Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

interessante Leute zusammen, aus deren Gesamtheit ich, um mich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlieren, nur einen herausgreife: den alten Büchsel. Ich hatte das Glück, ihm immer gegenüberzusitzen und ihn dabei studieren zu können, was ich denn auch redlich that. Sein Kopf war wie der eines märkischen Schäferhundes oder noch richtiger einer Mischung von Neufundländer und Fuchs. Der Fuchs wog aber sehr vor, wodurch, ich kann nicht sagen die Verehrung, aber doch das Interesse für ihn gewann. Er war die personifizierte norddeutsche Lebensklugheit, mit einem starken Stich ins Schlaue. Zu Büchsels wärmsten Verehrerinnen gehörte auch eine Generalin v. Gansauge. "Frau Generalin," so begrüßte er eines Tages die alte Dame, "ich habe nicht geglaubt, daß Sie noch so vergnügungssüchtig seien." - "Ich? vergnügungssüchtig? Aber wie das, Herr Generalsuperintendent?" - "Ja, Frau Generalin. Ich sehe Sie jetzt auch öfter in meinen Nachmittagsgottesdiensten." - Man hat die "Wrangeliana" gesammelt; Büchsels Aussprüche zu sammeln, würde sich noch mehr verlohnen. Von meiner großen Zuneigung zu ihm hatte er keine Ahnung; sie galt dem Menschen, aber noch mehr dem Schriftsteller. Sein Buch "Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen" ist ein Prachtstück unserer märkischen Speziallitteratur.

interessante Leute zusammen, aus deren Gesamtheit ich, um mich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlieren, nur einen herausgreife: den alten Büchsel. Ich hatte das Glück, ihm immer gegenüberzusitzen und ihn dabei studieren zu können, was ich denn auch redlich that. Sein Kopf war wie der eines märkischen Schäferhundes oder noch richtiger einer Mischung von Neufundländer und Fuchs. Der Fuchs wog aber sehr vor, wodurch, ich kann nicht sagen die Verehrung, aber doch das Interesse für ihn gewann. Er war die personifizierte norddeutsche Lebensklugheit, mit einem starken Stich ins Schlaue. Zu Büchsels wärmsten Verehrerinnen gehörte auch eine Generalin v. Gansauge. „Frau Generalin,“ so begrüßte er eines Tages die alte Dame, „ich habe nicht geglaubt, daß Sie noch so vergnügungssüchtig seien.“ – „Ich? vergnügungssüchtig? Aber wie das, Herr Generalsuperintendent?“ – „Ja, Frau Generalin. Ich sehe Sie jetzt auch öfter in meinen Nachmittagsgottesdiensten.“ – Man hat die „Wrangeliana“ gesammelt; Büchsels Aussprüche zu sammeln, würde sich noch mehr verlohnen. Von meiner großen Zuneigung zu ihm hatte er keine Ahnung; sie galt dem Menschen, aber noch mehr dem Schriftsteller. Sein Buch „Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen“ ist ein Prachtstück unserer märkischen Speziallitteratur.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0476" n="467"/>
interessante Leute zusammen, aus deren Gesamtheit ich, um mich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlieren, nur einen herausgreife: den alten <hi rendition="#g">Büchsel</hi>. Ich hatte das Glück, ihm immer gegenüberzusitzen und ihn dabei studieren zu können, was ich denn auch redlich that. Sein Kopf war wie der eines märkischen Schäferhundes oder noch richtiger einer Mischung von Neufundländer und Fuchs. Der Fuchs wog aber sehr vor, wodurch, ich kann nicht sagen die Verehrung, aber doch das Interesse für ihn gewann. Er war die personifizierte norddeutsche Lebensklugheit, mit einem starken Stich ins Schlaue. Zu Büchsels wärmsten Verehrerinnen gehörte auch eine Generalin v. Gansauge. &#x201E;Frau Generalin,&#x201C; so begrüßte er eines Tages die alte Dame, &#x201E;ich habe nicht geglaubt, daß Sie noch so vergnügungssüchtig seien.&#x201C; &#x2013; &#x201E;Ich? vergnügungssüchtig? Aber wie das, Herr Generalsuperintendent?&#x201C; &#x2013; &#x201E;Ja, Frau Generalin. Ich sehe Sie jetzt auch <hi rendition="#g">öfter</hi> in meinen <hi rendition="#g">Nachmittags</hi>gottesdiensten.&#x201C; &#x2013; Man hat die &#x201E;Wrangeliana&#x201C; gesammelt; Büchsels Aussprüche zu sammeln, würde sich noch mehr verlohnen. Von meiner großen Zuneigung zu ihm hatte er keine Ahnung; sie galt dem Menschen, aber noch mehr dem Schriftsteller. Sein Buch &#x201E;Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen&#x201C; ist ein Prachtstück unserer märkischen Speziallitteratur.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0476] interessante Leute zusammen, aus deren Gesamtheit ich, um mich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlieren, nur einen herausgreife: den alten Büchsel. Ich hatte das Glück, ihm immer gegenüberzusitzen und ihn dabei studieren zu können, was ich denn auch redlich that. Sein Kopf war wie der eines märkischen Schäferhundes oder noch richtiger einer Mischung von Neufundländer und Fuchs. Der Fuchs wog aber sehr vor, wodurch, ich kann nicht sagen die Verehrung, aber doch das Interesse für ihn gewann. Er war die personifizierte norddeutsche Lebensklugheit, mit einem starken Stich ins Schlaue. Zu Büchsels wärmsten Verehrerinnen gehörte auch eine Generalin v. Gansauge. „Frau Generalin,“ so begrüßte er eines Tages die alte Dame, „ich habe nicht geglaubt, daß Sie noch so vergnügungssüchtig seien.“ – „Ich? vergnügungssüchtig? Aber wie das, Herr Generalsuperintendent?“ – „Ja, Frau Generalin. Ich sehe Sie jetzt auch öfter in meinen Nachmittagsgottesdiensten.“ – Man hat die „Wrangeliana“ gesammelt; Büchsels Aussprüche zu sammeln, würde sich noch mehr verlohnen. Von meiner großen Zuneigung zu ihm hatte er keine Ahnung; sie galt dem Menschen, aber noch mehr dem Schriftsteller. Sein Buch „Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen“ ist ein Prachtstück unserer märkischen Speziallitteratur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/476
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/476>, abgerufen am 22.11.2024.