Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Minderheit bestritt auch dies, bis man ihr zu Gemüte führte, "daß es ja der Marquis sei, der diesen Brief geschrieben, ein ernster Politiker also, der den ,gezogenen Degen' nicht vier- oder fünfmal betont haben würde, wenn er dieser Sache nicht eine gewisse Wichtigkeit beilegen wollte." Das schlug durch, und man nahm an, daß eine Kriegserklärung in Sicht stehe. Der an jenem Abend aber die gesamte Kreuzzeitungsgruppe so nachhaltig beschäftigende "Marquis" war niemand anders als mein Freund George Hesekiel, Wilhelm- oder Bernburger Straße, oder wo sonst er damals gerade wohnen mochte. Wie sich denken läßt, hing der Schöpfer an diesem seinem Geschöpf, der Marquis "wuchs mit seinen größeren Zwecken", und es wird sich ganz ernsthaft sagen lassen, daß Hesekiel an keiner seiner Romanfiguren auch nur annähernd so viel Freude gehabt hat, wie speziell an diesem Kinde seiner Laune. Doch alle Freude welkt dahin. Ein Jahrzehnt lang hatte sich die so glücklich erfundene Figur bei Leben und Ansehen erhalten, bis es mit einem Male hieß: "Der legitimistische Marquis der ,Kreuzzeitung' existiere gar nicht." Es war nämlich aufgefallen, daß der Marquis nie schrieb, wenn Hesekiel im Monat Juli in Karlsbad war. Indessen möcht' ich trotz alledem annehmen, daß der durch diesen Um- Minderheit bestritt auch dies, bis man ihr zu Gemüte führte, „daß es ja der Marquis sei, der diesen Brief geschrieben, ein ernster Politiker also, der den ‚gezogenen Degen‘ nicht vier- oder fünfmal betont haben würde, wenn er dieser Sache nicht eine gewisse Wichtigkeit beilegen wollte.“ Das schlug durch, und man nahm an, daß eine Kriegserklärung in Sicht stehe. Der an jenem Abend aber die gesamte Kreuzzeitungsgruppe so nachhaltig beschäftigende „Marquis“ war niemand anders als mein Freund George Hesekiel, Wilhelm- oder Bernburger Straße, oder wo sonst er damals gerade wohnen mochte. Wie sich denken läßt, hing der Schöpfer an diesem seinem Geschöpf, der Marquis „wuchs mit seinen größeren Zwecken“, und es wird sich ganz ernsthaft sagen lassen, daß Hesekiel an keiner seiner Romanfiguren auch nur annähernd so viel Freude gehabt hat, wie speziell an diesem Kinde seiner Laune. Doch alle Freude welkt dahin. Ein Jahrzehnt lang hatte sich die so glücklich erfundene Figur bei Leben und Ansehen erhalten, bis es mit einem Male hieß: „Der legitimistische Marquis der ‚Kreuzzeitung‘ existiere gar nicht.“ Es war nämlich aufgefallen, daß der Marquis nie schrieb, wenn Hesekiel im Monat Juli in Karlsbad war. Indessen möcht’ ich trotz alledem annehmen, daß der durch diesen Um- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0443" n="434"/> Minderheit bestritt auch dies, bis man ihr zu Gemüte führte, „daß es ja der Marquis sei, der diesen Brief geschrieben, ein ernster Politiker also, der den <choice><sic>„gezogenen Degen“</sic><corr>‚gezogenen Degen‘</corr></choice> nicht vier- oder fünfmal betont haben würde, wenn er dieser Sache nicht eine gewisse Wichtigkeit beilegen wollte.“ Das schlug durch, und man nahm an, daß eine Kriegserklärung in Sicht stehe. Der an jenem Abend aber die gesamte Kreuzzeitungsgruppe so nachhaltig beschäftigende „Marquis“ war niemand anders als mein Freund George Hesekiel, Wilhelm- oder Bernburger Straße, oder wo sonst er damals gerade wohnen mochte. Wie sich denken läßt, hing der Schöpfer an diesem seinem Geschöpf, der Marquis „wuchs mit seinen größeren Zwecken“, und es wird sich ganz ernsthaft sagen lassen, daß Hesekiel an keiner seiner Romanfiguren auch nur annähernd so viel Freude gehabt hat, wie speziell an diesem Kinde seiner Laune. Doch alle Freude welkt dahin. Ein Jahrzehnt lang hatte sich die so glücklich erfundene Figur bei Leben und Ansehen erhalten, bis es mit einem Male hieß: „Der legitimistische Marquis der <choice><sic>„Kreuzzeitung“</sic><corr>‚Kreuzzeitung‘</corr></choice> existiere gar nicht.“ Es war nämlich aufgefallen, daß der Marquis nie schrieb, wenn Hesekiel im Monat Juli in Karlsbad war. Indessen möcht’ ich trotz alledem annehmen, daß der durch diesen Um-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [434/0443]
Minderheit bestritt auch dies, bis man ihr zu Gemüte führte, „daß es ja der Marquis sei, der diesen Brief geschrieben, ein ernster Politiker also, der den ‚gezogenen Degen‘ nicht vier- oder fünfmal betont haben würde, wenn er dieser Sache nicht eine gewisse Wichtigkeit beilegen wollte.“ Das schlug durch, und man nahm an, daß eine Kriegserklärung in Sicht stehe. Der an jenem Abend aber die gesamte Kreuzzeitungsgruppe so nachhaltig beschäftigende „Marquis“ war niemand anders als mein Freund George Hesekiel, Wilhelm- oder Bernburger Straße, oder wo sonst er damals gerade wohnen mochte. Wie sich denken läßt, hing der Schöpfer an diesem seinem Geschöpf, der Marquis „wuchs mit seinen größeren Zwecken“, und es wird sich ganz ernsthaft sagen lassen, daß Hesekiel an keiner seiner Romanfiguren auch nur annähernd so viel Freude gehabt hat, wie speziell an diesem Kinde seiner Laune. Doch alle Freude welkt dahin. Ein Jahrzehnt lang hatte sich die so glücklich erfundene Figur bei Leben und Ansehen erhalten, bis es mit einem Male hieß: „Der legitimistische Marquis der ‚Kreuzzeitung‘ existiere gar nicht.“ Es war nämlich aufgefallen, daß der Marquis nie schrieb, wenn Hesekiel im Monat Juli in Karlsbad war. Indessen möcht’ ich trotz alledem annehmen, daß der durch diesen Um-
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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