hatten, wie ich nur wiederholen kann, etwas von dem Charme der Offiziosität, die der fortschrittlichen Presse dagegen zeichneten sich durch Stil und Opulenz, durch Heranziehung von Kunst und Litteratur aus, die der Kreuzzeitung aber waren die lehrreichsten und, wenn der Damm erst durchbrochen war, auch die gemütlichsten. Sie gaben sich nicht bloß als Extras, als Außergewöhnlichkeiten, sondern bildeten eine Art Institution, gehörten mit zum Programm. Ich muß deshalb etwas länger bei dieser Gastlichkeit verweilen.
Die gesellschaftliche Repräsentation der Kreuzzeitung trat in drei Gestalten auf: als "cercle intime", als Königsgeburtstagsfeier und als politische Ressource. Diese drei waren, wie von den Gesellschaften der anderen Zeitungen, so auch untereinander ziemlich verschieden. Der "cercle intime" war gleichbedeutend mit einem Sichversammeln im Familienkreise; nicht die Zeitung als solche lud ein, sondern der Chefredakteur in Person und in seinem Hause. Keine Parteirepräsentation; alles mehr Privatsache. Das zeigte sich schon darin, daß auch Damen daran teilnahmen. Exzellenzen erschienen nur vereinzelt, aber viele Stabsoffiziere, Geistliche, befreundete Professoren, überhaupt Freunde. Manche sind mir sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben: Minister Bodelschwingh, Geheimrat v. Senfft-Pilsach, Major Ribbentrop von
hatten, wie ich nur wiederholen kann, etwas von dem Charme der Offiziosität, die der fortschrittlichen Presse dagegen zeichneten sich durch Stil und Opulenz, durch Heranziehung von Kunst und Litteratur aus, die der Kreuzzeitung aber waren die lehrreichsten und, wenn der Damm erst durchbrochen war, auch die gemütlichsten. Sie gaben sich nicht bloß als Extras, als Außergewöhnlichkeiten, sondern bildeten eine Art Institution, gehörten mit zum Programm. Ich muß deshalb etwas länger bei dieser Gastlichkeit verweilen.
Die gesellschaftliche Repräsentation der Kreuzzeitung trat in drei Gestalten auf: als „cercle intime“, als Königsgeburtstagsfeier und als politische Ressource. Diese drei waren, wie von den Gesellschaften der anderen Zeitungen, so auch untereinander ziemlich verschieden. Der „cercle intime“ war gleichbedeutend mit einem Sichversammeln im Familienkreise; nicht die Zeitung als solche lud ein, sondern der Chefredakteur in Person und in seinem Hause. Keine Parteirepräsentation; alles mehr Privatsache. Das zeigte sich schon darin, daß auch Damen daran teilnahmen. Exzellenzen erschienen nur vereinzelt, aber viele Stabsoffiziere, Geistliche, befreundete Professoren, überhaupt Freunde. Manche sind mir sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben: Minister Bodelschwingh, Geheimrat v. Senfft-Pilsach, Major Ribbentrop von
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hatten, wie ich nur wiederholen kann, etwas von dem Charme der Offiziosität, die der fortschrittlichen Presse dagegen zeichneten sich durch Stil und Opulenz, durch Heranziehung von Kunst und Litteratur aus, die der Kreuzzeitung aber waren die lehrreichsten und, wenn der Damm erst durchbrochen war, auch die gemütlichsten. Sie gaben sich nicht bloß als Extras, als Außergewöhnlichkeiten, sondern bildeten eine Art Institution, gehörten mit zum Programm. Ich muß deshalb etwas länger bei dieser Gastlichkeit verweilen.</p><lb/><p>Die gesellschaftliche Repräsentation der Kreuzzeitung trat in drei Gestalten auf: als <hirendition="#aq">„cercle intime“</hi>, als Königsgeburtstagsfeier und als politische Ressource. Diese drei waren, wie von den Gesellschaften der anderen Zeitungen, so auch untereinander ziemlich verschieden. Der <hirendition="#aq">„cercle intime“</hi> war gleichbedeutend mit einem Sichversammeln im Familienkreise; nicht die Zeitung als solche lud ein, sondern der Chefredakteur in Person und in seinem Hause. Keine Parteirepräsentation; alles mehr Privatsache. Das zeigte sich schon darin, daß auch Damen daran teilnahmen. Exzellenzen erschienen nur vereinzelt, aber viele Stabsoffiziere, Geistliche, befreundete Professoren, überhaupt Freunde. Manche sind mir sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben: Minister Bodelschwingh, Geheimrat v. Senfft-Pilsach, Major Ribbentrop von<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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hatten, wie ich nur wiederholen kann, etwas von dem Charme der Offiziosität, die der fortschrittlichen Presse dagegen zeichneten sich durch Stil und Opulenz, durch Heranziehung von Kunst und Litteratur aus, die der Kreuzzeitung aber waren die lehrreichsten und, wenn der Damm erst durchbrochen war, auch die gemütlichsten. Sie gaben sich nicht bloß als Extras, als Außergewöhnlichkeiten, sondern bildeten eine Art Institution, gehörten mit zum Programm. Ich muß deshalb etwas länger bei dieser Gastlichkeit verweilen.
Die gesellschaftliche Repräsentation der Kreuzzeitung trat in drei Gestalten auf: als „cercle intime“, als Königsgeburtstagsfeier und als politische Ressource. Diese drei waren, wie von den Gesellschaften der anderen Zeitungen, so auch untereinander ziemlich verschieden. Der „cercle intime“ war gleichbedeutend mit einem Sichversammeln im Familienkreise; nicht die Zeitung als solche lud ein, sondern der Chefredakteur in Person und in seinem Hause. Keine Parteirepräsentation; alles mehr Privatsache. Das zeigte sich schon darin, daß auch Damen daran teilnahmen. Exzellenzen erschienen nur vereinzelt, aber viele Stabsoffiziere, Geistliche, befreundete Professoren, überhaupt Freunde. Manche sind mir sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben: Minister Bodelschwingh, Geheimrat v. Senfft-Pilsach, Major Ribbentrop von
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/467>, abgerufen am 16.02.2025.
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