Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.im Seitenflügel eines alten Hauses bei einer armen Waschfrau eingemietet und bewohnte von den zwei Zimmern, aus denen die Gesamtwohnung bestand, das vordere, hart an der Hintertreppe gelegen, dessen eines Fenster, mit einem kleinen Blumenkasten davor, auf den etwas schmuddligen Berliner Hof hinunter sah. Dicht am Fenster befand sich ein als Arbeitstisch dienendes Klappbrett; ein Binsenstuhl stand davor und auf einem alten Koffer von Seehundsfell lagen etliche Bücher, aber nicht mehr als ein halbes Dutzend. Was er von Büchern brauchte, fand er auf der Bibliothek, wo er meistens die Vormittage zubrachte. Zwei gegenübergelegene Thüren, von denen die eine nach dem Flur hinaus, die andere zur Waschfrau hineinführte, teilten, wenn man durch die Mitte hin eine Querlinie zog, den kleinen Raum in eine Vorder- und Hinterhälfte. In dieser Hinterhälfte stand das Bett, dem ein am Fußende aufgerichteter ovaler Waschzuber als Bettschirm diente. "Etwas primitiv", sagte er, mit erzwungener guter Laune darauf hinweisend und ich setzte hinzu: "Ja, aber doch eigentlich mein Ideal." Trotz dieser Versicherung hatte die ganz ungewöhnliche Wohnungsschlichtheit einen etwas betrüblichen Eindruck auf mich gemacht und als ich bald darauf Werner Hahn traf, fragte ich diesen, im Seitenflügel eines alten Hauses bei einer armen Waschfrau eingemietet und bewohnte von den zwei Zimmern, aus denen die Gesamtwohnung bestand, das vordere, hart an der Hintertreppe gelegen, dessen eines Fenster, mit einem kleinen Blumenkasten davor, auf den etwas schmuddligen Berliner Hof hinunter sah. Dicht am Fenster befand sich ein als Arbeitstisch dienendes Klappbrett; ein Binsenstuhl stand davor und auf einem alten Koffer von Seehundsfell lagen etliche Bücher, aber nicht mehr als ein halbes Dutzend. Was er von Büchern brauchte, fand er auf der Bibliothek, wo er meistens die Vormittage zubrachte. Zwei gegenübergelegene Thüren, von denen die eine nach dem Flur hinaus, die andere zur Waschfrau hineinführte, teilten, wenn man durch die Mitte hin eine Querlinie zog, den kleinen Raum in eine Vorder- und Hinterhälfte. In dieser Hinterhälfte stand das Bett, dem ein am Fußende aufgerichteter ovaler Waschzuber als Bettschirm diente. „Etwas primitiv“, sagte er, mit erzwungener guter Laune darauf hinweisend und ich setzte hinzu: „Ja, aber doch eigentlich mein Ideal.“ Trotz dieser Versicherung hatte die ganz ungewöhnliche Wohnungsschlichtheit einen etwas betrüblichen Eindruck auf mich gemacht und als ich bald darauf Werner Hahn traf, fragte ich diesen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="98"/> im Seitenflügel eines alten Hauses bei einer armen Waschfrau eingemietet und bewohnte von den zwei Zimmern, aus denen die Gesamtwohnung bestand, das vordere, hart an der Hintertreppe gelegen, dessen eines Fenster, mit einem kleinen Blumenkasten davor, auf den etwas schmuddligen Berliner Hof hinunter sah. Dicht am Fenster befand sich ein als Arbeitstisch dienendes Klappbrett; ein Binsenstuhl stand davor und auf einem alten Koffer von Seehundsfell lagen etliche Bücher, aber nicht mehr als ein halbes Dutzend. Was er von Büchern brauchte, fand er auf der Bibliothek, wo er meistens die Vormittage zubrachte. Zwei gegenübergelegene Thüren, von denen die eine nach dem Flur hinaus, die andere zur Waschfrau hineinführte, teilten, wenn man durch die Mitte hin eine Querlinie zog, den kleinen Raum in eine Vorder- und Hinterhälfte. In dieser Hinterhälfte stand das Bett, dem ein am Fußende aufgerichteter ovaler Waschzuber als Bettschirm diente. „Etwas primitiv“, sagte er, mit erzwungener guter Laune darauf hinweisend und ich setzte hinzu: „Ja, aber doch eigentlich mein Ideal.“</p><lb/> <p>Trotz dieser Versicherung hatte die ganz ungewöhnliche Wohnungsschlichtheit einen etwas betrüblichen Eindruck auf mich gemacht und als ich bald darauf Werner Hahn traf, fragte ich diesen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0107]
im Seitenflügel eines alten Hauses bei einer armen Waschfrau eingemietet und bewohnte von den zwei Zimmern, aus denen die Gesamtwohnung bestand, das vordere, hart an der Hintertreppe gelegen, dessen eines Fenster, mit einem kleinen Blumenkasten davor, auf den etwas schmuddligen Berliner Hof hinunter sah. Dicht am Fenster befand sich ein als Arbeitstisch dienendes Klappbrett; ein Binsenstuhl stand davor und auf einem alten Koffer von Seehundsfell lagen etliche Bücher, aber nicht mehr als ein halbes Dutzend. Was er von Büchern brauchte, fand er auf der Bibliothek, wo er meistens die Vormittage zubrachte. Zwei gegenübergelegene Thüren, von denen die eine nach dem Flur hinaus, die andere zur Waschfrau hineinführte, teilten, wenn man durch die Mitte hin eine Querlinie zog, den kleinen Raum in eine Vorder- und Hinterhälfte. In dieser Hinterhälfte stand das Bett, dem ein am Fußende aufgerichteter ovaler Waschzuber als Bettschirm diente. „Etwas primitiv“, sagte er, mit erzwungener guter Laune darauf hinweisend und ich setzte hinzu: „Ja, aber doch eigentlich mein Ideal.“
Trotz dieser Versicherung hatte die ganz ungewöhnliche Wohnungsschlichtheit einen etwas betrüblichen Eindruck auf mich gemacht und als ich bald darauf Werner Hahn traf, fragte ich diesen,
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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