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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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trotzdem ich ihn in einem Jahr kein Dutzend Mal gesehn und vielleicht keine dreimal gesprochen habe.

Das alles war am dritten Januar früh. Aber bald sah es sehr anders aus. Am Abend desselben Tages noch, als ich von einem Spaziergang nach Hause kam und auf den Tisch zuschritt, um Licht zu machen, fiel ich ohnmächtig um und wurde so von der Wirtin vorgefunden. Als Freund Esselbach eintraf, fand er mich schon zu Bett, legte jedoch kein Gewicht darauf, sondern setzte sich ans Klavier und machte da seine Tippübungen. Das ging so bis Mitternacht, und diese Stunden hab' ich noch jetzt in schrecklicher Erinnerung. Jeder Tippton that mir weh. Am andern Tage kam der Doktor und sagte: "Typhus". Ja, ich war schwer krank, litt aber nicht sehr, war vielmehr durch einen eigentümlichen, nur dann und wann von Klarheit und selbst Heiterkeit unterbrochenen Dusselzustand, aller Schmerzen und Todesfurcht überhoben. Nebenan, Wand an Wand mit mir, lag der Mann unserer Wirtin am Delirium tremens danieder und starb auch während meiner Krankheit. In gesunden Tagen wäre mir diese Nachbarschaft unbequem gewesen, in dem benommenen Zustand aber, in dem ich mich befand, war es mir ziemlich gleichgiltig, und als an einem Sonntag Nachmittage die "schwarzen Männer" kamen und aus

trotzdem ich ihn in einem Jahr kein Dutzend Mal gesehn und vielleicht keine dreimal gesprochen habe.

Das alles war am dritten Januar früh. Aber bald sah es sehr anders aus. Am Abend desselben Tages noch, als ich von einem Spaziergang nach Hause kam und auf den Tisch zuschritt, um Licht zu machen, fiel ich ohnmächtig um und wurde so von der Wirtin vorgefunden. Als Freund Esselbach eintraf, fand er mich schon zu Bett, legte jedoch kein Gewicht darauf, sondern setzte sich ans Klavier und machte da seine Tippübungen. Das ging so bis Mitternacht, und diese Stunden hab’ ich noch jetzt in schrecklicher Erinnerung. Jeder Tippton that mir weh. Am andern Tage kam der Doktor und sagte: „Typhus“. Ja, ich war schwer krank, litt aber nicht sehr, war vielmehr durch einen eigentümlichen, nur dann und wann von Klarheit und selbst Heiterkeit unterbrochenen Dusselzustand, aller Schmerzen und Todesfurcht überhoben. Nebenan, Wand an Wand mit mir, lag der Mann unserer Wirtin am Delirium tremens danieder und starb auch während meiner Krankheit. In gesunden Tagen wäre mir diese Nachbarschaft unbequem gewesen, in dem benommenen Zustand aber, in dem ich mich befand, war es mir ziemlich gleichgiltig, und als an einem Sonntag Nachmittage die „schwarzen Männer“ kamen und aus

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[109/0118] trotzdem ich ihn in einem Jahr kein Dutzend Mal gesehn und vielleicht keine dreimal gesprochen habe. Das alles war am dritten Januar früh. Aber bald sah es sehr anders aus. Am Abend desselben Tages noch, als ich von einem Spaziergang nach Hause kam und auf den Tisch zuschritt, um Licht zu machen, fiel ich ohnmächtig um und wurde so von der Wirtin vorgefunden. Als Freund Esselbach eintraf, fand er mich schon zu Bett, legte jedoch kein Gewicht darauf, sondern setzte sich ans Klavier und machte da seine Tippübungen. Das ging so bis Mitternacht, und diese Stunden hab’ ich noch jetzt in schrecklicher Erinnerung. Jeder Tippton that mir weh. Am andern Tage kam der Doktor und sagte: „Typhus“. Ja, ich war schwer krank, litt aber nicht sehr, war vielmehr durch einen eigentümlichen, nur dann und wann von Klarheit und selbst Heiterkeit unterbrochenen Dusselzustand, aller Schmerzen und Todesfurcht überhoben. Nebenan, Wand an Wand mit mir, lag der Mann unserer Wirtin am Delirium tremens danieder und starb auch während meiner Krankheit. In gesunden Tagen wäre mir diese Nachbarschaft unbequem gewesen, in dem benommenen Zustand aber, in dem ich mich befand, war es mir ziemlich gleichgiltig, und als an einem Sonntag Nachmittage die „schwarzen Männer“ kamen und aus

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/118>, abgerufen am 22.11.2024.