Nach dieser weiten Abschweifung, in der ich mich ausschließlich mit dem Ton, der vor dreißig Jahren auf der Kreuzzeitung herrschte, beschäftigt habe, kehre ich zu meinem eigentlichen Thema zurück, zu George Hesekiel, der all die vorgeschilderten Dinge mit mir gemeinschaftlich durchlebte.
Daß er damals das "große Talent" der Zeitung war, sagte ich, glaub' ich, schon - nicht das große politische, wohl aber das große journalistische Talent. Politiker war er gar nicht; er kultivierte statt dessen das Interessante, das Sensationelle, die Spannung und, wer was vom Zeitungsdienst versteht, weiß, daß das allerdings die Hauptsache bleibt. Die Partei wie die Redaktion wußten denn auch jederzeit, was sie an ihm hatten, aber sie wußten es nicht genug oder nicht jeden Augenblick oder wollten es nicht wissen, und das führte dann mitten in seinem Triumphzuge zu beständig sich einschiebenden Kränkungen und Niederlagen. Allerdings lag die Schuld, wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann, nicht bloß bei seinen gelegentlichen Angreifern oder Unterschätzern, sondern auch bei ihm selbst, weil er, wie so oft große Talente, mit dem, was von der andern Seite her beim besten Willen geleistet werden konnte, nicht richtig rechnete.
Natürlich, wie jeder Eingeweihte weiß, ist unter
Nach dieser weiten Abschweifung, in der ich mich ausschließlich mit dem Ton, der vor dreißig Jahren auf der Kreuzzeitung herrschte, beschäftigt habe, kehre ich zu meinem eigentlichen Thema zurück, zu George Hesekiel, der all die vorgeschilderten Dinge mit mir gemeinschaftlich durchlebte.
Daß er damals das „große Talent“ der Zeitung war, sagte ich, glaub’ ich, schon – nicht das große politische, wohl aber das große journalistische Talent. Politiker war er gar nicht; er kultivierte statt dessen das Interessante, das Sensationelle, die Spannung und, wer was vom Zeitungsdienst versteht, weiß, daß das allerdings die Hauptsache bleibt. Die Partei wie die Redaktion wußten denn auch jederzeit, was sie an ihm hatten, aber sie wußten es nicht genug oder nicht jeden Augenblick oder wollten es nicht wissen, und das führte dann mitten in seinem Triumphzuge zu beständig sich einschiebenden Kränkungen und Niederlagen. Allerdings lag die Schuld, wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann, nicht bloß bei seinen gelegentlichen Angreifern oder Unterschätzern, sondern auch bei ihm selbst, weil er, wie so oft große Talente, mit dem, was von der andern Seite her beim besten Willen geleistet werden konnte, nicht richtig rechnete.
Natürlich, wie jeder Eingeweihte weiß, ist unter
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Nach dieser weiten Abschweifung, in der ich mich ausschließlich mit dem Ton, der vor dreißig Jahren auf der Kreuzzeitung herrschte, beschäftigt habe, kehre ich zu meinem eigentlichen Thema zurück, zu George Hesekiel, der all die vorgeschilderten Dinge mit mir gemeinschaftlich durchlebte.
Daß er damals das „große Talent“ der Zeitung war, sagte ich, glaub’ ich, schon – nicht das große politische, wohl aber das große journalistische Talent. Politiker war er gar nicht; er kultivierte statt dessen das Interessante, das Sensationelle, die Spannung und, wer was vom Zeitungsdienst versteht, weiß, daß das allerdings die Hauptsache bleibt. Die Partei wie die Redaktion wußten denn auch jederzeit, was sie an ihm hatten, aber sie wußten es nicht genug oder nicht jeden Augenblick oder wollten es nicht wissen, und das führte dann mitten in seinem Triumphzuge zu beständig sich einschiebenden Kränkungen und Niederlagen. Allerdings lag die Schuld, wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann, nicht bloß bei seinen gelegentlichen Angreifern oder Unterschätzern, sondern auch bei ihm selbst, weil er, wie so oft große Talente, mit dem, was von der andern Seite her beim besten Willen geleistet werden konnte, nicht richtig rechnete.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/480>, abgerufen am 16.02.2025.
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