beherrschte, sehr vorteilhaft gegenüber, aber sie haben, mit alleiniger Ausnahme der Strachwitz'schen Gedichte, nichts - oder doch zu wenig - von jenem dem Ohr sich Einschmeichelnden, ohne das es für mein Gefühl keine Lyrik giebt. Bei Scherenberg trat das ganz eminent hervor, er gab es auch selber zu; bei Lepel versteckte sich's, war aber doch da. Er galt für einen Formkünstler und war es auch; er überwand große Schwierigkeiten und man mußte voller Respekt vor dem Aufbau seiner Terzinen sein. Aber was ich das sich Einschmeichelnde nannte, das fehlte. Will ich mich an Gedanken und Gesinnungen aufrichten, so kann ich das in Prosa thun; bringt mir einer Verse, so müssen sie gefällig sein, sich meinen Sinnen an-
antipapistischen und namentlich antijesuitischen Gedichte vor, die bald darauf unter dem Titel „Lieder aus Rom“ erschienen. Sie wurden sehr bewundert, und auch ich nahm ganz ehrlich an dieser Bewunderung teil. Zur Stunde denke ich nicht mehr so hoch davon. Alle diese Gedichte haben dieselben Tugenden, aber freilich auch dieselben Mängel, die die meisten Gedichte jener Tunnel-Epoche haben: sie sind alle männlichen Geistes, von einer, wenn man will, sehr tüchtigen Gesinnung eingegeben und stehen einerseits der Liebes- und andererseits der Freiheitsphrase, die damals die Lyrik beherrschte, sehr vorteilhaft gegenüber, aber sie haben, mit alleiniger Ausnahme der Strachwitz’schen Gedichte, nichts – oder doch zu wenig – von jenem dem Ohr sich Einschmeichelnden, ohne das es für mein Gefühl keine Lyrik giebt. Bei Scherenberg trat das ganz eminent hervor, er gab es auch selber zu; bei Lepel versteckte sich’s, war aber doch da. Er galt für einen Formkünstler und war es auch; er überwand große Schwierigkeiten und man mußte voller Respekt vor dem Aufbau seiner Terzinen sein. Aber was ich das sich Einschmeichelnde nannte, das fehlte. Will ich mich an Gedanken und Gesinnungen aufrichten, so kann ich das in Prosa thun; bringt mir einer Verse, so müssen sie gefällig sein, sich meinen Sinnen an-
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antipapistischen und namentlich antijesuitischen Gedichte vor, die bald darauf unter dem Titel „Lieder aus Rom“ erschienen. Sie wurden sehr bewundert, und auch ich nahm ganz ehrlich an dieser Bewunderung teil. Zur Stunde denke ich nicht mehr so hoch davon. Alle diese Gedichte haben dieselben Tugenden, aber freilich auch dieselben Mängel, die die meisten Gedichte jener Tunnel-Epoche haben: sie sind alle männlichen Geistes, von einer, wenn man will, sehr tüchtigen Gesinnung eingegeben und stehen einerseits der Liebes- und andererseits der Freiheitsphrase, die damals die Lyrik beherrschte, sehr vorteilhaft gegenüber, aber sie haben, mit alleiniger Ausnahme der Strachwitz’schen Gedichte, nichts – oder doch zu wenig – von jenem dem Ohr sich Einschmeichelnden, ohne das es für mein Gefühl keine Lyrik giebt. Bei Scherenberg trat das ganz eminent hervor, er gab es auch selber zu; bei Lepel versteckte sich’s, war aber doch da. Er galt für einen Formkünstler und war es auch; er überwand große Schwierigkeiten und man mußte voller Respekt vor dem Aufbau seiner Terzinen sein. Aber was ich das sich Einschmeichelnde nannte, das fehlte. Will ich mich an Gedanken und Gesinnungen aufrichten, so kann ich das in Prosa thun; bringt mir einer Verse, so müssen sie gefällig sein, sich meinen Sinnen an-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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antipapistischen und namentlich antijesuitischen Gedichte vor, die bald darauf unter dem Titel „Lieder aus Rom“ erschienen. Sie wurden sehr bewundert, und auch ich nahm ganz ehrlich an dieser Bewunderung teil. Zur Stunde denke ich nicht mehr so hoch davon. Alle diese Gedichte haben dieselben Tugenden, aber freilich auch dieselben Mängel, die die meisten Gedichte jener Tunnel-Epoche haben: sie sind alle männlichen Geistes, von einer, wenn man will, sehr tüchtigen Gesinnung eingegeben und stehen einerseits der Liebes- und andererseits der Freiheitsphrase, die damals die Lyrik beherrschte, sehr vorteilhaft gegenüber, aber sie haben, mit alleiniger Ausnahme der Strachwitz’schen Gedichte, nichts – oder doch zu wenig – von jenem dem Ohr sich Einschmeichelnden, ohne das es für mein Gefühl keine Lyrik giebt. Bei Scherenberg trat das ganz eminent hervor, er gab es auch selber zu; bei Lepel versteckte sich’s, war aber doch da. Er galt für einen Formkünstler und war es auch; er überwand große Schwierigkeiten und man mußte voller Respekt vor dem Aufbau seiner Terzinen sein. Aber was ich das sich Einschmeichelnde nannte, das fehlte. Will ich mich an Gedanken und Gesinnungen aufrichten, so kann ich das in Prosa thun; bringt mir einer Verse, so müssen sie gefällig sein, sich meinen Sinnen an-
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/492>, abgerufen am 23.07.2024.
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