Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.meine Garderobe betraf, so stammte sie zu Dreivierteln aus dem damals von meinen Eltern bewohnten großen Oderbruchdorfe, darin es, statt Dusantoyscher Leistungen, nur lange, dunkelblaue Bauernröcke gab. Ich konnte mit meinem Aufzuge, selbst wenn ich bloß schneiderliche Durchschnittskollegen gehabt hätte, nur ganz notdürftig passieren, und mußte nun, meine Minderwertigkeit zu steigern, auch just noch diesen mich tot machenden falschen Pariser in nächster Nähe haben. Uebrigens hatten beide Kollegen, gute Kerle wie sie sonst waren, außer Sappeurbart und Rockschnitt herzlich wenig zu bedeuten und wenn man an ihnen die damals noch ganz aufrichtig von mir geglaubte Stammesüberlegenheit der Niedersachsen und Schwaben hätte demonstrieren wollen, so wäre wohl auch der parteiischste Guelphen- und Ghibellinenbewunderer in einige Verlegenheit gekommen. Und nun noch ein zweites Geschichtchen aus jenen Tagen. Der Sommer 42 war sehr heiß und weil Struve eben Struve war, so hatten wir natürlich so was wie freie Verfügung über die Struveschen Mineralwässer oder bildeten uns wenigstens ein, diese freie Verfügung zu haben. Selterser, Biliner etc. - alles mußte herhalten und wurde tagtäglich vertilgt, - unter reichlicher Zuthat von Him- meine Garderobe betraf, so stammte sie zu Dreivierteln aus dem damals von meinen Eltern bewohnten großen Oderbruchdorfe, darin es, statt Dusantoyscher Leistungen, nur lange, dunkelblaue Bauernröcke gab. Ich konnte mit meinem Aufzuge, selbst wenn ich bloß schneiderliche Durchschnittskollegen gehabt hätte, nur ganz notdürftig passieren, und mußte nun, meine Minderwertigkeit zu steigern, auch just noch diesen mich tot machenden falschen Pariser in nächster Nähe haben. Uebrigens hatten beide Kollegen, gute Kerle wie sie sonst waren, außer Sappeurbart und Rockschnitt herzlich wenig zu bedeuten und wenn man an ihnen die damals noch ganz aufrichtig von mir geglaubte Stammesüberlegenheit der Niedersachsen und Schwaben hätte demonstrieren wollen, so wäre wohl auch der parteiischste Guelphen- und Ghibellinenbewunderer in einige Verlegenheit gekommen. Und nun noch ein zweites Geschichtchen aus jenen Tagen. Der Sommer 42 war sehr heiß und weil Struve eben Struve war, so hatten wir natürlich so was wie freie Verfügung über die Struveschen Mineralwässer oder bildeten uns wenigstens ein, diese freie Verfügung zu haben. Selterser, Biliner etc. – alles mußte herhalten und wurde tagtäglich vertilgt, – unter reichlicher Zuthat von Him- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216" n="207"/><hi rendition="#g">meine</hi> Garderobe betraf, so stammte sie zu Dreivierteln aus dem damals von meinen Eltern bewohnten großen Oderbruchdorfe, darin es, statt Dusantoyscher Leistungen, nur lange, dunkelblaue Bauernröcke gab. Ich konnte mit meinem Aufzuge, selbst wenn ich bloß schneiderliche Durchschnittskollegen gehabt hätte, nur ganz notdürftig passieren, und mußte nun, meine Minderwertigkeit zu steigern, auch just noch diesen mich tot machenden falschen Pariser in nächster Nähe haben. Uebrigens hatten beide Kollegen, gute Kerle wie sie sonst waren, außer Sappeurbart und Rockschnitt herzlich wenig zu bedeuten und wenn man an ihnen die damals noch ganz aufrichtig von mir geglaubte Stammesüberlegenheit der Niedersachsen und Schwaben hätte demonstrieren wollen, so wäre wohl auch der parteiischste Guelphen- und Ghibellinenbewunderer in einige Verlegenheit gekommen.</p><lb/> <p>Und nun noch ein zweites Geschichtchen aus jenen Tagen.</p><lb/> <p>Der Sommer 42 war sehr heiß und weil Struve eben Struve war, so hatten wir natürlich so was wie freie Verfügung über die Struveschen Mineralwässer oder bildeten uns wenigstens ein, diese freie Verfügung zu haben. Selterser, Biliner etc. – alles mußte herhalten und wurde tagtäglich vertilgt, – unter reichlicher Zuthat von Him-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0216]
meine Garderobe betraf, so stammte sie zu Dreivierteln aus dem damals von meinen Eltern bewohnten großen Oderbruchdorfe, darin es, statt Dusantoyscher Leistungen, nur lange, dunkelblaue Bauernröcke gab. Ich konnte mit meinem Aufzuge, selbst wenn ich bloß schneiderliche Durchschnittskollegen gehabt hätte, nur ganz notdürftig passieren, und mußte nun, meine Minderwertigkeit zu steigern, auch just noch diesen mich tot machenden falschen Pariser in nächster Nähe haben. Uebrigens hatten beide Kollegen, gute Kerle wie sie sonst waren, außer Sappeurbart und Rockschnitt herzlich wenig zu bedeuten und wenn man an ihnen die damals noch ganz aufrichtig von mir geglaubte Stammesüberlegenheit der Niedersachsen und Schwaben hätte demonstrieren wollen, so wäre wohl auch der parteiischste Guelphen- und Ghibellinenbewunderer in einige Verlegenheit gekommen.
Und nun noch ein zweites Geschichtchen aus jenen Tagen.
Der Sommer 42 war sehr heiß und weil Struve eben Struve war, so hatten wir natürlich so was wie freie Verfügung über die Struveschen Mineralwässer oder bildeten uns wenigstens ein, diese freie Verfügung zu haben. Selterser, Biliner etc. – alles mußte herhalten und wurde tagtäglich vertilgt, – unter reichlicher Zuthat von Him-
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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