Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Storm, als er Husum schon verlassen, nahm - wie wenn er sich von seiner heimatlichen Erde nicht habe losreißen können - noch eine mehrmonatliche Rast in Altona, was veranlaßte, daß er erst im Spätherbst in Potsdam eintraf, wohin man ihn, statt nach Schwedisch-Pommern, installiert hatte. Hier in Potsdam fand er eine gute Wohnung und gute Beziehungen. Die Damen schwärmten ihn an, und die Männer, wie gewöhnlich, mußten mit. Er hätte zufrieden sein können, aber er war es nicht und zog es vor, obschon er ganz unpolitisch war, mehr oder weniger den politischen Ankläger zu machen. Mit seiner kleinen, feinen Stimme ließ er sich über das Inferiore preußischen Wesens ganz unbefangen aus und sah einen dabei halb gutmütig, halb listig an, immer als ob er fragen wolle: "Hab' ich nicht recht?" - Was wir Altpreußen uns auf diesem Gebiete gefallen lassen müssen und thatsächlich beständig gefallen lassen, spottet jeder Beschreibung. Storm war einer der Schlimmsten. Er blieb, aller auch von ihm anerkannten Gutthaten ungeachtet, antipreußisch, und eine Stelle, die sich in Dr. Paul Schützes hübschem Buche: "Theodor Storm, sein Leben und seine Dichtung", vorfindet, wird wohl ziemlich richtig aussprechen, woran Storm damals krankte. "Nicht leicht" so heißt es da "war es für eine Natur wie Storm, als er Husum schon verlassen, nahm – wie wenn er sich von seiner heimatlichen Erde nicht habe losreißen können – noch eine mehrmonatliche Rast in Altona, was veranlaßte, daß er erst im Spätherbst in Potsdam eintraf, wohin man ihn, statt nach Schwedisch-Pommern, installiert hatte. Hier in Potsdam fand er eine gute Wohnung und gute Beziehungen. Die Damen schwärmten ihn an, und die Männer, wie gewöhnlich, mußten mit. Er hätte zufrieden sein können, aber er war es nicht und zog es vor, obschon er ganz unpolitisch war, mehr oder weniger den politischen Ankläger zu machen. Mit seiner kleinen, feinen Stimme ließ er sich über das Inferiore preußischen Wesens ganz unbefangen aus und sah einen dabei halb gutmütig, halb listig an, immer als ob er fragen wolle: „Hab’ ich nicht recht?“ – Was wir Altpreußen uns auf diesem Gebiete gefallen lassen müssen und thatsächlich beständig gefallen lassen, spottet jeder Beschreibung. Storm war einer der Schlimmsten. Er blieb, aller auch von ihm anerkannten Gutthaten ungeachtet, antipreußisch, und eine Stelle, die sich in Dr. Paul Schützes hübschem Buche: „Theodor Storm, sein Leben und seine Dichtung“, vorfindet, wird wohl ziemlich richtig aussprechen, woran Storm damals krankte. „Nicht leicht“ so heißt es da „war es für eine Natur wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0353" n="344"/> <p> Storm, als er Husum schon verlassen, nahm – wie wenn er sich von seiner heimatlichen Erde nicht habe losreißen können – noch eine mehrmonatliche Rast in Altona, was veranlaßte, daß er erst im Spätherbst in Potsdam eintraf, wohin man ihn, statt nach Schwedisch-Pommern, installiert hatte. Hier in Potsdam fand er eine gute Wohnung und gute Beziehungen. Die Damen schwärmten ihn an, und die Männer, wie gewöhnlich, mußten mit. Er hätte zufrieden sein können, aber er war es nicht und zog es vor, obschon er ganz unpolitisch war, mehr oder weniger den politischen Ankläger zu machen. Mit seiner kleinen, feinen Stimme ließ er sich über das Inferiore preußischen Wesens ganz unbefangen aus und sah einen dabei halb gutmütig, halb listig an, immer als ob er fragen wolle: „Hab’ ich nicht recht?“ – Was wir Altpreußen uns auf diesem Gebiete gefallen lassen müssen und thatsächlich beständig gefallen lassen, spottet jeder Beschreibung. Storm war einer der Schlimmsten. Er blieb, aller auch von ihm anerkannten Gutthaten ungeachtet, antipreußisch, und eine Stelle, die sich in <hi rendition="#aq">Dr</hi>. <hi rendition="#g">Paul Schützes</hi> hübschem Buche: „Theodor Storm, sein Leben und seine Dichtung“, vorfindet, wird wohl ziemlich richtig aussprechen, woran Storm damals krankte. „Nicht leicht“ so heißt es da „war es für eine Natur wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [344/0353]
Storm, als er Husum schon verlassen, nahm – wie wenn er sich von seiner heimatlichen Erde nicht habe losreißen können – noch eine mehrmonatliche Rast in Altona, was veranlaßte, daß er erst im Spätherbst in Potsdam eintraf, wohin man ihn, statt nach Schwedisch-Pommern, installiert hatte. Hier in Potsdam fand er eine gute Wohnung und gute Beziehungen. Die Damen schwärmten ihn an, und die Männer, wie gewöhnlich, mußten mit. Er hätte zufrieden sein können, aber er war es nicht und zog es vor, obschon er ganz unpolitisch war, mehr oder weniger den politischen Ankläger zu machen. Mit seiner kleinen, feinen Stimme ließ er sich über das Inferiore preußischen Wesens ganz unbefangen aus und sah einen dabei halb gutmütig, halb listig an, immer als ob er fragen wolle: „Hab’ ich nicht recht?“ – Was wir Altpreußen uns auf diesem Gebiete gefallen lassen müssen und thatsächlich beständig gefallen lassen, spottet jeder Beschreibung. Storm war einer der Schlimmsten. Er blieb, aller auch von ihm anerkannten Gutthaten ungeachtet, antipreußisch, und eine Stelle, die sich in Dr. Paul Schützes hübschem Buche: „Theodor Storm, sein Leben und seine Dichtung“, vorfindet, wird wohl ziemlich richtig aussprechen, woran Storm damals krankte. „Nicht leicht“ so heißt es da „war es für eine Natur wie
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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