phantastisch-politisches Gedicht, das, glaube ich, "Mönch und Ritter" hieß, und wurde darauf hin zu einer kleinen Abendgesellschaft im Hause des Herrn Verlegers eingeladen.
Dieser Abend entschied über mein weiteres Leben in Leipzig, gab ihm, nach der litterarischen Seite hin, den Stempel, weshalb ich etwas ausführlicher dabei verweile.
Robert Binder empfing mich in einem Vorzimmer seines in einer Vorstadt gelegenen, ganz modernen Hauses, mit kleinen Außentreppen und Balkonen. Er war ein ausgesprochener Sachse, fein und verbindlich, aber zugleich von weltmännischem Gepräge, so daß man deutlich empfand, er müsse längere Zeit im Auslande gelebt haben. Die zum Salon führende Thür stand auf, hinter der ich die Gäste, nur wenige, bereits versammelt sah. Ich wurde der Frau vom Hause vorgestellt, einer beinahe schönen Dame, der man sofort abfühlte, daß sie das Heft in Händen hielt und die Geschicke des Hauses, also wahrscheinlich auch die der dort ins Leben tretenden Litteratur lenkte. Grund genug, mich ihr von der denkbar besten Seite zu zeigen. Freilich nur mit mäßigem Erfolge. Sie war sehr liebenswürdig, aber doch noch mehr "mondaine", was sie denn auch befähigte, mich vom ersten Augenblick an richtig zu taxieren und ihre wirkliche Aufmerksamkeit
phantastisch-politisches Gedicht, das, glaube ich, „Mönch und Ritter“ hieß, und wurde darauf hin zu einer kleinen Abendgesellschaft im Hause des Herrn Verlegers eingeladen.
Dieser Abend entschied über mein weiteres Leben in Leipzig, gab ihm, nach der litterarischen Seite hin, den Stempel, weshalb ich etwas ausführlicher dabei verweile.
Robert Binder empfing mich in einem Vorzimmer seines in einer Vorstadt gelegenen, ganz modernen Hauses, mit kleinen Außentreppen und Balkonen. Er war ein ausgesprochener Sachse, fein und verbindlich, aber zugleich von weltmännischem Gepräge, so daß man deutlich empfand, er müsse längere Zeit im Auslande gelebt haben. Die zum Salon führende Thür stand auf, hinter der ich die Gäste, nur wenige, bereits versammelt sah. Ich wurde der Frau vom Hause vorgestellt, einer beinahe schönen Dame, der man sofort abfühlte, daß sie das Heft in Händen hielt und die Geschicke des Hauses, also wahrscheinlich auch die der dort ins Leben tretenden Litteratur lenkte. Grund genug, mich ihr von der denkbar besten Seite zu zeigen. Freilich nur mit mäßigem Erfolge. Sie war sehr liebenswürdig, aber doch noch mehr „mondaine“, was sie denn auch befähigte, mich vom ersten Augenblick an richtig zu taxieren und ihre wirkliche Aufmerksamkeit
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phantastisch-politisches Gedicht, das, glaube ich, „Mönch und Ritter“ hieß, und wurde darauf hin zu einer kleinen Abendgesellschaft im Hause des Herrn Verlegers eingeladen.
Dieser Abend entschied über mein weiteres Leben in Leipzig, gab ihm, nach der litterarischen Seite hin, den Stempel, weshalb ich etwas ausführlicher dabei verweile.
Robert Binder empfing mich in einem Vorzimmer seines in einer Vorstadt gelegenen, ganz modernen Hauses, mit kleinen Außentreppen und Balkonen. Er war ein ausgesprochener Sachse, fein und verbindlich, aber zugleich von weltmännischem Gepräge, so daß man deutlich empfand, er müsse längere Zeit im Auslande gelebt haben. Die zum Salon führende Thür stand auf, hinter der ich die Gäste, nur wenige, bereits versammelt sah. Ich wurde der Frau vom Hause vorgestellt, einer beinahe schönen Dame, der man sofort abfühlte, daß sie das Heft in Händen hielt und die Geschicke des Hauses, also wahrscheinlich auch die der dort ins Leben tretenden Litteratur lenkte. Grund genug, mich ihr von der denkbar besten Seite zu zeigen. Freilich nur mit mäßigem Erfolge. Sie war sehr liebenswürdig, aber doch noch mehr „mondaine“, was sie denn auch befähigte, mich vom ersten Augenblick an richtig zu taxieren und ihre wirkliche Aufmerksamkeit
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/142>, abgerufen am 16.02.2025.
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