Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Eine andre Schwester von ihm war an Robert Blum verheiratet oder vielleicht auch, daß Günther eine Schwester von Robert Blum zur Frau hatte, jedenfalls waren Günther und Blum Schwäger. Sie zogen auch politisch denselben Strang. Trotzdem war ihre Freundschaft nicht allzu groß, was den, der beide kannte, nicht sehr überraschen konnte. Robert Blum war Volksredner comme il faut und hat einen politischen Einfluß geübt, der weit über den seines Schwagers hinausging; aber dieser war nicht nur der viel feinere Geist, sondern auch der viel gebildetere Mensch. Und als solcher mocht' er an Blums Auftreten gelegentlich Anstoß nehmen.*) *) In einem Büchelchen, das mir, während mir das im Text gesagte schon im Korrekturbogen vorlag, von New-York her zuging, bin ich, und zwar von einem Frankfurter achtundvierziger Parlamentsmitglied - Hugo Wesendonck - herrührend, einer andern, sehr interessanten und weitaus anerkennenderen Schilderung Robert Blums begegnet. Es heißt da: "Alles in allem halte ich auch jetzt noch Blum für den besten Mann des damaligen deutschen Parlaments. Ein Sokrates von Gesicht und Gestalt; aber breiter, stämmiger, mit hervortretenden Schultern und gewölbter Brust. Er hatte viel studiert und war von umfangreichem Wissen, namentlich in der Geschichte. Dazu besaß er eine klassische Ruhe und sprach nach einem festen und durchdachten Plan. Sein Organ war ein vollkommener Bariton, seine Haltung eine ernste, nie leichtfertig. Er war überall geachtet und ich möchte hinzufügen gefürchtet; die Frauen aber verehrten ihn trotz seiner Häßlichkeit. Als geborener Amerikaner hätte er es weit bringen können.
Eine andre Schwester von ihm war an Robert Blum verheiratet oder vielleicht auch, daß Günther eine Schwester von Robert Blum zur Frau hatte, jedenfalls waren Günther und Blum Schwäger. Sie zogen auch politisch denselben Strang. Trotzdem war ihre Freundschaft nicht allzu groß, was den, der beide kannte, nicht sehr überraschen konnte. Robert Blum war Volksredner comme il faut und hat einen politischen Einfluß geübt, der weit über den seines Schwagers hinausging; aber dieser war nicht nur der viel feinere Geist, sondern auch der viel gebildetere Mensch. Und als solcher mocht’ er an Blums Auftreten gelegentlich Anstoß nehmen.*) *) In einem Büchelchen, das mir, während mir das im Text gesagte schon im Korrekturbogen vorlag, von New-York her zuging, bin ich, und zwar von einem Frankfurter achtundvierziger Parlamentsmitglied – Hugo Wesendonck – herrührend, einer andern, sehr interessanten und weitaus anerkennenderen Schilderung Robert Blums begegnet. Es heißt da: „Alles in allem halte ich auch jetzt noch Blum für den besten Mann des damaligen deutschen Parlaments. Ein Sokrates von Gesicht und Gestalt; aber breiter, stämmiger, mit hervortretenden Schultern und gewölbter Brust. Er hatte viel studiert und war von umfangreichem Wissen, namentlich in der Geschichte. Dazu besaß er eine klassische Ruhe und sprach nach einem festen und durchdachten Plan. Sein Organ war ein vollkommener Bariton, seine Haltung eine ernste, nie leichtfertig. Er war überall geachtet und ich möchte hinzufügen gefürchtet; die Frauen aber verehrten ihn trotz seiner Häßlichkeit. Als geborener Amerikaner hätte er es weit bringen können.
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Eine andre Schwester von ihm war an Robert Blum verheiratet oder vielleicht auch, daß Günther eine Schwester von Robert Blum zur Frau hatte, jedenfalls waren Günther und Blum Schwäger. Sie zogen auch politisch denselben Strang. Trotzdem war ihre Freundschaft nicht allzu groß, was den, der beide kannte, nicht sehr überraschen konnte. Robert Blum war Volksredner comme il faut und hat einen politischen Einfluß geübt, der weit über den seines Schwagers hinausging; aber dieser war nicht nur der viel feinere Geist, sondern auch der viel gebildetere Mensch. Und als solcher mocht’ er an Blums Auftreten gelegentlich Anstoß nehmen. *)
*) In einem Büchelchen, das mir, während mir das im Text gesagte schon im Korrekturbogen vorlag, von New-York her zuging, bin ich, und zwar von einem Frankfurter achtundvierziger Parlamentsmitglied – Hugo Wesendonck – herrührend, einer andern, sehr interessanten und weitaus anerkennenderen Schilderung Robert Blums begegnet. Es heißt da: „Alles in allem halte ich auch jetzt noch Blum für den besten Mann des damaligen deutschen Parlaments. Ein Sokrates von Gesicht und Gestalt; aber breiter, stämmiger, mit hervortretenden Schultern und gewölbter Brust. Er hatte viel studiert und war von umfangreichem Wissen, namentlich in der Geschichte. Dazu besaß er eine klassische Ruhe und sprach nach einem festen und durchdachten Plan. Sein Organ war ein vollkommener Bariton, seine Haltung eine ernste, nie leichtfertig. Er war überall geachtet und ich möchte hinzufügen gefürchtet; die Frauen aber verehrten ihn trotz seiner Häßlichkeit. Als geborener Amerikaner hätte er es weit bringen können.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/151>, abgerufen am 23.07.2024. |