Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. "Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte," so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, "so will ich gleich Anzeige davon haben." Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. - Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade - vierundzwanziger und vierundsechziger - die den Uebergang nach
Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. „Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte,“ so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, „so will ich gleich Anzeige davon haben.“ Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – vierundzwanziger und vierundsechziger – die den Uebergang nach
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0223"n="214"/><p>Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. „Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte,“ so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, „so will ich gleich Anzeige davon haben.“ Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – vierundzwanziger und vierundsechziger – die den Uebergang nach<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0223]
Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. „Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte,“ so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, „so will ich gleich Anzeige davon haben.“ Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – vierundzwanziger und vierundsechziger – die den Uebergang nach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/223>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.