Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.gegneten. Manches so grotesk, daß es sich hier der Möglichkeit des Erzähltwerdens entzieht. Aber seine mit dem Charme des Naiven ausgerüstete Persönlichkeit blieb am Ende doch immer siegreich, und selbst "Frau Clara", so gut sie sonst die Geheimrätin zu betonen wußte, sah und hörte schließlich drüber hin. Diese Storm-Abende waren, ehe man zu Tisch ging und der Fidelitas ihr Recht gönnte, meist Vorlesungs-Abende, bei denen man es zunächst mit Lyrik versuchte. Sehr bald aber zeigte sich's, wie vorher im Tunnel, daß Lyrik für einen größeren Kreis nicht passe, weshalb Storm, sein Programm rasch wechselnd, statt der kleinen "Erotika" Märchenhaftes und Phantastisches vorzulesen begann. Von der Märchendichtung, wie sie damals in Jugendschriften betrieben wurde, hielt er an und für sich sehr wenig. "Das Märchen hat seinen Kredit verloren; es ist die Werkstatt des Dilettantismus geworden, der nun mit seiner Pfuscherarbeit einen lebhaften Markt eröffnet." So schrieb er einmal. Er war sich dem gegenüber eines besonderen Berufes wohl bewußt, zugleich auch einer eigentümlichen Märchen-Vortragskunst, wobei kleine Mittel, die mitunter das Komische streiften, seinerseits nicht verschmäht wurden. So entsinne ich mich eines Abends, wo er das gegneten. Manches so grotesk, daß es sich hier der Möglichkeit des Erzähltwerdens entzieht. Aber seine mit dem Charme des Naiven ausgerüstete Persönlichkeit blieb am Ende doch immer siegreich, und selbst „Frau Clara“, so gut sie sonst die Geheimrätin zu betonen wußte, sah und hörte schließlich drüber hin. Diese Storm-Abende waren, ehe man zu Tisch ging und der Fidelitas ihr Recht gönnte, meist Vorlesungs-Abende, bei denen man es zunächst mit Lyrik versuchte. Sehr bald aber zeigte sich’s, wie vorher im Tunnel, daß Lyrik für einen größeren Kreis nicht passe, weshalb Storm, sein Programm rasch wechselnd, statt der kleinen „Erotika“ Märchenhaftes und Phantastisches vorzulesen begann. Von der Märchendichtung, wie sie damals in Jugendschriften betrieben wurde, hielt er an und für sich sehr wenig. „Das Märchen hat seinen Kredit verloren; es ist die Werkstatt des Dilettantismus geworden, der nun mit seiner Pfuscherarbeit einen lebhaften Markt eröffnet.“ So schrieb er einmal. Er war sich dem gegenüber eines besonderen Berufes wohl bewußt, zugleich auch einer eigentümlichen Märchen-Vortragskunst, wobei kleine Mittel, die mitunter das Komische streiften, seinerseits nicht verschmäht wurden. So entsinne ich mich eines Abends, wo er das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0364" n="355"/> gegneten. Manches so grotesk, daß es sich hier der Möglichkeit des Erzähltwerdens entzieht. Aber seine mit dem Charme des Naiven ausgerüstete Persönlichkeit blieb am Ende doch immer siegreich, und selbst „Frau Clara“, so gut sie sonst die Geheimrätin zu betonen wußte, sah und hörte schließlich drüber hin.</p><lb/> <p>Diese Storm-Abende waren, ehe man zu Tisch ging und der Fidelitas ihr Recht gönnte, meist Vorlesungs-Abende, bei denen man es zunächst mit Lyrik versuchte. Sehr bald aber zeigte sich’s, wie vorher im Tunnel, daß Lyrik für einen größeren Kreis nicht passe, weshalb Storm, sein Programm rasch wechselnd, statt der kleinen „Erotika“ Märchenhaftes und Phantastisches vorzulesen begann. Von der Märchendichtung, wie sie damals in Jugendschriften betrieben wurde, hielt er an und für sich sehr wenig. „Das Märchen hat seinen Kredit verloren; es ist die Werkstatt des Dilettantismus geworden, der nun mit seiner Pfuscherarbeit einen lebhaften Markt eröffnet.“ So schrieb er einmal. Er war sich dem gegenüber eines besonderen Berufes wohl bewußt, zugleich auch einer eigentümlichen Märchen-Vortragskunst, wobei kleine Mittel, die mitunter das Komische streiften, seinerseits nicht verschmäht wurden.</p><lb/> <p>So entsinne ich mich eines Abends, wo er das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [355/0364]
gegneten. Manches so grotesk, daß es sich hier der Möglichkeit des Erzähltwerdens entzieht. Aber seine mit dem Charme des Naiven ausgerüstete Persönlichkeit blieb am Ende doch immer siegreich, und selbst „Frau Clara“, so gut sie sonst die Geheimrätin zu betonen wußte, sah und hörte schließlich drüber hin.
Diese Storm-Abende waren, ehe man zu Tisch ging und der Fidelitas ihr Recht gönnte, meist Vorlesungs-Abende, bei denen man es zunächst mit Lyrik versuchte. Sehr bald aber zeigte sich’s, wie vorher im Tunnel, daß Lyrik für einen größeren Kreis nicht passe, weshalb Storm, sein Programm rasch wechselnd, statt der kleinen „Erotika“ Märchenhaftes und Phantastisches vorzulesen begann. Von der Märchendichtung, wie sie damals in Jugendschriften betrieben wurde, hielt er an und für sich sehr wenig. „Das Märchen hat seinen Kredit verloren; es ist die Werkstatt des Dilettantismus geworden, der nun mit seiner Pfuscherarbeit einen lebhaften Markt eröffnet.“ So schrieb er einmal. Er war sich dem gegenüber eines besonderen Berufes wohl bewußt, zugleich auch einer eigentümlichen Märchen-Vortragskunst, wobei kleine Mittel, die mitunter das Komische streiften, seinerseits nicht verschmäht wurden.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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