"neuen Aera", Geheimrat Max Duncker geworden, ein sehr liebenswürdiger Herr, der von der oben beklagten Eigenart der Gothaner gar nichts oder doch nur sehr wenig aufwies. Ich kam aber trotzdem nicht recht an ihn heran. Alles, während es sich doch - wenigstens uns kleinen Skribenten und Korrespondenten gegenüber - immer nur um Quisquilien handelte, wurde so furchtbar wichtig genommen, und so schied ich denn aus, um anderweitig mein Heil zu versuchen. Aber das war nicht leicht. Wer in ähnlicher Lage gewesen ist, wird mir das bestätigen, auch jetzt noch, trotzdem sich die Dinge seitdem sehr verbessert haben. Ich hatte zehn Jahre lang zur Regierungspresse gehört. In dieser verbleiben zu können, wäre mir schon aus Bequemlichkeit sehr erwünscht gewesen. Aber diese Presse der "neuen Aera", zu der auch indirekt die nationalliberalen Zeitungen gehörten, mißfiel mir oder ich ihr, und so blieben nur Vossin und Kreuzzeitung übrig. Ich war also in einer argen Verlegenheit und sprach mich zu Hesekiel darüber aus. Der sagte: "Ja, melden kannst Du Dich nicht bei uns. Aber wenn ein Angebot kommt, dann liegt es doch um ein gut Teil günstiger für Dich." Und schon am anderen Tage kam ein solches Angebot. Der Chefredakteur der Kreuzzeitung fragte bei mir an, "ob ich die Redaktion des englischen
„neuen Aera“, Geheimrat Max Duncker geworden, ein sehr liebenswürdiger Herr, der von der oben beklagten Eigenart der Gothaner gar nichts oder doch nur sehr wenig aufwies. Ich kam aber trotzdem nicht recht an ihn heran. Alles, während es sich doch – wenigstens uns kleinen Skribenten und Korrespondenten gegenüber – immer nur um Quisquilien handelte, wurde so furchtbar wichtig genommen, und so schied ich denn aus, um anderweitig mein Heil zu versuchen. Aber das war nicht leicht. Wer in ähnlicher Lage gewesen ist, wird mir das bestätigen, auch jetzt noch, trotzdem sich die Dinge seitdem sehr verbessert haben. Ich hatte zehn Jahre lang zur Regierungspresse gehört. In dieser verbleiben zu können, wäre mir schon aus Bequemlichkeit sehr erwünscht gewesen. Aber diese Presse der „neuen Aera“, zu der auch indirekt die nationalliberalen Zeitungen gehörten, mißfiel mir oder ich ihr, und so blieben nur Vossin und Kreuzzeitung übrig. Ich war also in einer argen Verlegenheit und sprach mich zu Hesekiel darüber aus. Der sagte: „Ja, melden kannst Du Dich nicht bei uns. Aber wenn ein Angebot kommt, dann liegt es doch um ein gut Teil günstiger für Dich.“ Und schon am anderen Tage kam ein solches Angebot. Der Chefredakteur der Kreuzzeitung fragte bei mir an, „ob ich die Redaktion des englischen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0456"n="447"/>„neuen Aera“, Geheimrat Max Duncker geworden, ein sehr liebenswürdiger Herr, der von der oben beklagten Eigenart der Gothaner gar nichts oder doch nur sehr wenig aufwies. Ich kam aber trotzdem nicht recht an ihn heran. Alles, während es sich doch – wenigstens uns kleinen Skribenten und Korrespondenten gegenüber – immer nur um Quisquilien handelte, wurde so furchtbar wichtig genommen, und so schied ich denn aus, um anderweitig mein Heil zu versuchen. Aber das war nicht leicht. Wer in ähnlicher Lage gewesen ist, wird mir das bestätigen, auch jetzt noch, trotzdem sich die Dinge seitdem sehr verbessert haben. Ich hatte zehn Jahre lang zur Regierungspresse gehört. In dieser verbleiben zu können, wäre mir schon aus Bequemlichkeit sehr erwünscht gewesen. Aber diese Presse der „neuen Aera“, zu der auch indirekt die nationalliberalen Zeitungen gehörten, mißfiel mir oder ich ihr, und so blieben nur Vossin und Kreuzzeitung übrig. Ich war also in einer argen Verlegenheit und sprach mich zu Hesekiel darüber aus. Der sagte: „Ja, melden kannst Du Dich nicht bei uns. Aber wenn ein Angebot kommt, dann liegt es doch um ein gut Teil günstiger für Dich.“ Und schon am anderen Tage kam ein solches Angebot. Der Chefredakteur der Kreuzzeitung fragte bei mir an, „ob ich die Redaktion des englischen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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„neuen Aera“, Geheimrat Max Duncker geworden, ein sehr liebenswürdiger Herr, der von der oben beklagten Eigenart der Gothaner gar nichts oder doch nur sehr wenig aufwies. Ich kam aber trotzdem nicht recht an ihn heran. Alles, während es sich doch – wenigstens uns kleinen Skribenten und Korrespondenten gegenüber – immer nur um Quisquilien handelte, wurde so furchtbar wichtig genommen, und so schied ich denn aus, um anderweitig mein Heil zu versuchen. Aber das war nicht leicht. Wer in ähnlicher Lage gewesen ist, wird mir das bestätigen, auch jetzt noch, trotzdem sich die Dinge seitdem sehr verbessert haben. Ich hatte zehn Jahre lang zur Regierungspresse gehört. In dieser verbleiben zu können, wäre mir schon aus Bequemlichkeit sehr erwünscht gewesen. Aber diese Presse der „neuen Aera“, zu der auch indirekt die nationalliberalen Zeitungen gehörten, mißfiel mir oder ich ihr, und so blieben nur Vossin und Kreuzzeitung übrig. Ich war also in einer argen Verlegenheit und sprach mich zu Hesekiel darüber aus. Der sagte: „Ja, melden kannst Du Dich nicht bei uns. Aber wenn ein Angebot kommt, dann liegt es doch um ein gut Teil günstiger für Dich.“ Und schon am anderen Tage kam ein solches Angebot. Der Chefredakteur der Kreuzzeitung fragte bei mir an, „ob ich die Redaktion des englischen
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/456>, abgerufen am 23.07.2024.
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