Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte. "Voll Hoffnung und in gehobener Stimmung" sag' ich, was nach allem, was ich vor gerade sechs Jahren in der Großen Hamburgerstraße miterlebt hatte, vielleicht Wunder nehmen könnte. Davon war aber gar keine Rede. Daß damals in meiner Berliner Pension nicht alles gestimmt hatte, das hatte freilich an jenem denkwürdigen Tage, wo der Major mit den unmutig sich hin und her bewegenden Cantillen aufgetreten war, nur allzu deutlich zu mir gesprochen. Aber das war nun schon wieder so lange her.

Und dann, des Weiteren, was stimmte damals?!

Ich war unter Verhältnissen groß gezogen, in denen überhaupt nie was stimmte. Sonderbare Geschäftsführungen und dem entsprechende Geldverhältnisse waren an der Tagesordnung. In der Stadt, in der ich meine Knabenjahre verbracht hatte - Swinemünde -, trank man fleißig Rotwein und fiel aus einem Bankrott in den anderen und in unsrem eignen Hause, wiewohl uns Katastrophen erspart blieben, wurde die Sache gemütlich mitgemacht und mein Vater, um seinen eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen, kam aus der "Bredouille" nicht heraus. Trotz alles jetzt herrschenden Schwindels, möcht' ich doch sagen dürfen: die Lebensweise des mittelguten Durchschnittsmenschen ist seitdem um ein gut Teil solider geworden. Reell und unreell hat sich strenger

hatte. „Voll Hoffnung und in gehobener Stimmung“ sag’ ich, was nach allem, was ich vor gerade sechs Jahren in der Großen Hamburgerstraße miterlebt hatte, vielleicht Wunder nehmen könnte. Davon war aber gar keine Rede. Daß damals in meiner Berliner Pension nicht alles gestimmt hatte, das hatte freilich an jenem denkwürdigen Tage, wo der Major mit den unmutig sich hin und her bewegenden Cantillen aufgetreten war, nur allzu deutlich zu mir gesprochen. Aber das war nun schon wieder so lange her.

Und dann, des Weiteren, was stimmte damals?!

Ich war unter Verhältnissen groß gezogen, in denen überhaupt nie was stimmte. Sonderbare Geschäftsführungen und dem entsprechende Geldverhältnisse waren an der Tagesordnung. In der Stadt, in der ich meine Knabenjahre verbracht hatte – Swinemünde –, trank man fleißig Rotwein und fiel aus einem Bankrott in den anderen und in unsrem eignen Hause, wiewohl uns Katastrophen erspart blieben, wurde die Sache gemütlich mitgemacht und mein Vater, um seinen eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen, kam aus der „Bredouille“ nicht heraus. Trotz alles jetzt herrschenden Schwindels, möcht’ ich doch sagen dürfen: die Lebensweise des mittelguten Durchschnittsmenschen ist seitdem um ein gut Teil solider geworden. Reell und unreell hat sich strenger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="203"/>
hatte. &#x201E;Voll Hoffnung und in gehobener Stimmung&#x201C; sag&#x2019; ich, was nach allem, was ich vor gerade sechs Jahren in der Großen Hamburgerstraße miterlebt hatte, vielleicht Wunder nehmen könnte. Davon war aber gar keine Rede. Daß damals in meiner Berliner Pension nicht alles gestimmt hatte, das hatte freilich an jenem denkwürdigen Tage, wo der Major mit den unmutig sich hin und her bewegenden Cantillen aufgetreten war, nur allzu deutlich zu mir gesprochen. Aber das war nun schon wieder so lange her.</p><lb/>
          <p>Und dann, des Weiteren, was stimmte damals?!</p><lb/>
          <p>Ich war unter Verhältnissen groß gezogen, in denen überhaupt nie was stimmte. Sonderbare Geschäftsführungen und dem entsprechende Geldverhältnisse waren an der Tagesordnung. In der Stadt, in der ich meine Knabenjahre verbracht hatte &#x2013; Swinemünde &#x2013;, trank man fleißig Rotwein und fiel aus einem Bankrott in den anderen und in unsrem eignen Hause, wiewohl uns Katastrophen erspart blieben, wurde die Sache gemütlich mitgemacht <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> mein Vater, um seinen eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen, kam aus der &#x201E;Bredouille&#x201C; nicht heraus. Trotz alles jetzt herrschenden Schwindels, möcht&#x2019; ich doch sagen dürfen: die Lebensweise des mittelguten Durchschnittsmenschen ist seitdem um ein gut Teil solider geworden. Reell und unreell hat sich strenger<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0212] hatte. „Voll Hoffnung und in gehobener Stimmung“ sag’ ich, was nach allem, was ich vor gerade sechs Jahren in der Großen Hamburgerstraße miterlebt hatte, vielleicht Wunder nehmen könnte. Davon war aber gar keine Rede. Daß damals in meiner Berliner Pension nicht alles gestimmt hatte, das hatte freilich an jenem denkwürdigen Tage, wo der Major mit den unmutig sich hin und her bewegenden Cantillen aufgetreten war, nur allzu deutlich zu mir gesprochen. Aber das war nun schon wieder so lange her. Und dann, des Weiteren, was stimmte damals?! Ich war unter Verhältnissen groß gezogen, in denen überhaupt nie was stimmte. Sonderbare Geschäftsführungen und dem entsprechende Geldverhältnisse waren an der Tagesordnung. In der Stadt, in der ich meine Knabenjahre verbracht hatte – Swinemünde –, trank man fleißig Rotwein und fiel aus einem Bankrott in den anderen und in unsrem eignen Hause, wiewohl uns Katastrophen erspart blieben, wurde die Sache gemütlich mitgemacht und mein Vater, um seinen eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen, kam aus der „Bredouille“ nicht heraus. Trotz alles jetzt herrschenden Schwindels, möcht’ ich doch sagen dürfen: die Lebensweise des mittelguten Durchschnittsmenschen ist seitdem um ein gut Teil solider geworden. Reell und unreell hat sich strenger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/212
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/212>, abgerufen am 18.12.2024.