Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Das ist nun Gott sei Dank überwunden, und gerade wir Leute von Fach dürfen uns gratulieren, solchen Wandel der Zeiten noch erlebt zu haben. Denn jene sonderbare "Engelschaft" hat unser ganzes Metier - ich denke dabei nicht weiter an Storm, dem es, wenn es zum Eigentlichsten kam, an einer wirklichen Legitimation nicht fehlte - doch schließlich nur lächerlich gemacht. Im Sommer vierundsechzig, kurz nach der Befreiung des Landes, kehrte Storm nach elfjähriger Abwesenheit in seine geliebte Heimat zurück. Er war nun wieder Landvogt in Husum. Aber im selben Augenblicke fast, wo seine Hand all' das liebe Alte wieder in Besitz nahm, nahm eine wohlverständliche Schwermut von ihm Besitz. Er schrieb an einen Freund: "O, meine Muse, war das der Weg, den Du mich führen wolltest! Die sommerlichen Heiden, deren heilige Einsamkeit ich sonst an Deiner Hand durchstreifte, bis durch den braunen Abendduft die Sterne schienen, sind sie denn alle, alle abgeblüht? Es ist ein melancholisches Lied, das Lied von der Heimkehr." Wundervolle Worte, wie sie nur Storm schreiben konnte, voll jenes eigentümlichen Zaubers, den fast alles hat, das aus seiner Feder kam. In etwas spezifisch Poetischem steht er ganz einzig da. Das ist nun Gott sei Dank überwunden, und gerade wir Leute von Fach dürfen uns gratulieren, solchen Wandel der Zeiten noch erlebt zu haben. Denn jene sonderbare „Engelschaft“ hat unser ganzes Metier – ich denke dabei nicht weiter an Storm, dem es, wenn es zum Eigentlichsten kam, an einer wirklichen Legitimation nicht fehlte – doch schließlich nur lächerlich gemacht. Im Sommer vierundsechzig, kurz nach der Befreiung des Landes, kehrte Storm nach elfjähriger Abwesenheit in seine geliebte Heimat zurück. Er war nun wieder Landvogt in Husum. Aber im selben Augenblicke fast, wo seine Hand all’ das liebe Alte wieder in Besitz nahm, nahm eine wohlverständliche Schwermut von ihm Besitz. Er schrieb an einen Freund: „O, meine Muse, war das der Weg, den Du mich führen wolltest! Die sommerlichen Heiden, deren heilige Einsamkeit ich sonst an Deiner Hand durchstreifte, bis durch den braunen Abendduft die Sterne schienen, sind sie denn alle, alle abgeblüht? Es ist ein melancholisches Lied, das Lied von der Heimkehr.“ Wundervolle Worte, wie sie nur Storm schreiben konnte, voll jenes eigentümlichen Zaubers, den fast alles hat, das aus seiner Feder kam. In etwas spezifisch Poetischem steht er ganz einzig da. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0379" n="370"/> Das ist nun Gott sei Dank überwunden, und gerade wir Leute von Fach dürfen uns gratulieren, solchen Wandel der Zeiten noch erlebt zu haben. Denn jene sonderbare „Engelschaft“ hat unser ganzes Metier – ich denke dabei nicht weiter an Storm, dem es, wenn es zum Eigentlichsten kam, an einer <hi rendition="#g">wirklichen</hi> Legitimation nicht fehlte – doch schließlich nur lächerlich gemacht.</p><lb/> <p>Im Sommer vierundsechzig, kurz nach der Befreiung des Landes, kehrte Storm nach elfjähriger Abwesenheit in seine geliebte Heimat zurück. Er war nun wieder Landvogt in Husum. Aber im selben Augenblicke fast, wo seine Hand all’ das liebe Alte wieder in Besitz nahm, nahm eine wohlverständliche Schwermut von <hi rendition="#g">ihm</hi> Besitz. Er schrieb an einen Freund: „O, meine Muse, war das der Weg, den Du mich führen wolltest! Die sommerlichen Heiden, deren heilige Einsamkeit ich sonst an Deiner Hand durchstreifte, bis durch den braunen Abendduft die Sterne schienen, sind sie denn alle, alle abgeblüht? Es ist ein melancholisches Lied, das Lied von der Heimkehr.“ Wundervolle Worte, wie sie nur Storm schreiben konnte, voll jenes eigentümlichen Zaubers, den fast alles hat, das aus seiner Feder kam. In etwas spezifisch Poetischem steht er ganz einzig da.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0379]
Das ist nun Gott sei Dank überwunden, und gerade wir Leute von Fach dürfen uns gratulieren, solchen Wandel der Zeiten noch erlebt zu haben. Denn jene sonderbare „Engelschaft“ hat unser ganzes Metier – ich denke dabei nicht weiter an Storm, dem es, wenn es zum Eigentlichsten kam, an einer wirklichen Legitimation nicht fehlte – doch schließlich nur lächerlich gemacht.
Im Sommer vierundsechzig, kurz nach der Befreiung des Landes, kehrte Storm nach elfjähriger Abwesenheit in seine geliebte Heimat zurück. Er war nun wieder Landvogt in Husum. Aber im selben Augenblicke fast, wo seine Hand all’ das liebe Alte wieder in Besitz nahm, nahm eine wohlverständliche Schwermut von ihm Besitz. Er schrieb an einen Freund: „O, meine Muse, war das der Weg, den Du mich führen wolltest! Die sommerlichen Heiden, deren heilige Einsamkeit ich sonst an Deiner Hand durchstreifte, bis durch den braunen Abendduft die Sterne schienen, sind sie denn alle, alle abgeblüht? Es ist ein melancholisches Lied, das Lied von der Heimkehr.“ Wundervolle Worte, wie sie nur Storm schreiben konnte, voll jenes eigentümlichen Zaubers, den fast alles hat, das aus seiner Feder kam. In etwas spezifisch Poetischem steht er ganz einzig da.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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