Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.abschloß. Stieg man dann, und zwar durch eine aufzuklappende Lukenthür, noch etwas höher hinauf, so hatte man, von einer umgitterten Plattform aus, einen wundervollen Ueberblick über Alt-Berlin. In diesem Turmzimmer, das nach Alchymie und Astrologie, nach Faust und Seni schmeckte, versammelten sich die zur Vorlesung geladenen Damen und ich sage schwerlich zu viel, wenn ich ausspreche, daß der alte Rose in diesem Allerheiligsten die glücklichsten Stunden seines Daseins verbracht habe. Daß die Damen von einem gleichen Glücksgefühl erfüllt gewesen wären, möchte ich bezweifeln, weil der Vortragende, in Verkennung seiner Gaben, auch allerlei Witziges und Humoristisches einzustreuen liebte, will also sagen grade das, was ihm, neben Grazie, die Natur am meisten versagt hatte. Dies alles klingt nun ein wenig lieblos und ist in so weit auch unverdient, als mein Lehrherr, gemessen an der Mehrzahl seiner Kollegen, immer noch von einer gewissen Ueberlegenheit war; in einem allerwichtigsten Punkt aber war er doch wirklich um ein Erkleckliches schlimmer als diese. Das war, wie schon angedeutet, die tiefeingewurzelte Vorstellung von seiner sittlichen Potenz, eine Vorstellung, deren ungewöhnliches Höhenmaß nur noch von ihrer Unberechtigtheit übertroffen wurde. abschloß. Stieg man dann, und zwar durch eine aufzuklappende Lukenthür, noch etwas höher hinauf, so hatte man, von einer umgitterten Plattform aus, einen wundervollen Ueberblick über Alt-Berlin. In diesem Turmzimmer, das nach Alchymie und Astrologie, nach Faust und Seni schmeckte, versammelten sich die zur Vorlesung geladenen Damen und ich sage schwerlich zu viel, wenn ich ausspreche, daß der alte Rose in diesem Allerheiligsten die glücklichsten Stunden seines Daseins verbracht habe. Daß die Damen von einem gleichen Glücksgefühl erfüllt gewesen wären, möchte ich bezweifeln, weil der Vortragende, in Verkennung seiner Gaben, auch allerlei Witziges und Humoristisches einzustreuen liebte, will also sagen grade das, was ihm, neben Grazie, die Natur am meisten versagt hatte. Dies alles klingt nun ein wenig lieblos und ist in so weit auch unverdient, als mein Lehrherr, gemessen an der Mehrzahl seiner Kollegen, immer noch von einer gewissen Ueberlegenheit war; in einem allerwichtigsten Punkt aber war er doch wirklich um ein Erkleckliches schlimmer als diese. Das war, wie schon angedeutet, die tiefeingewurzelte Vorstellung von seiner sittlichen Potenz, eine Vorstellung, deren ungewöhnliches Höhenmaß nur noch von ihrer Unberechtigtheit übertroffen wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026" n="17"/> abschloß. Stieg man dann, und zwar durch eine aufzuklappende Lukenthür, noch etwas höher hinauf, so hatte man, von einer umgitterten Plattform aus, einen wundervollen Ueberblick über Alt-Berlin. In diesem Turmzimmer, das nach Alchymie und Astrologie, nach Faust und Seni schmeckte, versammelten sich die zur Vorlesung geladenen Damen und ich sage schwerlich zu viel, wenn ich ausspreche, daß der alte Rose in diesem Allerheiligsten die glücklichsten Stunden seines Daseins verbracht habe. Daß die Damen von einem gleichen Glücksgefühl erfüllt gewesen wären, möchte ich bezweifeln, weil der Vortragende, in Verkennung seiner Gaben, auch allerlei Witziges und Humoristisches einzustreuen liebte, will also sagen grade <hi rendition="#g">das</hi>, was ihm, neben Grazie, die Natur am meisten versagt hatte.</p><lb/> <p>Dies alles klingt nun ein wenig lieblos und ist in so weit auch unverdient, als mein Lehrherr, gemessen an der Mehrzahl seiner Kollegen, immer noch von einer gewissen Ueberlegenheit war; in einem allerwichtigsten Punkt aber war er doch wirklich um ein Erkleckliches schlimmer als diese. Das war, wie schon angedeutet, die tiefeingewurzelte Vorstellung von seiner sittlichen Potenz, eine Vorstellung, deren ungewöhnliches Höhenmaß nur noch von ihrer Unberechtigtheit übertroffen wurde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0026]
abschloß. Stieg man dann, und zwar durch eine aufzuklappende Lukenthür, noch etwas höher hinauf, so hatte man, von einer umgitterten Plattform aus, einen wundervollen Ueberblick über Alt-Berlin. In diesem Turmzimmer, das nach Alchymie und Astrologie, nach Faust und Seni schmeckte, versammelten sich die zur Vorlesung geladenen Damen und ich sage schwerlich zu viel, wenn ich ausspreche, daß der alte Rose in diesem Allerheiligsten die glücklichsten Stunden seines Daseins verbracht habe. Daß die Damen von einem gleichen Glücksgefühl erfüllt gewesen wären, möchte ich bezweifeln, weil der Vortragende, in Verkennung seiner Gaben, auch allerlei Witziges und Humoristisches einzustreuen liebte, will also sagen grade das, was ihm, neben Grazie, die Natur am meisten versagt hatte.
Dies alles klingt nun ein wenig lieblos und ist in so weit auch unverdient, als mein Lehrherr, gemessen an der Mehrzahl seiner Kollegen, immer noch von einer gewissen Ueberlegenheit war; in einem allerwichtigsten Punkt aber war er doch wirklich um ein Erkleckliches schlimmer als diese. Das war, wie schon angedeutet, die tiefeingewurzelte Vorstellung von seiner sittlichen Potenz, eine Vorstellung, deren ungewöhnliches Höhenmaß nur noch von ihrer Unberechtigtheit übertroffen wurde.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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