Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.stupend; er konnte in einem fort schreiben, ohne ein Wort auszustreichen; sein Schaffen, wenn man's überhaupt so nennen durfte, hatte was Ehernes, Unerbittliches. Immer waren Massen auf Lager und so kam es, daß man ihn im Tunnel als ein "Füllsel" betrachtete, das, wenn alles andere fehlte, jederzeit eingestopft werden konnte. Das bedeutete nicht viel, aber umschloß doch immer noch eine gewisse Schätzung und in dieser Schätzung, so klein sie war, blieb er auch, so lang er ein freier Schriftsteller blieb. Als er aber in der sogenannten Reaktionszeit als ein ganz kleiner Beamter in die Kriegsministerial-Bibliothek einrückte - Scherenberg, der mit Grausen daran zurückdachte, war da sein Untergebener - kam Etwas zum Vorschein, was man bis dahin nicht an ihm gekannt hatte: Servilismus. Er sah nur noch nach dem Auge "hoher Vorgesetzter". Keiner derselben, die eben Besseres zu thun hatten, kümmerte sich um ihn und seinen ganzen Kram, aber er setzte Mienen auf, als ob das Kriegsministerium ein Etwas sei, das mit der Kriegsministerialbibliothek stehe und falle. Dem schloß er sich auch in seinen Redewendungen an und geriet in jene Sprache hinein, in der der "Drache der Revolution", "Einstehn für die höchsten Güter der Menschheit", "sichrer als auf den Schultern des Atlas" - herkömmliche stupend; er konnte in einem fort schreiben, ohne ein Wort auszustreichen; sein Schaffen, wenn man’s überhaupt so nennen durfte, hatte was Ehernes, Unerbittliches. Immer waren Massen auf Lager und so kam es, daß man ihn im Tunnel als ein „Füllsel“ betrachtete, das, wenn alles andere fehlte, jederzeit eingestopft werden konnte. Das bedeutete nicht viel, aber umschloß doch immer noch eine gewisse Schätzung und in dieser Schätzung, so klein sie war, blieb er auch, so lang er ein freier Schriftsteller blieb. Als er aber in der sogenannten Reaktionszeit als ein ganz kleiner Beamter in die Kriegsministerial-Bibliothek einrückte – Scherenberg, der mit Grausen daran zurückdachte, war da sein Untergebener – kam Etwas zum Vorschein, was man bis dahin nicht an ihm gekannt hatte: Servilismus. Er sah nur noch nach dem Auge „hoher Vorgesetzter“. Keiner derselben, die eben Besseres zu thun hatten, kümmerte sich um ihn und seinen ganzen Kram, aber er setzte Mienen auf, als ob das Kriegsministerium ein Etwas sei, das mit der Kriegsministerialbibliothek stehe und falle. Dem schloß er sich auch in seinen Redewendungen an und geriet in jene Sprache hinein, in der der „Drache der Revolution“, „Einstehn für die höchsten Güter der Menschheit“, „sichrer als auf den Schultern des Atlas“ – herkömmliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0395" n="386"/> stupend; er konnte in einem fort schreiben, ohne ein Wort auszustreichen; sein Schaffen, wenn man’s überhaupt so nennen durfte, hatte was Ehernes, Unerbittliches. Immer waren Massen auf Lager und so kam es, daß man ihn im Tunnel als ein „Füllsel“ betrachtete, das, wenn alles andere fehlte, jederzeit eingestopft werden konnte. Das bedeutete nicht viel, aber umschloß doch immer noch eine gewisse Schätzung und in dieser Schätzung, so klein sie war, blieb er auch, so lang er ein freier Schriftsteller blieb. Als er aber in der sogenannten Reaktionszeit als ein ganz kleiner Beamter in die Kriegsministerial-Bibliothek einrückte – Scherenberg, der mit Grausen daran zurückdachte, war da sein Untergebener – kam Etwas zum Vorschein, was man bis dahin nicht an ihm gekannt hatte: Servilismus. Er sah nur noch nach dem Auge „hoher Vorgesetzter“. Keiner derselben, die eben Besseres zu thun hatten, kümmerte sich um ihn und seinen ganzen Kram, aber er setzte Mienen auf, als ob das Kriegsministerium ein Etwas sei, das mit der Kriegsministerialbibliothek stehe und falle. Dem schloß er sich auch in seinen Redewendungen an und geriet in jene Sprache hinein, in der der „Drache der Revolution“, „Einstehn für die höchsten Güter der Menschheit“, „sichrer als auf den Schultern des Atlas“ – herkömmliche<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [386/0395]
stupend; er konnte in einem fort schreiben, ohne ein Wort auszustreichen; sein Schaffen, wenn man’s überhaupt so nennen durfte, hatte was Ehernes, Unerbittliches. Immer waren Massen auf Lager und so kam es, daß man ihn im Tunnel als ein „Füllsel“ betrachtete, das, wenn alles andere fehlte, jederzeit eingestopft werden konnte. Das bedeutete nicht viel, aber umschloß doch immer noch eine gewisse Schätzung und in dieser Schätzung, so klein sie war, blieb er auch, so lang er ein freier Schriftsteller blieb. Als er aber in der sogenannten Reaktionszeit als ein ganz kleiner Beamter in die Kriegsministerial-Bibliothek einrückte – Scherenberg, der mit Grausen daran zurückdachte, war da sein Untergebener – kam Etwas zum Vorschein, was man bis dahin nicht an ihm gekannt hatte: Servilismus. Er sah nur noch nach dem Auge „hoher Vorgesetzter“. Keiner derselben, die eben Besseres zu thun hatten, kümmerte sich um ihn und seinen ganzen Kram, aber er setzte Mienen auf, als ob das Kriegsministerium ein Etwas sei, das mit der Kriegsministerialbibliothek stehe und falle. Dem schloß er sich auch in seinen Redewendungen an und geriet in jene Sprache hinein, in der der „Drache der Revolution“, „Einstehn für die höchsten Güter der Menschheit“, „sichrer als auf den Schultern des Atlas“ – herkömmliche
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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